Drei Tage nach dem Bundesparteitag der Alternative für Deutschland (AfD) vollzieht der Parteigründer und bisherige Ko-Vorsitzende Bernd Lucke endgültig die Spaltung der Partei. Mit den Worten "Die Partei ist unwiederbringlich in falsche Hände gefallen" erklärte er am Mittwochabend seinen Austritt aus der AfD, zu deren Gründern er 2013 gehörte.
Er wolle den Schritt am kommenden Freitag gemeinsam mit "sehr vielen Funktionsträgern und einfachen Mitgliedern vollziehen", kündigte Lucke an. Er ließ offen, ob er sich an der Gründung einer neuen Partei beteiligen wird. Darauf dringen offenbar viele seiner Anhänger. Unter den Unterstützern des von Lucke ins Leben gerufenen Vereins "Weckruf 2015" sprach sich nach Angaben aus seinem Umfeld eine deutliche Mehrheit für eine Neugründung aus. In einer Online-Umfrage hätten mehr als achtzig Prozent dafür gestimmt, hieß es.
Fünf der sieben Europa-Abgeordnete der AfD verlassen die Partei
In der AfD hatte sich am Wochenende auf dem Parteitag in Essen der nationalkonservative Flügel um Frauke Petry durchgesetzt. Lucke war immer wieder massiv beschimpft worden. Außer Lucke verlassen vier weitere der sieben Europa-Abgeordneten der AfD die Partei. Sie wollen ihre Mandate behalten. Zudem sind bereits mehrere Vorsitzende von Landesverbänden und frühere Mitglieder des Bundesvorstands der AfD ausgetreten. Auch zahlreiche Funktionäre der AfD auf Kreisebene haben sich nach Angaben des "Weckrufs" zurückgezogen. Die Bundesgeschäftsstelle der AfD bestätigte, dass bisher mehr als 600 Austrittsschreiben bei der Partei eingegangen seien. Allerdings sind viele weitere Schreiben offenbar noch nicht bei der Parteizentrale eingetroffen.
AfD-Parteitag:Ruck nach rechts
Mit dem Parteitag in Essen hat sich die AfD zur Pegida-Partei gemacht. Intoleranz, Dumpfheit und Ressentiments gegen den Islam werden nach dem Abgang von Bernd Lucke dominieren. Die alleinige Chefin Frauke Petry weiß diese Stimmungen zu nutzen.
Lucke beklagte in seinem Austrittsschreiben, dass sich in der AfD "islamfeindliche und ausländerfeindliche Ansichten, teils offen, teils latent, immer stärker ausbreiten und die ursprüngliche liberale und weltoffene Ausrichtung der AfD in ihr Gegenteil verkehren". Zudem beklagt er eine antiwestliche, dezidiert prorussische Orientierung, die sich in schmähender und jedes vernünftige Maß übersteigender Kritik an den USA äußere, während die russische Politik vehement verteidigt werde.
Nach Luckes Darstellung zeigte sich auf dem Parteitag in Essen, dass immer mehr Mitglieder in die Partei drängten, "die die AfD zu einer Protest- und Wutbürgerpartei umgestalten wollen". Diese Kräfte seien inzwischen in der Mehrheit. "Sie werden von den wichtigsten Verantwortungsträgern der Partei nicht etwa gebremst, sondern sogar noch aufgeputscht", kritisierte Lucke. Er bezeichnete es als einen seiner größten Fehler, das Erstarken dieser Kräfte zu spät erkannt zu haben.
150 Austritte allein in Bayern
Lucke sprach von einer Austrittswelle in vierstelliger Größenordnung. Viele Mitglieder würden einen Neuanfang fordern, schrieb er. Ob es zu einer Neugründung komme, "steht aber noch dahin". Allein in Bayern seien beim Verband rund 150 Austritte abgegeben worden, sagte der Landesvorsitzende Andre Wächter. "Dabei handelt es sich vor allem um Funktionäre und Aktive", sagte Wächter, "diese Entwicklung wird die AfD also schwächen." Viele hätten ihre Austrittserklärung bei ihm abgegeben, sie müssten noch weitergeleitet werden. Die AfD hatte vor dem Essener Parteitag rund 21 000 Mitglieder.
Die neue Vorsitzende Frauke Petry bemühte sich unterdessen um Schadensbegrenzung. In einer Mail an die Mitglieder missbilligte Petry im Namen des neuen Bundesvorstands alle "unangemessenen und respektlosen Formen der Missfallenskundgebung", die es auf dem Parteitag gegeben habe. "Es war wie im Fußballstadion, wo sich Fanclubs zweier Mannschaften gegenseitig hochjohlen, um der eigenen Mannschaft zu helfen", schrieb sie in der Mail.
Der Bundesvorstand sehe es als seine Aufgabe an, "der Partei wieder als Vorbild für Stil und Anstand zu dienen". Auf dem Parteitag hatte sie nichts gegen die massiven verbalen Angriffe auf Lucke durch ihre Anhänger unternommen. Petry erklärt in ihrem Schreiben, dass es keinen Kurswechsel der AfD geben werde. In der Parteispitze sorgt man sich dem Vernehmen nach mit Blick auf kommende Wahlen im Südwesten, dass dort die Parteistrukturen zusammenbrechen könnten.