Arbeitsbedingungen junger Wissenschaftler:Hire-and-fire an der Universität

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Sie dürfen ein bisschen Professor spielen - nur bezahlt werden sie sehr viel schlechter: Nachwuchswissenschaftler leben oft jahrelang in prekären Anstellungsverhältnissen. (Foto: dpa)
  • Die Arbeitsbedingungen vieler junger Wissenschaftler in Deutschland sind einer Umfrage zufolge prekär.
  • Viele sind demnach jahrelang in befristeten und häufig schlecht bezahlten Stellen.
  • Das hat negative Folgen für Forschung und Lehre. 80 Prozent der Befragten glauben, dass die ungünstigen Beschäftigungsverhältnisse wissenschaftliches Fehlverhalten begünstigen.
  • Jetzt will sich auch die Politik um bessere Perspektiven für Nachwuchswissenschaftler bemühen.

Von Roland Preuß und Karin Janker

Der Druck ist groß geworden und in vielen Fällen ist er zerstörerisch. Wer als Wissenschaftler einen Vertrag auf Zeit hat, der muss die Zeit nutzen. Das heißt: erfolgreich forschen. Es müssen Ergebnisse da sein, ehe die zwei oder drei Jahre um sind, die einem Professor oder Institut gewährt haben. Und die Ergebnisse müssen neu sein, bemerkenswert, nicht nur ein Protokoll der Ratlosigkeit.

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Was macht dieser Druck mit jungen Wissenschaftlern? Er lässt sie immer wieder zu Tricksern werden, zu Fälschern. So lautet zumindest das Ergebnis einer Studie, die an diesem Donnerstag veröffentlicht wird.

Die Autoren, von denen einige selbst auf befristeten Stellen arbeiten, haben fast 1700 Nachwuchswissenschaftler zu ihren Arbeitsbedingungen befragt - und reichlich Kritik gesammelt. Tausende befristete und oft kümmerlich bezahlte Stellen machen den Beruf Wissenschaftler an Hochschulen und Forschungsinstituten unattraktiv, ausbeuterisch - und verführen zum Betrug.

Die Wahrheit bleibt auf der Strecke

Denn was tun einige Forscher, wenn sie nicht die passenden Ergebnisse finden? Sie machen sie passend: Gut 80 Prozent der Befragten gaben an, dass die unsichere Lage "wissenschaftliches Fehlverhalten" begünstige, gut 40 Prozent von ihnen hatten solches Fehlverhalten wegen Zeitverträgen schon selbst erlebt. Das heißt, sie unterdrücken oder fälschen unerwünschte Ergebnisse. Eigentlich sind sie der Wahrheitssuche verpflichtet.

Doch das Leben in Unsicherheit wirkt viel weiter, hinein in das Privatleben: Fast zwei Drittel der Nachwuchswissenschaftler sagen, sie hätten bereits jetzt Kinder, wenn sie einen festen Job hätten, fast 90 Prozent der Wissenschaftlerinnen sehen darin eine "systematische Benachteiligung der Frauen". Fast zwei Drittel der Befragten würden der Tochter eines Freundes eher abraten, Wissenschaftlerin zu werden. Forscher ist kein Traumberuf mehr.

"Die beste Frauenförderung wären mehr feste Stellen", sagt Sebastian Raupach, einer der Autoren der Studie "Exzellenz braucht Existenz". Raupach hat eine Petition für bessere Arbeitsbedingungen initiiert, binnen weniger Monate unterstützten sie 25 000 Wissenschaftler im Netz. 84 Prozent der 160 000 wissenschaftlichen Mitarbeiter an Deutschlands Hochschulen haben Zeitverträge, die Lage bei den gut 50 000 Mitarbeitern an Forschungsinstituten wie Fraunhofer ist kaum besser. Sie unterstützen Professoren, managen Organisationskram und forschen. In vielen Fällen arbeiten sie zu Recht auf Zeit, etwa, weil die Doktorarbeit nach drei Jahren geschrieben oder das Forschungsprojekt nach zwei Jahren beendet ist. Doch die Befristung ist auch in anderen Bereichen zur Regel geworden, etwa bei Dozenten.

Raupach arbeitete selbst acht Jahre auf Zeitverträgen, er will etwas bewegen mit der Studie. Doch die Ergebnisse entsprechen den Berichten vieler Wissenschaftler - und weiteren Studien. Gerade erschien eine Untersuchung des Instituts für Hochschulforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Ergebnis: Von den Lehrbeauftragten an Universitäten, die zum Beispiel Proseminare anbieten, wird nur jeder zweite bezahlt.

Das Team um Projektleiter Roland Bloch verglich an acht Hochschulen die Vorlesungsverzeichnisse mit den Namen, die in der Gehaltsliste der Uni auftauchen. Ein Drittel der Lehrenden ist der Verwaltung demnach offenbar gar nicht bekannt - und wird somit nicht von der Uni bezahlt. "Aus Sicht der Hochschule ist es gar nicht gewünscht, alle Lehrenden zu kennen, da man sonst womöglich mehr Studierende aufnehmen müsste", sagt Bloch. So verlangt es das Kapazitätsrecht, das jedem Lehrenden eine bestimmte Anzahl an Studierenden zuweist. Und das in Zeiten, in denen die Universitäten ohnehin unter einer Rekordzahl von nunmehr 2,7 Millionen Studierenden ächzen.

"Der Lehrbetrieb würde zusammenbrechen ohne die wissenschaftlichen Mitarbeiter - und diese sind fast immer befristet beschäftigt." Hochschulen gehen nach dem Prinzip von Firmen vor, die Zeitarbeiter statt feste Mitarbeiter anheuern - die Studie bezeichnet diese Hochschullehrer entsprechend als "Hire-and-fire-Lehrende", die an vielen Unis bis zu einem Drittel der Lehre abdecken.

Die ständige Fluktuation der befristet tätigen Nachwuchswissenschaftler und Lehrbeauftragten gefährdet aber nicht zuletzt die Qualität der Lehre: Die Studierenden werden nicht kontinuierlich betreut, ihre Ansprechpartner wechseln laufend.

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Die Lehre gehört der Studie zufolge dennoch fest zum beruflichen Selbstverständnis junger Wissenschaftler. Lehraufträge sind trotz allem begehrt. Doch wie lange noch?

"Die prekären Arbeitsverhältnisse treiben die besten Köpfe aus der Wissenschaft", sagt Simone Raatz (SPD). Die Vizevorsitzende des Bildungsausschusses im Bundestag möchte dem Trend zum wissenschaftlichen Prekariat neue Regeln entgegenstellen. Nach einem Eckpunktepapier ihrer Fraktion soll es Mindestzeiten für Arbeitsverträge geben und mehr feste Stellen. Gerade Doktoranden müssten Sicherheit erhalten, um nicht nach einem Jahr Arbeit vor dem Nichts zu stehen, sagt Raatz. Sie will nicht alle Zeitverträge in feste Stellen umwandeln, das fordern nicht einmal die Wissenschaftler selbst.

"Es geht uns um eine sinnvolle Personalauswahl durch Bewertungen und Gespräche", sagt Raupach. Eine breite Mehrheit der Wissenschaftler fordert laut seiner Studie, Hochschulen und Instituten eine Obergrenze für befristete Stellen vorzuschreiben.

Ob es so kommt, wird sich bald klären: Kommende Woche sprechen SPD und Union darüber, im Januar sollen gemeinsame Eckpunkte stehen. Einfach wird es nicht werden. Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) schrieb kürzlich, der wissenschaftliche Nachwuchs brauche zwar bessere Perspektiven. "Zu pauschale Einschränkungen" bei Zeitverträgen richteten aber mehr Schaden an als sie nutzten.

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