Unseriöse Fachzeitschriften:Simpsons machen den Guttenberg

Characters Lisa, Bart, Homer, Marge and Maggie stand by a cake at the 20th anniversary party for the television series 'The Simpsons' in Santa Monica

Seit 25 Jahren gibt es die Simpsons - doch den Schulabschluss haben weder Lisa noch Bart bis heute geschafft. Geschweige denn Maggie (ganz rechts auf dem Arm von Mutter Marge).

(Foto: REUTERS)

Veröffentlichungen in Fachzeitschriften sind für Nachwuchswissenschaftler eine wichtige Währung. Das nutzen unseriöse Verlage aus. Statt Qualitätskontrolle gibt es Aufsätze von Simpsons-Charakteren und Nachwuchs-Diktatoren.

Von Johanna Bruckner

Wer in der Wissenschaft zu Titel, Posten oder Geldern kommen will, kann es auf die altmodische Weise versuchen: lehren, forschen, veröffentlichen. Er kann den Guttenberg'schen Weg wählen und sich das geistige Eigentum anderer zu eigen machen - oder gleich andere für sich schreiben lassen, mit ein bisschen Risikobereitschaft. Der Wissenschaftler Alex Smolyanitsky hat jetzt gezeigt, dass es einen weiteren Weg gibt, mit minimalem Einsatz in vermeintlichen Fachzeitschriften veröffentlicht zu werden.

Smolyanitsky, der als Forschungsingenieur für das National Institute of Standards and Technology (Nist) der US-Regierung arbeitet, reichte unter falschen Namen einen Nonsens-Aufsatz bei zwei angeblichen Wissenschaftsjournalen ein - und hatte Erfolg. Mit seiner Aktion will der Post-Doktorand auf die steigende Zahl betrügerischer Open-Access-Publikationen aufmerksam machen, die von Wissenschaftlern Geld für die Veröffentlichung ihrer Arbeiten verlangen. Eine sogenannte "Peer Review", wie sie bei namhaften wissenschaftlichen Fachzeitschriften üblich ist, findet nicht statt. Dabei werden die eingereichten Arbeiten von unabhängigen Gutachtern aus demselben Fachgebiet gegengeprüft.

Nicht so bei den von Smolyanitsky getesteten Publikationen: Sowohl das Journal of Computational Intelligence and Eletronic Systems als auch das Aperito Journal of NanoScience Technology akzeptierten seine Arbeit mit dem Titel "'Fuzzy', Homogeneous Configurations". Übersetzt etwa: "Unscharfe, homogene Konfigurationen". Selbst wer keine Ahnung von der Materie hat, hätte bei dieser Überschrift hellhörig werden können - spätestens aber bei den Autorennamen stutzig werden müssen.

Gratulation zum Nonsens-Werk

Verfasst wurde das Werk nämlich von Margaret Simpson, Kim Jong Fun und Edna Krabappel von der Belford University. Zwei der Charaktere stammen aus Matt Groenings Cartoon-Kosmos Die Simpsons: Maggie ist die jüngste Tochter von Protagonist und Tölpel Homer, Edna Krabappel eine kettenrauchende Grundschullehrerin. Auf die Spitze treibt es Smolyanitsky mit dem dritten Autor: Kim Jong Fun erinnert natürlich an den nordkoreanischen Nachwuchsdiktator fast gleichen Namens. Und die Belford University? War eine Briefkastenfirma, die unter anderem Zertifikate für "Lebenserfahrung" verkaufte; der Betreiber wurde einst zu einer Schadensersatzzahlung in Millionenhöhe verurteilt.

Dennoch gratulierte eine der beiden Zeitschriften den Verfassern zu ihrer gelungenen Arbeit: "Nach Überprüfungen und Reviews freuen wir uns, Ihnen mitteilen zu können, dass ihr Paper offiziell für eine Veröffentlichung im Journal of Computational Intelligence and Eletronic Systems akzeptiert wurde", zitiert das Online-Magazin Vox aus dem Glückwunschschreiben. Dass nicht eine einzige Person das Werk von Simpson et al. angeschaut haben kann, zeigt ein Blick in die Arbeit - die nämlich hatte Smolyanitsky mithilfe der Software SCIgen zusammengebastelt.

Die kostenlose Software erstellt nach der Eingabe von einem oder mehreren Autorennamen einen Text, der von der Aufmachung her einem wissenschaftlichen Aufsatz ähnelt, inhaltlich aber vollkommen sinnlos ist. So heißt es im Abstract zur Simpson-Arbeit (das so auch im Aperito Journal of NanoScience Technology veröffentlich wurde):

The Ethernet must work. In this paper, we confirm the improvement of e-commerce. WEKAU, our new methodology for forward-error correction, is the solution to all of these challenges.

"Ich wollte in erster Linie mit etwas aufwarten, das sofort als Fälschung zu erkennen ist", erklärte Smolyanitsky. Er ist nicht der erste, der betrügerische Publikationen entlarvt, die mit der Aussicht auf Veröffentlichung in einer vermeintlichen Fachzeitschrift locken.

Nur wer veröffentlicht, kommt weiter

So gelang es dem Australier Peter Vamplew Anfang des Jahres, einen Aufsatz mit dem Titel "Get Me Off Your Fucking Mail List" im International Journal of Advanced Computer Technology zu veröffentlichen. Zwei Wissenschaftler hatten das zehnseitige Humorstück, inklusive illustrierender Grafiken, bereits 2005 entworfen, um eine Standardantwort auf unerwünschte Konferenzeinladungen zu haben. Und nach den Recherchen eines französischen Wissenschaftlers musste unter anderem der deutsche Springer-Verlag Dutzende veröffentlichte Papers zurückziehen - weil diese ebenfalls via Textgenerator entstanden waren.

Veröffentlichungen in Fachzeitschriften sind immer noch eine wichtige Währung, um in der Wissenschaft Karriere zu machen. Dabei spielen auch internationale Publikationen eine Rolle; in den Naturwissenschaften etwa ist Englisch de facto Fachsprache. Auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) schaut bei der Vergabe von Forschungsgeldern auf die Publikationsliste. "Das ist immer noch ein wichtiges Entscheidungskriterium", räumt Sprecher Marco Finetti ein. Allerdings sehe man die ausufernde Publikationspraktik durchaus kritisch. "Wir haben deshalb die Anzahl der Publikationen, die beim Antrag angegeben werden können, auf zehn begrenzt." Außerdem würden die eingereichten Referenzarbeiten sorgfältig geprüft.

Eine "schwarze Liste" unseriöser Publikationen führt die DFG allerdings nicht. Für den englischsprachigen Raum hat Jeffrey Beall, Bibliothekar an der University of Colorado Denver, eine Übersicht mit bis heute mehr als 250 "potential, possible, or probable predatory scholarly open-access publishers" erstellt.

Alex Smolyanitsky, der für die Veröffentlichung seiner Studie knapp 460 Dollar bezahlen soll, wünscht sich inzwischen, noch dreister vorgegangen zu sein. "Ich bedauere nur, dass der zweite Autor nicht Ralph Wiggum ist." Damit wäre auch der liebenswürdige Spinner aus Springfield zum Akademiker aufgestiegen.

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