Wohnungsnot:In Bayerns Ballungsgebieten fehlen günstige Mietwohnungen

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In den vergangenen Jahren sind zwar mehr Wohnungen in Bayern gebaut worden, doch es reicht nach wie vor nicht. (Foto: Florian Peljak)
  • In Bayern herrscht Wohnungsnot, vor allem Mietwohnungen sind rar.
  • Zuletzt wurde zwar mehr gebaut, aber in vielen Regionen hinkt das Angebot der Nachfrage weiter hinterher.
  • Menschen, die in München arbeiten, suchen bis ins Alpenvorland nach einer Wohnung. Doch auch dort ist die Situation nicht besser.

Von Maximilian Gerl, Bad Wiessee/München

In Bad Wiessee, sagt der Zweite Bürgermeister Robert Huber (SPD), sei der Druck "nahezu unerträglich" geworden. Die Menschen zögen auf ihrer Suche nach günstigen Wohnungen bis zu ihnen ins Alpenvorland raus, aber da sei es halt auch nicht gerade billig. Immerhin hat die Wohnbaugesellschaft von Bad Wiessee inzwischen ihr erstes großes Bauprojekt abgeschlossen: ein Mehrgenerationenhaus mit mehreren Wohnungen. "Im Geschosswohnungsbau", sagt Huber, sei das in Bad Wiessee wahrscheinlich das erste Projekt seit 35 Jahren gewesen.

In Bayern herrscht Wohnungsnot. Zuletzt wurde zwar mehr gebaut, aber in vielen Regionen hinkt das Angebot der Nachfrage weiter hinterher. Besonders rar scheinen günstige Mietwohnungen zu sein: nicht nur, aber auch weil lange wenig in den kommunalen Wohnungsbau investiert wurde. Viele Gemeinden wollen nun mehr und selber bauen. Doch scheinen die Herausforderungen die Fähigkeiten zu übersteigen.

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In Bad Wiessee drängt die Wohnungsnot besonders. Die Gemeinde sieht sich mit den Auswirkungen des Boomraums Münchens konfrontiert. Die positiven Effekte, das sind niedrige Arbeitslosenquoten und viele Jobs. Die schlechten, das sind hohe Mieten und Menschen, die deshalb Jobs ablehnen müssen. "Wir bräuchten in der Verwaltung hoch qualifizierte Leute", sagt Huber. Doch wenn die Gemeinde eine Stelle zu vergeben habe, fragten Bewerber: "Habt ihr eine Wohnung für mich?" Bei einem Nein sei der Kandidat gleich wieder weg. Und mehr zahlen ginge ja nicht im öffentlichen Dienst mit seinen vorgeschriebenen Tarifen. "Wer vollkommen durchs Raster fällt", sagt Huber, "sind unsere Leistungsträger."

Nach wie vor gilt vielen Menschen das Wohnen in den eigenen vier Wänden als ein Lebensziel. Doch nicht alle können es sich leisten, trotz regelmäßigen Einkommens. Reinigungskräfte und Freiberufler sind genauso betroffen wie Handwerker und Polizisten. Auch Berufseinsteiger suchen sich lieber eine Mietwohnung - sofern sie eine finden. Immer wieder berichten Firmen, dass ein potenzieller Mitarbeiter abgesagt habe, weil er keine bezahlbare Wohnung in der Gegend gefunden habe.

Viele Gemeinden würden gern mit mehr Mietwohnungen gegensteuern. Wie groß die Not indes genau ist, lässt sich schwer quantifizieren. Der Verband der Wohnungswirtschaft Bayern spricht von einem flächendeckenden Problem, das auf Veranstaltungen immer wieder Thema sei. Besonders betroffen sind demnach Ballungsgebiete. So bekommt auch Rottendorf die Strahlkraft der Nachbarstadt Würzburg ab. Bürgermeister Roland Schmitt (CSU) bemüht sich derzeit darum, ein Neubaugebiet mit 200 Plätzen auszuweisen, "für unsere Ortsgröße ist das sehr viel". Einfach ist es nicht. Um eine eigene Baugesellschaft zu gründen, sei die Gemeinde zu klein, sagt Schmitt.

Die Fachkräfte fehlen

Die Bauwirtschaft arbeite wegen des Fachkräftemangels am Limit: Wenn man als öffentliche Hand ein Projekt ausschreibe, melde sich manchmal kein einziger Unternehmer. Baugrund sei schwierig zu bekommen und dann schwierig zu bebauen, etwa wegen Umwelt- oder Brandschutzauflagen. "Ich sage nicht, dass die keinen Sinn haben", sagt Schmitt, aber die Komplexität an Vorschriften führe zu zeitlichen Verzögerungen - die wiederum die Kosten nach oben treiben. Ähnliche Klagen über die Bürokratie sind auch von privaten Bauunternehmen zu hören.

Vor allem der Zuzug wurde lange unterschätzt. Der Bayerische Städtetag schreibt in einem Positionspapier, dass Kommunen belastbare Zahlen benötigten: Selbst die aktuellen Bevölkerungsprognosen beziehen sich demnach nur auf einen Zeitraum bis 2035. "Die Zeichen waren da, aber man wollte sie nicht erkennen", sagt hingegen Zweiter Bürgermeister Huber. "Die Kommunen haben sich da ein Stück weit rausgehalten." Bürgermeister Schmitt verweist darauf, dass viele Menschen eben einigermaßen zentral wohnen wollten und gut angebunden. Mancherorts haben mehrere Gemeinden deshalb interkommunale Baugesellschaften gegründet, um über Grenzen hinweg Wohnraum zu schaffen. Das kann helfen. Die Einheimischen müssen sich aber schon auch einig sein. So sprachen sich die Dinkelsbühler 2018 per Bürgerentscheid gegen ein Sozialwohnungsprojekt aus. Eine Bürgerinitiative hatte beklagt, der geplante Betonklotz passe nicht ins Ortsbild.

Zumindest Geld wäre da. Der Freistaat fördert und wirbt. Trotzdem scheint das von der Staatsregierung anvisierte Ziel von 70 000 neuen Wohneinheiten pro Jahr in weiter Ferne zu liegen. Bauminister Hans Reichhart (CSU) ließ am Montag wissen, das Erreichte sei nicht genug. "Deshalb dürfen wir Investoren, die Wohnungen bauen wollen, nicht abschrecken." Gerade für den Mietwohnungsbau "müssen wir den Bauherren verlässliche Rahmenbedingungen bieten". Diskussionen wie in Berlin um einen Mietendeckel seien ein fatales Zeichen.

In Rottendorf würde sich Schmitt freuen, wäre Bauen einfacher und Grund leichter zu bekommen. Der Quadratmeter kostet dort um die 300 Euro. In Bad Wiessee werden 1000 Euro und mehr fällig. "Für Kommunen und den sozialen Wohnungsbau nahezu unerschwinglich", sagt Huber. Auch deshalb brauche es die private Wohnungswirtschaft. Die leide nur genauso unter den hohen Preisen. Daher müsse man darüber nachdenken, ob Bodenspekulation bis zu einem gewissen Grad einzuschränken sei. Huber weiß, ein kontroverser Vorschlag, aber was hilft es in der Not: "Wohnen ist etwas Elementares."

© SZ vom 21.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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