Weihenstephan:Bier ist gesund - jedenfalls ein bisschen

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Bier ist gesund - allerdings nur in kleinen Mengen. Oder alkoholfrei. (Foto: dpa)

Die vielen natürlichen Inhaltsstoffe im Bier können - in Maßen genossen - Krankheiten vorbeugen, sagen Wissenschaftler. Wäre da nur nicht der Alkohol.

Von Christian Sebald

Professor Werner Back hat ein Credo. "Bier ist ein sehr reines und bekömmliches Getränk", sagt er. "Und vernünftig genossen, ist Bier sogar gesund." Back, Jahrgang 1942, muss es wissen. Der gelernte Brauer und Mälzer hatte 17 Jahre lang den Lehrstuhl für Technologie für Brauerei I an der Technischen Universität in München-Weihenstephan inne. In der Zeit hat Back nicht nur zig Brauerei-Studenten ausgebildet. Sondern auch Hunderte Fachartikel und Standardwerke wie "Ausgewählte Kapitel der Brauereitechnologie" verfasst.

Wirklich berühmt geworden ist der "Bierpapst", wie Back auch genannt wird, aber für sein legendäres Seminar "Bier und Gesundheit". 500 Brauer, Forscher und Führungskräfte aus aller Welt reisten seinerzeit nach Weihenstephan an, um Backs Thesen über die Gesundheitskraft des Bieres zu hören. Zusammengefasst lauten sie so: Dank seiner vielen wertvollen und höchst natürlichen Inhaltsstoffe schützt Bier vor allen möglichen Krankheiten. "Vorausgesetzt, man trinkt es in Maßen und nicht in Massen", wie Back betont.

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Nun mal halblang, werden jetzt sofort Suchtexperten und Mediziner einwenden. So auch Michaela Goecke, die Chefin der Suchtprävention an der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Für sie ist Bier zuallererst ein alkoholisches Getränk. Und Alkohol hat zwei große Gefahren. "Er ist erstens ein Zellgift", sagt Goecke, "ein jeder Alkoholkonsum greift die Zellen des menschlichen Körpers an." Alkohol ist aber auch eine "psychoaktive Substanz", eine Droge also. "Mit Alkoholgenuss geht immer die Suchtgefahr einher", sagt Goecke, "die Gefahr, dass man immer mehr davon trinken möchte."

Die Suchtgefahr des Alkohols

Alkoholgenuss ohne Risiko, das gibt es für Goecke nicht. Höchstens "risikoarmen Konsum". Der hat sehr enge Grenzen. "Frauen sollten nicht mehr als zwölf Gramm Alkohol am Tag zu sich nehmen", sagt Goecke, "Männer maximal 24 Gramm." Nimmt man ein Standard-Bier mit fünf Prozent Alkohol, sind das für Frauen höchstens 0,3 Liter am Tag und für Männer 0,6 Liter. "Außerdem sollten mindestens zwei Tage pro Woche alkoholfrei sein", sagt Goecke, "damit man sich gar nicht erst an den Alkohol gewöhnt."

Die Altvorderen sahen das ganz anders. Von der Heiligen und Mystikerin Hildegard von Bingen (1098-1179) ist der Spruch überliefert: "Das Bier aber macht das Fleisch des Menschen fett und gibt seinem Antlitz eine schöne Farbe durch die Kraft und den guten Saft des Getreides." Und für den Arzt und Alchemisten Philippus Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim (1493-1541), der unter dem Namen Paracelsus berühmt geworden ist, war Bier sogar eine "wahrhaft göttliche Medizin", die Linderung brachte bei Halsbeschwerden, Ohrenschmerzen, Magenleiden und allerlei anderen Gebrechen.

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"Daran ist zumindest so viel richtig, dass Bier lange Zeit Ausgangsstoff vieler Arzneizubereitungen war", sagt der studierte Brauer Martin Zarnkow. Er lehrt ebenfalls an der TU München und hat mit Franz Meußdoerffer das lehrreiche Büchlein "Das Bier - eine Geschichte von Hopfen und Malz" verfasst. "Die Ärzte schätzten Jahrhunderte lang die entspannende und sedierende Wirkung, die das Bier auf ihre Patienten hatte."

Aber nicht nur das. "Bier war schon immer ein keimfreies und deshalb sauberes Getränk", sagt Zarnkow. "Anders als das Wasser, das die Leute aus den Brunnen schöpften." Vom Mittelalter an galt Bier als das einzige Getränk, bei dem ein jeder gewiss sein konnte, dass er davon nicht krank wird. Der Grund: Der Alkohol, die Kohlensäure und sein vergleichsweise niedriger pH-Wert sorgen dafür, dass es frei von Keimen ist. Außerdem war Bier lange Zeit das einzige wirklich haltbare Getränk.

Deshalb nahmen Seefahrer für ihre wochenlangen Fahrten über die Ozeane lieber Bier statt Wasser an Bord, sagt Zarnkow. "Wasser verdarb einfach viel zu schnell." Bier ist auch sehr nahrhaft. "Bis weit ins 17. Jahrhundert war es Bestandteil der täglichen Ernährung", sagt Zarnkow. Und zwar ein sehr geschmackvoller - "zumindest im Vergleich zu den einfachen Breis, Suppen und sonstigen Alltagsgerichten, die damals auf den Speisezetteln standen", wie Zarnkow sagt. "Die Rede von Bier als dem flüssigem Brot erinnert noch an diese Zeit."

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Und heute? Bier hat ungefähr 8000 Inhaltsstoffe, darunter sind mehr als 400 Duftstoffe. Den größten Anteil am Bier hat freilich Wasser mit ungefähr 92 Prozent. "Die üblichen Biere liegen bei etwa fünf Prozent Alkohol, damit gehören sie zu den moderat alkoholhaltigen Getränken ", sagt Werner Back. "Im Wein sind zwischen sieben und 15 Prozent Alkohol." Dafür sind im Bier praktisch alle B-Vitamine enthalten. "Die sind sehr wichtig für das Wachstum der Zellen, die Nerven, die Haut und die Haare", sagt Back.

Auch Mineralstoffe wie Kalzium, Phosphor und Magnesium finden sich reichlich im Bier. Sie sind wichtig für harte Zähne. Das Kalium im Bier ist ein Regulativ für den Blutdruck, so wie das Silizium die Regeneration der Knochen fördern und sogar Osteoporose vorbeugen soll. "Und dann ist da noch der Hopfen mit seinen wertvollen Polyphenolen", sagt Back. "Diese aromatischen Stoffe wirken antioxidativ, entzündungshemmend und bekämpfen die gefährlichen freien Radikale."

Natürlich gibt es auch Studien zu diesen und anderen Effekten. So haben etliche Untersuchungen ergeben, dass ein moderater Bierkonsum das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken kann. Allerdings liegt das offenbar weniger am Bier. Sondern am Alkohol im Bier. Schließlich wird auch dem Rotwein diese Wirkung zugeschrieben. Außerdem wird von Bierliebhabern gerne eine Studie aus dem Jahr 2007 aus Spanien zitiert, an der 57 Männer und Frauen teilnahmen. Die Männer tranken dabei 30 Tage lang täglich 0,66 Liter Bier, die Frauen 0,33 Liter. Das Ergebnis: Die Teilnehmer hatten nach diesem Zeitraum ein aktiveres Immunsystem als zuvor - bei den Frauen war der Effekt sogar ausgeprägter als bei den Männern.

Alkoholfreies Bier hat dieselben guten Inhaltsstoffe

Alles in bester Ordnung also, möchte man fast meinen. Wäre da nicht der Alkohol, wie auch Professor Back nachdenklich einräumt. Aber das mit dem Alkohol muss ja längst nicht mehr sein. Anders als noch vor 15 oder 20 Jahren gibt es nahezu überall alkoholfreies Bier, in Getränkemärkten und Wirtschaften genauso wie auf der Wiesn und anderen großen Volksfesten. "Das Beste ist: Das alkoholfreie Bier enthält die gleichen positiven Inhaltsstoffe und erzielt damit die gleichen Effekte wie das normale Bier", sagt Werner Back, "nur eben ohne Alkohol."

Wenig verwunderlich also, dass auch der Bierpapst inzwischen sehr gerne alkoholfreies Bier trinkt. Welche Marke er bevorzugt? Das will Back nicht sagen. Nur so viel: "Es gibt ganz hervorragende Alkoholfreie, etliche sind sogar isotonisch und damit ideale Getränke für Sportler."

© SZ vom 22.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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