Kreative Ferienwohnung:Hoffnung im Stadl

Lesezeit: 3 min

Industriedesign, Kunstbücher, Textilskulpturen: In der Oberpfalz hat ein Galeristen-Paar einen alten Pfarrhof saniert und zu einem Treffpunkt für Kunstbegeisterte gemacht.

Von Evelyn Pschak

Früher lagerten im Stadl Müllereimer und Feuerholz, auch ein Auto war dort abgestellt. (Foto: Erich Spahn)

Nach Waldkirchen in der Oberpfalz gerät man nicht aus Zufall. Entweder ist man recht katholisch und weiß, dass sich genau hier im Dreieck zwischen Regensburg, Nürnberg und Ingolstadt diese höchstgelegene Pfarrei des Bistums Eichstätt befindet. Oder man hat erfahren, dass sich in dem Ort, in dem sich 26 Einwohner auf sieben Häuser verteilen, ein außergewöhnlicher Hort für zeitgenössische Kunst befindet. Im ehemaligen Pfarrhaus wohnen und arbeiten nämlich Stephanie Vögerl und Michael Zink. Er betreibt im angrenzenden Stadl eine Galerie, sie kümmert sich um die beiden Ferienwohnungen.

Das Galeristen-Paar zog 2013 in das Pfarrhaus, und weil beide sich für zeitgenössische Kunst begeistern, luden sie rasch zu Ausstellungen ein. "Wir haben gleich gemerkt, dass die Leute hier gerne länger bleiben", sagt Vögerl. So kam 2016 eine Ferienwohnung im Pfarrhaus dazu, im April 2019 wurde im angrenzenden Stadl ein Galeriebau eröffnet - samt Künstleratelier sowie der zweiten Ferienwohnung. "Wir haben hier einen Ort erschaffen, der eher in der Stadt vermutet wird", so die gebürtige Oberpfälzerin. Bis in die 1950er-Jahre war der alte Pfarrhof noch bewirtschaftet, erzählt Michael Zink. Kuhstall, Backofen, Knechtekammer, Schweinestall, alles gab es hier. Nun ist der Stadl nur noch Hülle, darunter wartet ein Betonbau auf die Kunst- und Ferienbesucher.

Jetzt beherbergt das sanierte Gebäude eine Galerie samt Künstleratelier. Der Spanier Matías Sánchez hat hier ein großformatiges Werk zurückgelassen, Esperenzados heißt es: hoffnungsvoll. (Foto: Erich Spahn)

Der umgebaute Stadl steht unter Ensembleschutz, das architektonische Zusammenspiel mit dem Pfarrhaus musste erhalten bleiben. Früher brachte das Galeristenpaar in dem unbeheizten Gebäude Mülleimer, Feuerholz und das Auto unter. Den Umbau übernahmen befreundete Schweizer Architekten des Ateliers Dimanche. "Es ist ein Haus im Haus", erklärt Michael Zink das Baukonzept. Von außen betrachtet sieht der Stadl recht traditionell aus: unten Feldsteingebäude, darüber eine Lärchenholzverkleidung. Doch hinter der gläsernen Eingangstür verbirgt sich ein knapp zehn Meter hohes Foyer, ein offenes Treppenhaus führt zur Galerie im ersten Stock; eine der Ferienwohnungen und ein Künstleratelier beherbergt das zweite Stockwerk. Durch bodenbündige Dachgauben sieht man auf Windräder am Horizont, noch weiter im Norden liegen Neumarkt in der Oberpfalz und Nürnberg.

Das Apartment bietet aber nicht nur lichte Weite, sondern auch einen Crashkurs in Kunst und Design. Man wohnt hier etwa im Licht einer verknoteten LED-Seillampe des Industriedesigners Christian Haas, nimmt sich eines der vielen Kunstbücher aus einem Regal, das Dieter Rams entworfen hat, oder sitzt im grün schillernden Acrylglasdrehstuhl des Italieners Jacopo Foggini am Esstisch. Durch ein Innenfenster blickt man hinunter zur Galerie mit den raumgreifenden Textilskulpturen von Klaas Rommelaere. Im Atelierapartment selbst hängen dicht an dicht Ölbilder des Spaniers Matías Sánchez, auf denen knubbelnasige Mäuse Totenköpfe in ihren Pfoten tragen oder schielende Oktopusse zu sehen sind. Sánchez war im März für einen Malaufenthalt in Waldkirchen, aber dann kam Corona, und der Künstler musste nach nur einer Woche mit Frau und Kleinkind von heute auf morgen die Sachen packen. Zurück blieb ein großformatiges Werk, Esperenzados heißt es: hoffnungsvoll.

Das Galeriewesen habe sich in den letzten Jahren sehr verändert, sagt Zink, ein gebürtiger Niederbayer, der seine Arbeit in Regensburg begann und in New York nicht sesshaft wurde. Es sei inzwischen ein immenser Aufwand, in der Stadt eine ordentliche Galerie zu betreiben. In Waldkirchen sei das anders. Hier bleibe Zeit für intensive Begegnungen, betont Stephanie Vögerl. "Üblicherweise beginnt eine Vernissage um 19 Uhr. Man trinkt ein Glas Wein und ist dann schon wieder weg. Bei uns geht es bereits am frühen Nachmittag los. Man verbringt wirklich Zeit mit dem Künstler und geht vielleicht sogar gemeinsam spazieren." Auch dem Feriengast wird dieser leichtfüßige Zugang zur Kunst zuteil. Sei es bei einem Rundgang durch die Galerieräume oder im Gespräch mit den Hausherren bei einem Stückchen Melone aus dem Gewächshaus des Pfarrgartens oder beim Himbeergeist aus der eigenen Destillerie.

In dem Ensemble werden Ferienwohnungen vermietet. (Foto: Erich Spahn)

Kunst begegnet einem auf Schritt und Tritt im Haus - und drum herum. Wo gerade Zinks Kühe weiden, am alten Sportplatz, schlängelt sich ein Spazierweg, alte Birnen- und Klaräpfelbäume stehen Spalier. "Das sind Kornäpfel", sagt der 51-Jährige und bückt sich, um seinem roten Höhenvieh ein wenig Fallobst aufzusammeln und unters Maul zu halten. Der Künstler Michael Sailstorfer hat ihnen aus Steinsalz geformte, überlebensgroße Ohrenskulpturen ans Beweidungsgehölz befestigt. Auf der Galeriewebseite zeigt Zink die mit Wildkamera aufgenommene Fotografie einer Kuh beim nächtlichen Ohrmuschellecken. Eine weitere Skulptur Sailstorfers findet sich inmitten von Schafgarbe und Mohn unterhalb der kleinen Wallfahrtskirche. Es ist der bei Ebay erstandene Tank eines Düsenjets, zu einem raketenförmigen, zweckfreien Ofen umgebaut. "Wenn man den einschürt, raucht es, als würde gleich der Countdown beginnen", erläutert Michael Zink. Und man merkt ihm an, dass Irritation, Humor und ein wenig Anarchie für ihn zu den guten Eigenschaften eines Kunstwerks zählen.

Auf dem Baugerüst, das den Kirchturm umkränzt, wird sacht geklopft, Restaurationsarbeiten stehen an. Von dort oben sehe man weit, bis hinein in die Alpen, versichert Michael Zink. Hochklettern sollte man dennoch nicht. Ist aber auch gar nicht nötig: den Perspektivwechsel gewährt in Waldkirchen schon der stete Blick auf die Kunst.

Petersberg Apartments, Mindestaufenthalt 2 Nächte, in den Sommermonaten (Juni-August) 5 Nächte. Übernachtung ab 100 Euro , petersbergapartments.de. Die Galerie Zink in Waldkirchen ist während der Ausstellungen sonntags von 14.30 bis 18 Uhr geöffnet, ansonsten nach Absprache. Waldkirchen 2, 92358 Seubersdorf in der Oberpfalz, zink-waldkirchen.de

© SZ vom 20.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: