SZ: Als ehemaliger Bundesfinanzminister sind Sie eigenartig still, wenn es um Kritik am derzeitigen Amtsinhaber Peer Steinbrück von der SPD geht.
Waigel: Ich habe Steinbrück nicht kritisiert, außer bei seiner martialischen Wortwahl gegenüber der Schweiz, Österreich und Luxemburg. Ich weiß, dass das Amt nicht vergnügungssteuerpflichtig ist. Ich wünsche ihm Fairness, so wie ich mir mehr Fairness gewünscht hätte, als ich nach der deutschen Einheit als Pleiteminister beschimpft worden bin. Er hat es nicht leicht.
SZ: Sie haben sich immer für Europa eingesetzt. Edmund Stoiber haben Sie sogar mit dem Rücktritt als Finanzminister gedroht, wenn er den Euro blockiert. Auch jetzt, in der Diskussion über den Lissabon-Vertrag, zeigt sich die CSU wieder sehr Europa-skeptisch - ist das der richtige Weg?
Waigel: Stoiber hat sich ja dann besonnen und dem Euro zugestimmt. Ich wünsche mir, dass die CSU nicht hinter die Politik Stoibers zurückfällt. Es muss in Sachen Lissabon-Vertrag nun eine vernünftige Einigung zwischen der CSU und den anderen Parteien geben.
SZ: Noch vor der Wahl, so wie es die Kanzlerin will?
Waigel: Noch vor der Wahl.
SZ: Das sieht Horst Seehofer aber ganz anders.
Waigel: Jeder, der schon einmal in Brüssel am Verhandlungstisch gesessen hat, weiß, dass man dort ein Quantum Freiheit benötigt, um Kompromisse zu schließen. Man kann nicht nach jeder Verhandlungsrunde beim zuständigen Ausschuss des Bundestags nachfragen, ob die einverstanden sind. Das macht einen zur "lame duck", damit schwächen wir uns selbst. Das kann die CSU nicht wollen.
SZ: Offensichtlich hat Seehofer Sie nicht vorher um Rat gefragt, bevor er sich in Sachen Europa festlegte. Für was braucht er eigentlich einen Ehrenvorsitzenden?
Waigel: Da müssen Sie Horst Seehofer fragen. Ich habe mich nicht um das Amt beworben, die CSU hat es mir angetragen.
SZ: Was hat die CSU von einem Ehrenvorsitzenden Waigel zu erwarten?
Waigel: Klare Worte, ich werde mich nicht mehr ändern. Und wenn ich eine Meinung habe, dann sage ich sie auch.
SZ: Hat sich die CSU sehr verändert?
Waigel: Veränderung gehört dazu, aber die Grundlinien müssen bleiben. Dafür will ich eintreten. Die CSU muss eine bayerische Partei bleiben, aber sie muss eine Europa-freundliche Partei sein und nicht die Fortsetzung der Bayernpartei auf europäischer Ebene. Damit würde sie sich klein machen. Und das würde ihr nicht gerecht.
SZ: Sie werden demnächst mit Ihrem alten Widersacher Stoiber Seit' an Seit' den Ehrenvorsitz einnehmen. Eine schöne Vorstellung?
Waigel: Wir sind kein Tandem. Wir sind eigenständige Persönlichkeiten. Als er Ehrenvorsitzender wurde, habe ich für ihn gestimmt. Er hat's verdient.
SZ: Es gibt Menschen, die lieben ihr Land. Welche, die lieben ihre Partei. Und solche wie Bundespräsident Gustav Heinemann, die ihre Frau lieben. Wie halten Sie's? Ist die CSU Ihre alte Liebe?
Waigel: Ich halte es mit Heinemann: Ich liebe meine Frau. Mit der CSU fühle ich mich identisch und verbunden. Und ich verdanke ihr viele gute, echte Freundschaften.