Versuchter Mord:Ehemaliger US-Soldat muss lebenslang ins Gefängnis

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  • Der junge Mann hatte eine Frau nachts in ihrer Wohnung überfallen, Dutzende Male mit einem Fleischermesser zugestochen und wollte sie vergewaltigen.
  • Der Richter akzeptierte keine Gründe, die das Urteil hätten mildern können.
  • Nun will der frühere Soldat das Urteil anfechten.

Von Andreas Glas, Weiden

Um 11.30 Uhr betritt der Vorsitzende Richter Walter Leupold den Saal. Der Staatsanwalt, der Verteidiger, die Zuschauer und der Angeklagte erheben sich. Urteil: lebenslänglich, bitte setzen. Dann begründet Leupold das Urteil und während er spricht, wird er immer lauter und lauter, er ahmt die Messerstiche mit einer Handbewegung nach, der Kopf des Angeklagten sinkt immer tiefer und tiefer und irgendwann liegt seine Stirn auf dem Tisch.

Man kann nur raten, was in diesem Moment in ihm vorgeht. In einem Mann, der 26 Mal mit einem Fleischermesser zugestochen hat, der danach versucht hat, sein schwer verletztes Opfer zu vergewaltigen.

"Jeder Hilfeschrei führt dazu, dass er noch öfter auf sie einsticht"

Sein Opfer hat überlebt, ganz knapp nur. Die junge Frau mit Kurzhaarschnitt sitzt links von ihrem Peiniger, auf der Nebenklägerbank im Sitzungssaal des Landgerichts Weiden. Was sie erlebt hat, schildert der Staatsanwalt am Mittwochvormittag in seinem Plädoyer, es ist grausam: Im Mai des vergangenen Jahres, mitten in der Nacht, brach der 29-jährige Täter in eine Metzgerei im oberpfälzischen Pressath (Landkreis Neustadt an der Waldnaab) ein, der Mann versuchte die Kasse aufzubrechen, aber schaffte es nicht. Er nahm sich ein Schlachtermesser, ging in den ersten Stock, wo die junge Frau wohnt. Sie war noch wach und schaute fern. Er brach die Wohnungstür auf, die Frau bemerkte ihn, doch statt zu flüchten, stach der Mann sofort zu.

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Er hat sich als Fotograf ausgegeben und seine Opfer dann in obszönen Posen abgelichtet und zum Teil sexuell missbraucht. Der Staatsanwalt spricht von "entwürdigenden" Taten.

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"Da liegt eine Frau am Boden, schreit um Hilfe, und jeder Hilfeschrei führt dazu, dass er noch öfter auf sie einsticht", sagt Richter Leupold bei seiner Urteilsbegründung. Irgendwann schrie die Frau nicht mehr nach Hilfe, sie war zu schwach, um zu schreien, hatte viel Blut verloren. Dann versuchte der Mann, sein Opfer zu vergewaltigen. Er gab das im Polizeiverhör zu, auch im Untersuchungsgefängnis erzählte er davon. Auf die Frage eines Mithäftlings, warum er die schwer verletzte Frau auch noch missbrauchen wollte, soll der US-Amerikaner geantwortet haben: "Why not?" - warum nicht?

Doch die Vergewaltigung scheiterte. An ihm selbst und an der jungen Frau, die sich mit letzter Kraft wehrte. Aus Wut darüber versuchte der Mann, ihr die Kehle durchzuschneiden, die Frau hielt ihre Hand schützend vor den Hals, er trennte ihr fast den Daumen ab. Danach ließ er von ihr ab, flüchtete aus der Wohnung, nahm ihren Hausschlüssel und ihr Handy mit. "Damit sie ihre letzten Lebensgeister nicht noch nutzen kann, um Hilfe zu holen", sagt der Richter. Er ist überzeugt davon, dass der Mann wollte, dass sein Opfer stirbt: "Ihm war natürlich bewusst, dass sie nicht mehr lange leben würde - oder schon tot ist."

Dass die junge Frau überlebt hat, sei vor allem den Nachbarn zu verdanken, "die ihr Wimmern gehört haben, als sie ins Freie gerobbt ist". Die Nachbarn schildern später, dass die Frau mit Blut überströmt, dass sie "mehr tot als lebendig" gewesen sei. Sie holten den Notarzt, die Frau kam in ein Krankenhaus. Eine halbe Stunde später, sagen die Ärzte, und sie wäre tot gewesen.

Während die Frau um ihr Leben kämpfte, fuhr der Täter auf seinem Motorrad nach Hause. Das Handy seines Opfers und den Hausschlüssel warf er vorher in einen Gully, versehentlich warf er auch seinen eigenen Schlüssel hinein. Einer von mehreren Fehlern, der ihn später als Täter entlarven sollte. Zu Hause klingelte er seine Frau aus dem Bett, ging unter die Dusche, mit einem Bleichmittel wusch er die Blutflecken aus seinen Klamotten.

Der Täter war klar im Kopf

Für den Richter ein Indiz, dass der Mann klar im Kopf war - und nicht betrunken, wie er selbst behauptete. Auch die Tatsache, dass der Soldat wegen seiner früheren Kriegseinsätze im Irak und Afghanistan traumatisiert sei, lässt das Gericht nicht schuldmindernd gelten.

Dass der 29-Jährige am Ende wegen versuchten Mordes verurteilt wird - und nicht wegen schwerer Körperverletzung oder versuchten Totschlags - habe auch damit zu tun, dass er gewusst habe, dass das Opfer zu Hause war. Von der Straße aus habe er das Licht in der Wohnung sehen, durch die Wohnungstür habe er den Fernseher hören müssen, sagt Richter Leupold, der von Vorsatz ausgeht. "Und wenn er mit einem Schlachtermesser auf einen Menschen einsticht, immer wieder, immer wieder, welchen Vorsatz soll er denn gehabt haben? Natürlich wollte er sie töten."

Kurz vor dem Urteil richtet der Angeklagte noch ein Wort an sein Opfer. "Ich hatte Panik, ich hatte Adrenalin, ich habe die Kontrolle über mich verloren", sagt er, und dass er jeden Tag für die junge Frau bete: "Ich hoffe, Sie verzeihen mir." Die Frau, auf der Bank daneben, hört zu. Erst regungslos, dann schüttelt sie kurz den Kopf. Der Verteidiger des Täters hat inzwischen Revision angekündigt.

© SZ vom 21.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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