Prozess in Aschaffenburg:Fast neun Jahre Haft für sexuellen Missbrauch von bewusstlosen Frauen

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Der Angeklagte (l) spricht im Landgericht Aschaffenburg mit seinem Anwalt Michael Stich. (Foto: dpa)
  • Der Anklageschrift zufolge soll der Mann sich zwischen 2009 und 2013 im Internet jungen Frauen gegenüber als Fotograf ausgegeben und ihnen Geld für Shootings versprochen und teilweise auch gezahlt haben.
  • Während der Treffen habe er die Frauen bis zur Bewusstlosigkeit betrunken gemacht und anschließend - ohne Geschlechtsverkehr - sexuell missbraucht.
  • Wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in sieben Fällen wurde er vom Landgericht Aschaffenburg zu einer Gesamtstrafe von acht Jahren und acht Monaten Haft verurteilt.

Aus dem Gericht von Olaf Przybilla, Aschaffenburg

Missbrauch bei fingierten Fotoshootings

Der Angeklagte ist immer auf dieselbe Weise vorgegangen. Er kontaktierte Frauen über Facebook oder andere soziale Netzwerke, gab sich als Fotograf aus und erklärte, er wolle Aufnahmen für eine Kampagne gegen Alkohol machen. Diese sollte "Don't drink" heißen, die Frauen müssten dafür Alkohol zu sich nehmen.

Bei dem fingierten "Fotoshooting" missbrauchte der 52-Jährige die bewusstlosen Frauen dann aber, die Kampagne gab es gar nicht. Wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in sieben Fällen wurde er am Dienstag vom Landgericht Aschaffenburg zu einer Gesamtstrafe von acht Jahren und acht Monaten Haft verurteilt.

Staatsanwalt spricht von "entwürdigenden" Taten

Bereits an den ersten beiden Verhandlungstagen hatte der Angeklagte seine Taten eingeräumt. Am Dienstag beteuerte er, sein Handeln tue im aufrichtig leid. "Ich schäme mich zutiefst, und ich hasse mich dafür", sagte der Angeklagte. Von 2009 an hatte er Frauen missbraucht und seine Taten dabei mit Kameras aufgenommen.

Der Staatsanwalt sprach von "entwürdigenden", zum Teil "kaum begreifbaren Taten". So hatte der Angeklagte beim Missbrauch der Frauen unter anderem eine Weinbrandflasche verwendet, in einem anderen Fall eine Wunderkerze. Diese bundesweite Missbrauchsserie suche ihresgleichen, sagte der Staatsanwalt. Zumal Missbrauch von bewusstlosen Menschen oft schwer nachzuweisen sei. In diesem Fall aber konnte sich die Anklage auf die Videos stützen, die der vermeintliche Berufsfotograf von den Frauen gemacht hatte.

Polizei stößt auf bundesweit sieben Fälle

Eine Frau aus dem unterfränkischen Miltenberg war 2013 zur Polizei gegangen, nachdem sie nach dem Treffen mit ihrer Facebook-Bekanntschaft ein komisches Gefühl gehabt hatte. Sie hatte gemerkt, dass ihre Bluse falsch geknöpft war. Auch hatte der Mann das versprochene Geld nicht ausgezahlt. Die Kriminalpolizei ermittelte daraufhin sieben Fälle in der ganzen Republik.

Es sei wahrscheinlich, dass der Angeklagte neben dem Alkohol andere Mittel benutzt habe, um die Frauen bewusstlos zu machen, sagte der Staatsanwalt. Die Bilder der widerstandsunfähigen Opfer legten dies nahe, zu beweisen seien solche K.o.-Tropfen aber nicht. Der Staatsanwalt forderte neun Jahre Haft für den Angeklagten.

Solche Taten könnten nur "in einem kranken Hirn" entstehen

Der Angeklagte bestritt, K. o.-Tropfen benutzt zu haben. Sein Anwalt wies zudem auf das "nicht unerhebliche Mitverschulden" der Opfer hin. So hätten sie sich unter anderem darauf eingelassen, für zum Teil mehrtägige Fotoshootings gemeinsame Hotelzimmer zu nehmen. "Ohne den Opfern zu nahe treten zu wollen", sagte der Anwalt, "das ist nicht nachvollziehbar". Auch halte er eine psychische Erkrankung seines Mandanten für wahrscheinlich. Solche Taten könnten nur "in einem kranken Hirn" entstehen. Ein Gutachter hatte den Angeklagten dagegen für voll schuldfähig erklärt. Der Vorsitzende Richter erklärte in der Urteilsbegründung, das Gericht habe sich schwer damit getan, sich in die beteiligten Personen "hineinzuversetzen". Und zwar sowohl in den Angeklagten als auch in dessen Opfer. Man habe sich schon gefragt, wie Frauen aufgrund so einer Geschichte mit dem Mann ein Hotelzimmer teilen konnten. Trotzdem sei eine hohe Haftstrafe gerechtfertigt. Offenbar habe der Angeklagte vor allem solche Frauen angesprochen, die er für "anfällig" für einen solchen Vertrauensmissbrauch gehalten habe.

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