Umweltminister Markus Söder:Der Mann mit den zwei Zungen

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Markus Söder steht für Umweltschutz - aber nur als Minister. Während er von der "Bewahrung der Schöpfung" spricht, will er hektarweise Wald abholzen lassen.

Olaf Przybilla

Wenn Christian Vogel, Parteichef der Nürnberger SPD, über seinen Kollegen aus der CSU sprechen soll, dann hat er ein Problem. Geht es um Markus Söder, den CSU-Chef von Nürnberg? Oder um Söder, den selbsternannten bayerischen Lebensminister? Für Vogel scheinen das zwei gänzlich unterschiedliche Figuren zu sein.

Obwohl 20 Hektar Bannwald dafür abgeholzt werden müssen, findet Umweltminister Markus Söder den Bau des Tunnels unter dem Nürnberger Flughafen "unabdingbar". (Foto: Foto: dpa)

Der eine, der Öko-Söder, sagt Sätze wie: "Ökologie darf nicht an letzter Stelle stehen. Sie darf nicht das fünfte Rad am Wagen sein." Der andere, der lokale Parteichef Söder, beschimpft Nürnbergs SPD als Truppe von "Ideologen", weil sie das Abholzen von 30.000 Bäumen zugunsten eines Prestigeprojekts überdenken will. Er habe den Verdacht, sagt Vogel, es gebe Söder "in zwei Ausgaben".

Söder ist in der vergangenen Woche zweimal vor die Presse getreten, zweimal zum Thema Nordanbindung des Nürnberger Flughafens. Beim zweiten Mal trug er Joppe und Wanderschuhe - und hätte man nicht den Grund der Einladung geahnt, dann wäre ein Grundsatzvortrag des Umweltministers zum Thema "Die Bewahrung der Schöpfung und die CSU" zu erwarten gewesen. In solchen Fachreferaten spricht Söder gerne darüber, dass das "Lebensumfeld durch die Umweltqualität definiert" werde. Söder sagt auch, dass diese Qualität für die Menschen heute viel wichtiger sei "als ideologische Konflikte". Und er betont den Satz: "Fast jeder, der Kinder hat, denkt heute ökologisch."

Derzeit aber geht es Söder nicht ums Grundsätzliche, sondern ganz konkret ums Projekt, das unter dem Stichwort "Beckstein-Tunnel" bekannt ist. Der Tunnel unter dem Rollfeld soll den Flughafen mit der Autobahn verbinden. 20 Hektar Bannwald sollen vernichtet werden, und Biotope zerstört. Wie sich die Absenkung des Grundwasserspiegels auswirkt, ist kaum kalkulierbar.

Beton im Biotop

Genauso schwer sind die Kosten des Projekts zu beziffern. 60 Millionen Euro sind mindestens veranschlagt. Beim Bau von Tunnels aber sind Kostenexplosionen eher die Regel als die Ausnahme. Das sei gar kein gutes Argument, erwidert die Nürnberger CSU: Das Geld für den Prestigebau zahle immerhin der Bund und nicht die Stadt.

"Unverantwortlich", nennt Nürnbergs SPD-Chef Vogel solche Sätze. Zumal die Verkehrsentwicklung am Flughafen nicht abzusehen sei. Die Passagierzahlen am Nürnberger Drehkreuz stagnieren. Selbst glühende Verfechter des Tunnels können sich nicht entsinnen, wann sie das letzte Mal einen Stau in der Nähe des Airports gesehen haben. Und die wirtschaftliche Entwicklung von Air Berlin, der wichtigsten Fluglinie in Nürnberg, gilt als völlig offen. Im schlimmsten Fall hätte Nürnberg einen großen Tunnel unter dem Rollfeld und den ganz kleinen Flugverkehr darüber.

Fragt man Söder, wie der von ihm geforderte Betonbau im Biotop mit seiner Rolle als ökologischem Gewissen der CSU vereinbar ist, dann sagt er: "Solche Projekte sind immer eine Sache der Abwägung." Für die wirtschaftliche Entwicklung Nürnbergs sei der Bau unabdingbar. Auch seien "Überflughilfen für die Vögel" vereinbart und "Ausgleichsmaßnahmen" für die Bäume.

Nürnbergs Stadtrat hat trotzdem beschlossen, die Pläne für den vom Bund finanzierten Bau auf Eis zu legen. In der Debatte sah sich der Umweltminister heftigen Anwürfen ausgesetzt. Nachdem Söder in der CSU gegen den Ausbau der Donau in Niederbayern votiert hatte, sei man guter Hoffnung gewesen, dass ökologische Überlegungen für Söder nun auch in Nürnberg eine gewisse Rolle spielen könnten. Der Satz "Wem der Herr ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand" treffe aber offenbar nicht immer zu, schimpfte SPD-Fraktionschef Gebhard Schönfelder.

© SZ vom 09.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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