TV-Duell Seehofer gegen Ude:Endlich Wahlkampf

Wahlplakate zur Landtagswahl in Bayern

Trotz aller Großplakate: Der Landtagswahlkampf dümpelt dahin. Ändern das Duell Horst Seehofer gegen Christian Ude daran etwas?

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Ein Horst Seehofer hat Wahlkampf nicht nötig. Diese CSU-Taktik ist bislang glänzend aufgegangen. Doch beim TV-Duell kann der Ministerpräsident seinen SPD-Herausforderer Christian Ude nicht mehr ignorieren. Mit welcher Strategie gehen die beiden in das Duell der Lächler? Was muss Seehofer unbedingt vermeiden? Und welche Auswirkung hat diese Begegnung? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Sebastian Gierke und Oliver Das Gupta

Knapp zwei Wochen noch bis zur Landtagswahl in Bayern. Doch der Wahlkampf plätschert fast ereignislos vor sich hin, es fehlen Reizpunkte. Das Münchner TV-Duell könnte hier Abhilfe schaffen. Für viele Menschen in Bayern wird der Wahlkampf damit erst richtig beginnen. Vor allem Herausforderer Christian Ude setzt große Hoffnungen in die Begegnung. Es sind die vielen Unentschlossenen, die er so auf seine Seite ziehen will. Doch Ude braucht einen gewaltigen Schub.

Wie ist die Ausgangslage?

Komfortabel, so sieht die Situation von Horst Seehofer und seiner CSU aus - trotz all der Probleme und Affären, die in den vergangenen Monaten die Partei und die Öffentlichkeit beschäftigten: Der Ministerpräsident liegt vorn. Eine aktuelle Umfrage sieht die CSU stabil bei 47 Prozent, die SPD käme auf nur 18 Prozent. Könnten die Bayern ihren Ministerpräsidenten direkt wählen, läge Seehofer ebenfalls deutlich vorne. 57 Prozent der Wähler würden sich für ihn entscheiden, für Ude nur 34 Prozent. Seehofer gibt sich deshalb nach außen gelassen, doch immer wieder wird deutlich, dass auch der Ministerpräsident, der sich zum ersten Mal in Bayern zur Wahl stellt, nervös ist. Zum Beispiel im Umgang mit Journalisten. Seehofer weiß: 2008 lag die CSU in den Umfragen ähnlich weit vorne - das Ergebnis war dennoch desaströs.

Mit welcher Taktik werden die Kontrahenten agieren?

Wahlkampf war bisher nicht. Und damit ist vor allem Horst Seehofers Taktik aufgegangen. Er will - ähnlich wie Angela Merkel - keinesfalls den Eindruck erwecken, er müsse kämpfen. Viel lieber gibt er den Landesvater, der "seinen" Freistaat bei jeder Gelegenheit belobhudelt. "Die Vorstufe zum Paradies" ist eine der Formeln, die bei kaum einer Seehofer-Rede in den vergangenen Monaten fehlte. Der Ministerpräsident wird auch beim TV-Duell versuchen, den Eindruck zu vermitteln, er habe alles im Griff, als gelte die Gleichung "CSU = Bayern" immer noch.

Allerdings kommt ihm beim TV-Duell ein Detail relativ ungelegen. Er hat einen Gegner. Bislang hat er den geflissentlich ignoriert. Ude ist keiner, der mit mir, dem Ministerpräsidenten, auf Augenhöhe ist, so Seehofers Botschaft. Auf dem Gillamoos-Volksfest zum Beispeil hat Seehofer in seiner Rede Ude oder die SPD mit keinem Wort erwähnt.

Beim TV-Duell wird das nicht funktionieren. Seehofer ist zwar ein paar Zentimeter größer, dennoch: Hier wird auf Augenhöhe diskutiert. Und das ist die Chance für Ude, Seehofer endlich zu packen. Das zumindest muss sein Ziel sein. Endlich auch Seehofer in den Wahlkampf zu verwickeln. Den Ministerpräsidenten auf den Boden holen, mit ihm um Inhalte, und damit um Stimmungen und Stimmen zu ringen. Es ist Udes letzte Chance.

Welche Themen werden das Duell bestimmen?

Horst Seehofer, der sich akribisch auf das Duell vorbereitet hat, führt einen Themenvermeidungswahlkampf. Atomausstieg, Breitbandversorgung, Mieten, Studiengebühren, Donauausbau. All diese Themen haben er und die CSU abgeräumt. Seehofer setzt auf die grundsätzliche Zufriedenheit der Bayern - und versucht jeden Konflikt im Keim zu ersticken. Keine Themen, keine Diskussionen, keine Probleme, keine Wechselstimmung. So der Plan. Allerdings mit zwei Ausnahmen: Mit seiner Kritik am Länderfinanzausgleich und der Forderung nach einer Pkw-Maut setzt Seehofer ganz auf zwei Themen, mit denen sich besonders gut die Sonderrolle Bayerns in Deutschland betonen lässt.

Ude reagiert darauf bislang hilflos. Er habe den Ehrgeiz, der erste bayerische Ministerpräsident zu sein, der "bereits bei Amtsantritt eine stattliche Leistungsbilanz vorlegen kann", scherzt er fast ein wenig resigniert.

Für Ude wird es beim TV-Duell darauf ankommen, die vorhandenen Unterschiede zur CSU herauszuarbeiten. Nur zu betonen, dass die SPD das was Seehofer will, schon viel früher gewollt hat, wird nicht reichen. Ude wird versuchen, Mindestlohn und Bildungsdefizite, Pflegenotstand und Steuerhinterziehung, Bankenzockerei und Staatsfinanzen in den Mittelpunkt der Diskussion zu rücken. Auch das Landesbank-Desaster wird möglicherweise eine Rolle spielen, die Probleme beim Wohnungsbau oder das umstrittene Betreuungsgeld, das die Christsozialen gegen alle Widerstände in Berlin durchgesetzt haben.

Ähnliches hat Horst Seehofer auch mit seinem Lieblings-Wahlkampfthema vor: der Pkw-Maut. Er machte sie zur Bedingung einer weiteren CSU-Beteiligung an der künftigen Bundesregierung. Doch seit sich Merkel im Kanzlerduell deutlich gegen die Maut positioniert hat, ist man jedenfalls in der Bayern-SPD überzeugt, dass das Thema für die CSU noch zum Bumerang werden wird. Das Basta der Kanzlerin bringt Seehofer jedenfalls in eine unangenehme Situation. Er darf nicht nachgeben. Sonst stünde er als Umfaller da. Aber schließlich haben ein paar Sticheleien gegen Berlin der CSU noch nie geschadet.

Was sind die größten Gefahren für die Diskutanten?

Witze auf Kosten anderer - die macht Seehofer gerne, eine Spezialität von ihm. Beim TV-Duell kann das aber auch zum Problem werden. Eine Frotzelei über den politischen Gegner an der falschen Stelle wirkt schnell arrogant. Vor allem aber darf Seehofer nicht zu sehr auf Bayern-Lobhudelei setzten. In einem auf Konfrontation ausgelegten Format wie dem TV-Duell kann das sture und stolze Verteidigen des Status quo schnell rückwärtsgewandt wirken.

Schwieriger ist allerdings die Position des Herausforderers. Ude hat eine Gratwanderung vor sich, denn er darf nicht überziehen, muss seine Anliegen klar und pointiert darstellen. Agiert er zu angriffslustig, wird er sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, immer nur alles schlechtzureden, unfair zu sein, nichts zu können, außer zu schimpfen. Das mögen die Menschen nicht, auch nicht in Bayern. Außerdem läuft Ude Gefahr, über die Angriffe auf den politischen Gegner die eigene politische Vision für Bayern zu vernachlässigen. Was Seehofer ist und will, davon haben die meisten in Bayern eine Idee, Ude muss es vielen Wählern erst noch klarmachen.

Wie wirken die Kontrahenten im TV?

Ganz im Gegensatz zum Mundwinkelnachunten-Duell vom Sonntag zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück wird das Duell zwischen Horst Seehofer und Christian Ude eines der Lächler. Freundlich wirken, sympathisch, das können beide ziemlich gut.

Seehofers Lächeln macht aus ihm außerdem einen für viele fast liebenswürdigen Schelm. Genau mit diesem Ziel setzt er es auch immer wieder ein. Und er nutzt seine Körpergröße zusammen mit der leicht gebeugten Haltung und den eingefallenen Schultern, um milde auf die Menschen herabzusehen, den Eindruck zu vermitteln: Bei mir seid ihr gut aufgehoben. Das wirkt auch im TV.

Ude, der Stadtfürst aus München, der Feingeist, hat vor allem das Problem, die Menschen im ländlichen Raum von sich zu überzeugen. Sein Humor, den er unbestritten besitzt, blitzt im Wahlkampf an den Rednerpulten zu selten auf. Er spricht dann unendlich langsam, oft noch etwas abgehackter als ohnehin schon, betont jede Silbe, als wäre es die wichtigste aller existierenden Silben. Eine Sprache "wie aus der Frühzeit der Navigationsgeräte" hat das die Frankfurter Allgemeine Zeitung genannt. Und beim TV-Duell kommt es ja auch auf die Zeit an.

Beeinflusst das TV-Duell Merkel/Steinbrück das TV-Duell Seehofer/Ude?

Allerdings: Der verbale Schlagabtausch der Kanzlerkandidaten hat der Union das Streitthema Pkw-Maut beschert, das Ude genüsslich auskosten dürfte. Außerdem kann Frontmann Ude nun optimistischer sein - und Seehofer nervöser. Die positive Resonanz auf den Duell-Auftritt des bisher eher unpopulären SPD-Kandidaten Steinbrück hat einmal mehr gezeigt, wie wirkmächtig solch ein medialer Schlagabtausch sein kann.

Welche Wirkung kann das TV-Duell haben?

Fernsehdebatten von Spitzenkandidaten können wahlentscheidend sein. Das gilt in den USA genauso wie auf Bundesebene und in Bayern. Kein anderes Kampagnenformat erreicht so viele Wahlberechtigte. Vor allem die unentschlossenen und politisch eher weniger interessierten Bürger sowie die noch nicht mobilisierten Anhänger können durch ein TV-Duell beeinflusst werden. Untersuchungen zeigen, dass bis zu fünf Prozent der Wähler sich nach einer Sendung entscheiden, für wen sie stimmen werden. Gerade wenn die Prognosen einen knappen Wahlausgang vorhersagen, kann ein TV-Duell zum wichtigen Wendepunkt werden. Manchen Kandidaten, die in Umfragen weit zurücklagen, gelang es durch ein Fernsehduell, Schwung in die eigene Kampagne zu bringen. So konnten SPD-Kanzler Gerhard Schröder 2005 und auch der aktuelle Spitzenkandidat Peer Steinbrück punkten. Auf einen ähnlichen Effekt dürfte Ude hoffen, schließlich liegen auch er und die Bayern-SPD in der Popularität meilenweit hinter Ministerpräsident Seehofer und der CSU. Beide Spitzenkandidaten wissen: Ihr TV-Duell kann am Ende ein paar Prozentpunkte bewegen, die über die Macht entscheiden.

Welchen Einfluss hat der Moderator?

Dass ein TV-Duell der Ministerpräsidentenkandidaten nur von einem Journalisten moderiert wird, ist auch in anderen Bundesländern der Fall. Es kann sicherlich belastend sein, auf sich allein gestellt zwei Spitzenpolitiker in Schach zu halten, die sich beide profilieren wollen. Auf der anderen Seite ermöglicht diese Konstellation auch eine Moderation aus einem Guss. Siegmund Gottlieb, der Chefredakteur des Bayerischen Fernsehens, führt durch das TV-Duell Seehofer gegen Ude. Er dürfte sich alle Mühe geben, neutral zu agieren, schließlich wird ihm eine gewisse Nähe zur Dauerregierungspartei CSU nachgesagt. Der erfahrene Fernsehmann weiß, dass gerade die Opposition peinlich genau auf seine Moderation achten wird.

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