Der Luxus, stets sauberes Wasser direkt aus dem Hahn trinken zu können, dringt meist erst nach Fernreisen wieder einmal ins Bewusstsein. Oder nach einem so massiven Unwetter wie im Raum Rosenheim, als Regenfluten am Sonntag vor einer Woche Keime ins Trinkwasser spülten. Egal ob für die Zubereitung von Baby-Nahrung oder fürs Zähneputzen, etwa 75.000 Menschen in der Region sollen seither ihr Wasser vor solch alltäglichen Nutzungen fünf Minuten kochen lassen, empfiehlt das Gesundheitsamt Rosenheim.
Wann das sogenannte Abkochgebot aufgehoben werden kann, ist unklar. Möglich sei das schon Ende der Woche, es könne aber auch noch länger dauern, bis man Keime im Trinkwasser hundertprozentig ausschließen könne, sagt Oliver Horner, Chef des Rosenheimer Ordnungsamtes.
Wer auf das Abkochen verzichtet, setze sich der Gefahr einer Magen-Darm-Erkrankung aus, sagt Irmgard Wölfl, die Leiterin des Gesundheitsamts. Im schlimmsten Fall könne man auch Ehec-Erreger nicht ausschließen. Sie warne jedoch ausdrücklich davor, in Angst oder Panik zu verfallen. Die Rosenheimer gingen im Großen und Ganzen "Gott sei Dank sehr unaufgeregt" mit dem Problem um, auch wenn das Informationsbedürfnis anfangs sehr hoch gewesen sei. "Unsere Telefone standen an den ersten Tagen nicht mehr still."
Die Verunreinigung des Wassers geht nicht auf eine Panne im Versorgungssystem zurück, sondern auf ein Unwetter. Am Sonntag vor einer Woche kam es an einem eigentlich unscheinbaren Zubringer der Mangfall zu einem sogenannten Zweihundertjährigen Hochwasser, einer Flut also, wie sie nur alle 200 Jahre vorkommt. Diese Wassermassen alleine wären nicht das Problem gewesen, erklärt Götz Brühl, Geschäftsführer der Stadtwerke Rosenheim, die die Stadt und die Nachbar-Gemeinden Schechen, Stephanskirchen und Rohrdorf versorgen.
Doch ein oder mehrere Bauern hätten vor dem Unwetter Gülle auf den Feldern ausgebracht, was in der erweiterten Schutzzone der Trinkwasserbrunnen erlaubt ist. Im Einzugsbereich der Brunnen sei aber die Erdschicht zwischen der Grasnarbe und dem Trinkwasser nicht mächtig genug, um bei solchen Sturzfluten das Wasser vollständig zu filtern. Keime aus der Gülle gelangten in die Brunnen. Am Mittwoch nach dem Unwetter wurde die Verunreinigung festgestellt, am Donnerstag vergangener Woche erließ das Ordnungsamt das Abkochgebot.
Gleichzeitig ordnete die Behörde an, dass die Stadtwerke eventuell noch vorhandene Keime im Trinkwasser mit Chlor abtöten müssen. Die Chemikalie ist bereits eingebracht, doch muss sie sich erst gleichmäßig im Leitungssystem verteilen, bevor das Gesundheitsamt Entwarnung geben kann.
Die Stadtwerke als Versorger beschäftigen sich bereits mit der Frage, wie man solch eine Verunreinigung künftig vermeiden kann. Man wollte die Schutzzone in der Form verändern und ausweiten, sagt Leiter Götz Brühl. Entsprechende Pläne, die wegen Veränderungen in der Versorgung schon vorhanden seien, würden dem Landratsamt vorgelegt. Darin werde auch die Zone deutlich erweitert, in der Landwirte keine Gülle ausbringen dürfen.
Ein vorsorgliches Chloren, wie es die Münchner Stadtwerke nach Unwettern im Alpenraum pflegen, sei in Rosenheim bisher kein Thema, sagte ein Sprecher der Stadt. "Niemand kann sich in den vergangenen 50 Jahren an einen ähnlichen Vorfall erinnern."