Streit in Schwaben:Christlich-soziale Selbstzerfleischung

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Verteilt heftige Kritik am Parteikollegen: Ex-CSU-Fraktionschef Georg Schmid. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Der ehemalige CSU-Fraktionschef Georg Schmid sägt wegen eines Finanzlochs in seinem Heimatkreis heftig am Stuhl des Landrats. Als Retourkutsche für fehlende Unterstützung in der Verwandtenaffäre?

Von Stefan Mayr

Es war ja recht ruhig geworden um den ehemaligen CSU-Fraktionschef Georg Schmid seit seinem Rücktritt im April. Im Landtagsplenum ist er von der ersten Reihe in die vierte zurückgerückt, nach anfänglichem Zögern gab er auch seine Landtagskandidatur und den Vorsitz im CSU-Kreis Donau-Ries auf.

Am Mittwoch war er in Dießen am Ammersee, um seine lädierte Achillessehne ärztlich behandeln zu lassen. "Ich habe mir die schöne Klosterkirche angeschaut", berichtet der 60-Jährige von seinem neuen Leben ohne Chauffeur und Interviews. Doch jetzt steht er wieder in den Schlagzeilen. Und wie:

CSU-Landrat Stefan Rößle wirft seinem Parteikollegen und ehemaligen Förderer vor, eine "Schlacht" gegen ihn zu führen. "Intern hat er gesagt, dass er meinen Kopf will", berichtet Rößle. "Das haben mir mehrere Leute bestätigt, denen ich vertraue."

Es kann nur einen Sieger geben

Stefan Rößle ist erst 49 Jahre alt und will für die nächste Amtsperiode als Landrat wiedergewählt werden. Dennoch - oder gerade deswegen - spricht der ehemalige Polizeibeamte in ungewöhnlicher Klarheit von einem Rachefeldzug des ehemaligen Innenstaatssekretärs: "Mir kommt es so vor, dass das die letzte politische Schlacht ist, die Schmid und ich ausfechten müssen", sagt Rößle, "und wie es aussieht, kann es nur einen Sieger geben."

Nach Rößles Angaben ist der Streit eine wenig appetitliche Nachwirkung der CSU-Verwandtenaffäre, in der Georg Schmid unfreiwillig die Hauptrolle gespielt hatte. Weil er seine Ehefrau als Sekretärin beschäftigte und ihr jahrelang bis zu 5500 Euro pro Monat aus der Staatskasse bezahlen ließ, musste er zurücktreten.

Kindergarten-Diskussion und organisierter Widerstand

Die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelt wegen des Verdachts auf Scheinselbständigkeit. "Ich habe damals gesagt, dass der CSU-Kreis einen Neuanfang braucht und dass Schmid im Wahlkampf nicht auftreten soll", berichtet Rößle. Dies nehme ihm Schmid bis heute übel, deshalb organisiere er "seit Wochen" erheblichen Widerstand gegen ihn. "Was da passiert, ist abgestimmt und gut organisiert", berichtet Rößle.

Georg Schmid weist die Vorwürfe demonstrativ gelassen von sich: "Es geht hier nicht um eine Kindergarten-Diskussion. Ich führe keine Schlacht, sondern mache mir Sorgen um das Gesundheitswesen und die Altenpflege in meinem Landkreis." Er spricht sogar von "juristischen Schritten" gegen Rößle: "Es kann doch nicht jeder jeden Tag irgendwas behaupten, was ich erzählt haben soll." Dass er Rößles Rücktritt betreibe, sei "einfach Unsinn".

Äußerer Anlass des Zoffs ist eine Affäre um das sogenannte "gemeinsame Kommunalunternehmen" (gKU), das die Krankenhäuser und Altenheime des Landkreises Donau-Ries betreibt. Dieses gKU hat 2012 einen Verlust von sechs Millionen Euro angehäuft. Dies musste Landrat Rößle in der vergangenen Woche verkünden, obwohl der Vorstand bis zuletzt stets beteuert hatte, der Verlust betrage nur 1,2 Millionen.

Was das Ganze noch schlimmer macht: Die Zahlen wurden nur durch den Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband bekannt. Ohne den BKPV wären die wahren Zahlen bis heute im Verborgenen geblieben. Landrat Rößle zeigte sich "erschüttert" und reagierte als Vorsitzender des gKU-Verwaltungsrats recht flott: Ein Vorstand ist bereits zurückgetreten, sein Nachfolger steht schon fest. "Es ist schon sehr verwunderlich, dass die größte Kritik aus der eigenen Partei kommt", sagt Rößle. "Besonders schade finde ich, dass innerparteiliche Querelen auf dem Rücken der 1500 Mitarbeiter ausgetragen werden."

Belegschaft, Patienten und Wähler schütteln angesichts der christlich-sozialen Selbstzerfleischung den Kopf und fragen sich: Kann sich Georg Schmid mit seinem Absturz in die Bedeutungslosigkeit nicht abfinden, keilt er deshalb aus Rache um sich? Oder will Stefan Rößle nur von eigenen Fehlern ablenken, um sein politisches Überleben zu sichern?

Ende Juli weiß man mehr. Bis dahin soll der BKPV die Verantwortlichen für das Millionendesaster benennen. Dabei werde auch das Verhalten des Verwaltungsrates geprüft, betont Rößle. "Ich habe ein absolut reines Gewissen."

Unbequeme Fragen

Georg Schmid sieht das etwas anders. Er fragt: "Wie kommt es, dass der Verwaltungsratsvorsitzende von dem Millionen-Defizit nichts mitbekommt? Welche Konsequenzen ziehen die Verantwortlichen daraus?" Als Kreisrat und Landtagsabgeordneter sei es seine Pflicht, solche Fragen zu stellen. Das habe nichts mit einer Intrige gegen den Landrat zu tun.

Allerdings räumt Schmid durchaus ein, dass er über Rößles Verhalten in der Verwandtenaffäre "sehr enttäuscht" sei. Schmid hat mit dem Unternehmer und CSU-Mann Rudolf Grenzebach, 82, einen "Freundeskreis Gesundheitswesen und Altenpflege" gegründet - mit dem Ziel, die Kliniken und Altenheime zu bewahren, wie sie sagen.

Landrat Rößle erfuhr von diesem Verein aus der Presse. "Ich nehme die Sache sehr ernst", sagt er - und meint damit die Krankenhaus- und die CSU-Krise. "Aber Sorgen um meine Wiederwahl mache ich mir nicht."

Georg Schmid wollte sich zu seinen Plänen für die Zeit nach Landtags- und Kreistagsmandat - und nach dem Ermittlungsverfahren - nicht konkret äußern. Nur soviel: "Ich fühle mich geistig frisch."

© SZ vom 27.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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