Stichwahl in Erlangen:Wie ein Genosse die CSU-Hochburg erobern will

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In der Stichwahl stehen sich am 30. März Amtsinhaber Siegfried Balleis und der SPD-Kandidat Florian Janik (im Bild) gegenüber. (Foto: SPD)

Damit hat Florian Janik selbst nicht gerechnet: Der 34-jährige Sozialdemokrat tritt bei der Stichwahl in Erlangen gegen den langjährigen CSU-Oberbürgermeister Siegfried Balleis an. Und seine Chancen stehen gut.

Von Katja Auer

"Ach, Sie kenn' ich doch", sagt die Dame freundlich. Das ist schon mal gut für den Mann, der gerade bei ihr an der Tür geklingelt hat. "Florian Janik", stellt der sich vor, "Ihr neuer Oberbürgermeister für Erlangen." Das ist er noch nicht, aber er könnte es werden. Janik ist einer der Überraschungssieger der Kommunalwahl in Bayern. Der 34-jährige SPD-Kandidat zwang den seit 18 Jahren amtierenden Oberbürgermeister Siegfried Balleis von der CSU mit einem derart knappen Ergebnis in die Stichwahl, dass es am Sonntag noch einmal richtig spannend wird Bayerns kleinster Großstadt.

Der junge Sozialwissenschaftler erreichte 37,2 Prozent der Stimmen, Balleis nur zwei Prozentpunkte mehr. Ein Absturz für den 60-jährigen Rathauschef, der bei seiner dritten Kandidatur vor sechs Jahren noch mit mehr als 55 Prozent im ersten Wahlgang bestätigt worden war. Janik ist zudem noch Stimmenkönig bei der Stadtratswahl. 26 401 Wahlberechtigte kreuzten seinen Namen an - fast 2500 mehr als den des OB. Das spornt an.

"Jetzt will ich auch gewinnen", sagt Janik, der freimütig zugibt, dass er mit einem derart guten Ergebnis nicht gerechnet habe. Die Stichwahl war freilich das Ziel, aber jetzt ist der Wahlsieg tatsächlich eine realistische Option geworden. Also geht der Wahlkampf weiter. Janik radelt auf seinem Wahlkampf-Bambus-Rad durch die Stadt, das ihm ein Unternehmer zur Verfügung stellte, das SPD-Wohnmobil parkt täglich woanders und wenn er Zeit hat, macht er Hausbesuche. An diesem Tag am Zollbahnhof, einem Viertel, in dem die Grünen stark sind. Die haben bereits eine Wahlempfehlung für Janik abgegeben und selbst die FDP, die bisher mit der CSU zusammengearbeitet hat, will eine Ampel-Koalition mit SPD und Grünen im Stadtrat.

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"Wir haben unsere Wähler mobilisiert", sagt Janik. Jetzt gehe es darum, die eigenen Leute noch einmal zum Wahlgang zu bewegen und dazu noch die Anhänger jener Parteien, die keinen Kandidaten in der Stichwahl haben. "Die Wechselstimmung ist da", sagt Janik.

Eine solche Wechselstimmung war es auch, die Florian Janik in die SPD gebracht hat. 1998, als Gerhard Schröder gegen Bundeskanzler Helmut Kohl angetreten ist. "Der Aufbruch war toll", sagt er. Engagiert sei er in seiner Heimatstadt schon immer gewesen, da war die Kandidatur für den Stadtrat 2002 beinahe eine logische Konsequenz. Seit sechs Jahren ist Janik Fraktionsvorsitzender der SPD, als unerfahren lässt er sich deswegen trotz seiner jungen Jahre nicht bezeichnen. Die CSU plakatiert jetzt: "Keine Experimente mit Erlangens Zukunft." Da spotten sie nur in der SPD.

"Na, wenn Sie schon mal da sind, interessiert mich doch, wofür Sie stehen", sagt eine Frau, die Janik die Tür öffnet. In der Wohnungspolitik zum Beispiel. Wohnen ist teuer in der Uni- und Siemensstadt und das Angebot knapp. "Ich sage nicht: Wählen Sie mich, dann sinken die Mieten", sagt Janik. Aber einen Vorschlag hat er doch. Er werde sich für den Geschosswohnungsbau einsetzen, erklärt er. Größere Wohnungen, vier, fünf Zimmer, in denen Familien genauso leben könnten wie Studenten-Wohngemeinschaften. Zurzeit entstehen in Erlangen eine Menge teure Ein-Zimmer-Appartements, von denen sich mancher fragt, wer darin wohnen soll, wenn der momentane Studentenansturm nachlässt. Das Gespräch dauert ein paar Minuten, am Ende verspricht die Frau, sich das Ganze zu überlegen. Er geht weiter, klingelt, heftet Flyer an Türen. Auf den Straßen wird er erkannt, nicht nur einmal bekommt er aufmunternde Worte zu hören.

"Ich hätte gerne, dass die Leute sagen: Der ist ehrlich", sagt Janik. Er ist kein lauter Typ, beschreibt sich selber als einen, der gut zuhören könne. Aber auch mal ein deutliches Wort sprechen, wenn es notwendig sei. Worthülsen mag er nicht, so üblich sie in der Politik auch sind. "Ich versuche, sie zu vermeiden", sagt der zweifache Familienvater. Den Politikstil möchte er ändern, wenn er gewählt wird. "Das Tolle an der Kommunalpolitik ist doch, dass man alle Entscheidungen ganz konkret machen kann", sagt er. Wenn also ein Freibad saniert werden müsse, dann wolle er dorthin gehen und mit den Leuten sprechen. Der "Spirit in der Stadtgesellschaft" sei ihm wichtig, das bedeutet, dass er die Menschen mitreden lassen möchte. Und es gebe eine Menge gebildeter und interessierter Bürger in dieser Stadt voller Siemensianer, Akademiker und Studenten, die gerne mitreden wollten. Momentan gebe es daran aber wenig politisches Interesse.

Ergebnisse der Kommunalwahl
:So hat Bayern gewählt

Ein bunter Flickenteppich, schwarze und rote Kleckse und eine dunkle Fläche: Die interaktive Grafik der SZ zeigt, wer wo gewählt wurde und in welchen Gegenden die meisten Menschen zur Wahl gegangen sind.

Janik verliert kein schlechtes Wort über den amtierenden OB, im Gegenteil, die Zusammenarbeit sei recht gut gewesen. Gewinnen will er trotzdem. Seine Tochter Lotta auch. Die war einmal dabei im Rathaus, als Balleis mit der Amtskette auftrat. Dass der Papa die künftig tragen will, versteht die Vierjährige sehr gut. Weil die so schön aussieht.

© SZ vom 24.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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