Starnberger See:Wird der Motorboot-Führerschein bald Pflicht?

Lesezeit: 2 min

Mit bis zu 40 Stundenkilometern dürfen Motorbootfahrer über den vielleicht schönsten See Deutschlands fahren. Einen Führerschein brauchen sie dafür nicht. (Foto: Georgine Treybal)

Auf dem fünftgrößten See in Bayern tummeln sich immer mehr Hobbykapitäne. Der Landkreis Starnberg wendet sich hilfesuchend an den Freistaat - und hat schon eine Reihe von Ideen, um die Situation zu entschärfen.

Von Viktoria Spinrad, Starnberg

Blau glitzernd liegt der Starnberger See vor den Toren Münchens, umsäumt von Villen, Alpenkulisse und Aperol-Spritz-Zubereitungsstätten. 58 Quadratkilometer Postkartenbayern. Auch im Oktober flitzen hier, quasi zum Saisonfinale, noch Glücksuchende durchs Idyll: Schwimmer, Stand-up-Paddler, Segler, Motorbootfahrer, Touristen auf 400-Tonnen-Dampfern. Der Starnberger See ist einer für alle.

Und darin liegt auch die Crux. Auf dem fünftgrößten See Deutschlands tummeln sich immer mehr Hobbykapitäne. Ein weitverbreitetes Phänomen, das sich in der "Badewanne" der Münchnerinnen und Münchner besonders zuspitzt - zumal längst nicht alle die Regeln kennen. Da schwappen Stand-up-Paddler mit Golden Retriever an Bord ins Naturschutzgebiet, hüpfen mutprobende Teenager vom Steg vor die Dampfer, knattern Motorbootfahrer quer durch die Segelregatta. Und von denen gibt es immer mehr. Die Zahl der privaten Boote mit Verbrennungsmotor ist zwar auf 280 beschränkt, die der Elektroboote aber nicht. 1687 sind mittlerweile zugelassen.

Das führt zu einer Gemengelage, die an Spitzentagen an indische Straßenkreuzungen erinnert - und auch nicht immer glimpflich ausgeht. Im vergangenen Sommer überfuhr ein Unglücksfahrer auf einem 119 PS starken Motorboot einen Schwimmer, der sich auf dem offenen See treiben ließ. Der Mann starb. Um ihn in den Tiefen des Sees zu orten, brauchte es einen eigens herbeigerufenen Experten und drei Tage. Der Schock war groß - auch darüber, dass man auf dem Starnberger See selbst für PS-starke Motorboote keinen Bootsführerschein braucht.

Newsletter abonnieren
:SZ am Sonntag-Newsletter

Unsere besten Texte der Woche in Ihrem Postfach: Lesen Sie den 'SZ am Sonntag'-Newsletter mit den SZ-Plus-Empfehlungen der Redaktion - überraschend, unterhaltsam, tiefgründig. Kostenlos anmelden.

Das könnte sich bald ändern. Der Landkreis Starnberg will das Wildwest-Gebaren eindämmen - und hat sich hilfesuchend nach München gewandt, wo die Regeln gemacht werden. Der See gehört dem Freistaat. Von der kommenden Saison an, so die Gedankenspiele, sollen sich Schwimmer auf dem offenen See farblich kennzeichnen, Ruderer mit Schwimmwesten schützen. Und: Kein Motorbootsfahrer soll mehr ohne Lappen unterwegs sein, zumindest ab einer gewissen PS-Zahl.

Ein heikler Vorstoß. Mit der vergnügungsaffinen Bewohnerschaft der reichsten Region Deutschlands will sich eigentlich keiner anlegen. Die liebt das Motorbootfahren. Auf einen Liegeplatz für sieben Jahre wartet man hier 15 Jahre. Kein Wunder, dass der Schwarzmarkt um die Plätze floriert. Wer schlau ist, setzt gleich die gesamte Familie auf die Warteliste für eine Lizenz - in gerader Linie dürfen Motorboote nämlich auch verliehen werden. So läuft nautische Vetternwirtschaft.

Ahnungslosen Stand-up-Paddlern hingegen haben die Münchner Ministerialjuristen wenig entgegenzusetzen. Sie genießen die gleichen Rechte wie Schwimmer. "Jedermann hat das Recht auf den Genuss der Naturschönheiten und auf die Erholung in der freien Natur", frohlockt die bayerische Verfassung. Die Zähmung des Verkehrs auf dem See macht das nicht leichter.

Der wird nun alsbald in den Winterschlaf versetzt. An diesem Sonntag fahren die letzten Dampfer, von November an soll Ruhe einkehren. Derweil ist bei manchem Verleiher das Saisonendgeschäft angelaufen. Auf Elektroboote und SUPs gibt's an den letzten Wochenenden zehn, unter der Woche 20 Prozent Rabatt. Eine letzte Gaudi, bevor die Münchner Badewanne zum Stillleben wird.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFotografie
:Das sind die schönsten Natur-Fotos des Jahres

Ein golden schimmernder Pfeilschwanzkrebs, unter Wasser lauernde Orca-Wale und gefräßige Kaulquappen: Das Natural History Museum hat die "Wildlife Photographers of the Year 2023" gekürt.

Von Jakob Wetzel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: