Diskussion am Stammtisch:Die Nummer gegen Ratlosigkeit

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Am Stammtisch wird allerhand geklärt. In einem besonderen Fall allerdings wurde man sich nicht einig. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Am Stammtisch wird man sich nicht einig, da ruft einer die Polizei. Um die richtige Meinung zu hören. Wenn es nur so einfach wäre.

Glosse von Katja Auer

Es herrscht inzwischen weitgehend Einigkeit darüber, dass früher nicht pauschal alles besser war. Schon deswegen, weil einem immer jemand gesagt hat, was man zu tun hatte: der Vater dem Rest der Familie, der Bauer dem Knecht, der Pfarrer den Schäfchen. Da war es nicht weit her mit der persönlichen Freiheit.

Dennoch gibt es heutzutage offenbar wieder eine Sehnsucht nach Autoritäten. Ist ja manchmal auch kompliziert, dieses Leben, komplex sogar, da wäre es schön einfach, wenn einem jemand sagen könnte, was richtig ist.

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So einen hätten sie dieser Tage auch in einem Wirtshaus im Landkreis Kelheim gebraucht. Am Stammtisch sei über die Proteste der Bauern diskutiert worden, so berichtet es das Online-Portal Paffenhofen-today, und man sei sich nicht einig geworden. Das ist auch nicht ganz einfach, das nur nebenbei, jammern die Bauern zu viel oder zu wenig, kriegen sie zu viel Geld oder zu wenig und wäre es nicht an der Zeit, die gesamte Subventionssache einmal grundsätzlich zu reformieren? Und was ist überhaupt mit dem Wolf, mit der Anbindehaltung und mit Hubert Aiwanger?

Es ist also nicht einfach, in Sachen Landwirtschaft einen Konsens zu finden, und so wollte ein 72-jähriger Mann für Klarheit sorgen lassen: Er rief die Polizei. Genauer gesagt kontaktierte er per Notruf-System in seinem Auto die Rettungsleitstelle und teilte dieser mit, dass er von der Polizei eine Einschätzung zu einem Thema brauche, das gerade am Stammtisch behandelt werde.

Die Leitstelle gab das an die Beamten weiter, die wiederum stellten laut Polizeibericht den Sachverhalt "tatsächlich so fest". Nur, so richtig weiterhelfen konnten sie offenbar nicht. Stattdessen hat der Senior - nein, der war nicht betrunken, allerdings nach Polizeiangaben "sehr aufbrausend und provokant" - nun eine Anzeige wegen Missbrauchs von Notrufen am Hals.

Es sei also dringend abgeraten von solchen Anrufen, wenngleich es freilich schön wäre, eine solche Nummer zu haben. Ein Hilfstelefon für Unschlüssige und Zauderer. Einen Kontakt für die richtige Meinung, die richtige Argumentation, die richtige Wahlentscheidung. Nein, nein, das ist kein Hinweis an die Staatskanzlei oder an die Parteizentralen. Nur ein kleines Gedankenspiel. Wir denken doch alle lieber selber. Darüber herrscht hoffentlich auch weitgehend Einigkeit.

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