Schwaben:Betreiber bereiten sich auf Abschaltung des Kernkraftwerks Gundremmingen vor

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So schön kann Atomkraft sein: Kühlturm von innen (Foto: Michaela Rehle/Reuters)
  • Im Jahr 2017 soll der Reaktorblock B des Kernkraftwerks Grundremmingen abgeschaltet werden.
  • Das Kraftwerk Gundremmingen ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region. Wie es nach der Stilllegung weitergeht, ist noch unklar.

Von Stefan Mayr, Gundremmingen

Knapp zwei Jahre vor der Abschaltung des Reaktorblocks B im schwäbischen Kernkraftwerk Gundremmingen ist noch unklar, wie es an dem Standort weitergeht. Block B des größten und ältesten aktiven Atomkraftwerks Deutschlands wird Ende 2017 stillgelegt, 2021 folgt Block C.

Fest steht bisher nur: Der Rückbau der radioaktiv kontaminierten Anlagen soll gleich nach der Stilllegung beginnen, er wird voraussichtlich Jahrzehnte dauern und zumindest mittelfristig etliche Arbeitsplätze sichern. Aber wird auch das angedachte Gasturbinenkraftwerk gebaut, um die bereits vorhandenen Stromleitungen zu nutzen? Und wie steht es mit der Versorgungssicherheit für Bayerns Stromverbraucher, wenn der größte Energieproduzent des Freistaates nicht mehr liefert?

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Die schwäbischen Industrie- und Handelskammern warnen vor einem Energie-Engpass und fordern die Politik auf, schleunigst Entscheidungen zu treffen, um die Unternehmen vor steigenden Strompreisen und Blackouts zu schützen. Die Grünen dagegen verlangen, Gundremmingen noch in diesem Jahr abzuschalten. "Das sind die letzten zwei Siedewasser-Reaktoren Deutschlands, ihre Technik ist veraltet und gefährlich", sagt Landtagsfraktionschef Ludwig Hartmann.

"Bevor hochmoderne Gaskraftwerke wie Irsching stillstehen, wollen wir lieber die gefährlichsten zwei Reaktoren in Gundremmingen abschalten." Dass eine Stilllegung des Atomkraftwerks eine Versorgungslücke auslösen wird, glaubt Hartmann nicht: "Ab Mitte 2016 wird die Thüringer Strombrücke zwei Gigawatt nach Bayern bringen, da erwarte ich keinerlei Engpass." Zudem müsse man eben nur die still stehenden Gaskraftwerke befeuern.

Sozialverträglicher Stellenabbau

Im Jahr 2015 hat die Kernkraftwerk Gundremmingen GmbH (KGG) 21,2 Milliarden Kilowattstunden Strom produziert. Das ist knapp ein Viertel der gesamten Stromerzeugung in Bayern. Parallel zum Betrieb laufen bereits die Vorbereitungen auf die Abschaltung: Die Zahl der Angestellten sank um etwa 25 auf 674, auch die externen Mitarbeiter wurden heruntergefahren - von 300 auf 250.

Der Stellenabbau läuft sozialverträglich: Die Jobs von altersbedingt ausscheidenden Kollegen werden nicht mehr besetzt. Andererseits stellt die KGG noch 2016 neun Auszubildende ein.

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Obwohl das Ende absehbar ist, bleibt das Kraftwerk Gundremmingen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region. Wie viel Umsatz und Gewinn das Kraftwerk macht, verraten die Gesellschafter RWE und Eon zwar nicht. Aber sie berichten, dass sie 2015 nicht weniger als 1000 Firmen Aufträge im Wert von 146 Millionen Euro erteilt haben. Und bei der nächsten Revision im April werden etwa 1000 zusätzliche externe Mitarbeiter im Einsatz sein.

Die kaufmännische Geschäftsführerin Gabriele Strehlau berichtet allerdings auch von "schwierigen Zeiten": Bei einem Großhandelspreis von nur noch 20 Euro je Megawattstunde Strom sei das Kraftwerk "kaum noch wirtschaftlich zu betreiben". Deshalb hat auch sie Forderungen an die Politik: "Wir brauchen dringend Marktbedingungen, die eine faire Partnerschaft von konventionellen Kraftwerken und erneuerbaren Energien ermöglichen."

Wettrennen um Gasturbinenkraftwerk

Trotz aller Probleme: Eine vorzeitige Abschaltung kommt für sie nicht in Frage. In Bayern produziert neben Gundremmingen nur noch ein weiteres Kernkraftwerk Strom: Isar II in der Nähe von Landshut soll bis zum Jahr 2022 am Netz bleiben.

Unterdessen liefern sich in Schwaben diverse Kommunen ein Wettrennen um ein neues Gasturbinenkraftwerk, das eines Tages die Lücke des abgeschalteten AKW schließen soll. Vor allem die Stadt Leipheim will auf dem Areal des ehemaligen Fliegerhorstes ein derartiges Kraftwerk errichten lassen. Doch auch in Lauingen und Gundelfingen gibt es solche Pläne. Letztere Kommunen haben sich mit Gundremmingen zusammengetan, um Leipheim auszustechen.

"Ich denke, mit der vorhandenen Infrastruktur und dem Personal haben wir gute Karten", sagt Gundremmingens Bürgermeister Tobias Bühler (CSU). Bei einer anderen Frage ist er skeptischer: Was passiert mit dem Atommüll-Zwischenlager? Derzeit stehen in der Halle auf dem AKW-Areal 44 Castorbehälter mit abgebrannten Brennelementen. "Ich hoffe nicht, dass das mal ein Endlager wird", sagt Bühler.

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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