Der neue Schwung kommt sowohl aus dem hohen Norden als auch aus dem Osten. Er kam bei den schwäbischen Atomkraftgegnern ganz ohne Stromleitung an, und er verlieh ihnen jede Menge neue Energie: Die Bürgerinitiative "Forum Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik" nimmt ihren bereits verloren geglaubten Kampf gegen das Zwischenlager am Kernkraftwerk Gundremmingen (Kreis Günzburg) wieder auf. Sie wird den Widerruf der Betriebsgenehmigung des Zwischenlagers beantragen. Und für den Fall, dass das Bundesamt für Strahlenschutz diesen Antrag ablehnt, ist die Initiative wild entschlossen, Klage einzureichen.
Atommüll-Zwischenlager Gundremmingen:Die Mauer muss her
210 Meter lang, zehn Meter hoch und 85 Zentimeter dick. Am Atommüll-Zwischenlager in Gundremmingen wird Deutschlands erste Schutzwand gegen Terroranschläge errichtet. Der Bürgermeister fürchtet aber, dass Gundremmingen damit nicht mehr nur Zwischenlager bleibt.
Auslöser dieses zweiten Anlaufs ist eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zum Atomkraftwerk in Brunsbüttel: Mitte Januar haben die Richter eine Beschwerde des Bundesumweltministeriums gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig zurückgewiesen. Damit steht das Brunsbütteler Zwischenlager endgültig ohne Betriebserlaubnis da. Grund dieser Entscheidung: Der Betreiber des Lagers, der schwedische Energieversorger Vattenfall, hat keine ausreichenden Sicherheitsnachweise vorgelegt. "Die süddeutschen Zwischenlager sind ja noch viel windiger gebaut und somit megagefährlich", sagt Forum-Sprecher Raimund Kamm und fordert: "Die müssen sich jetzt bewegen."
192 Castor-Stellplätze gibt es in Grundremmingen
Nach Kamms Angaben sind in Brunsbüttel die Hallenwände 1,20 Meter stark und die Decken 1,30 Meter. Die bayerischen Lager hätten dagegen nur eine Wanddicke von 85 Zentimeter und eine Deckenstärke von 55 Zentimeter. Ein anderer Vergleich fällt ebenfalls eindeutig aus: Während in Brunsbüttel derzeit neun Castoren-Behälter gelagert werden, sind es in Gundremmingen 42. Jeder Behälter enthält 52 Brennelemente. Insgesamt gibt es in Gundremmingen 192 Castor-Stellplätze, damit ist es das größte dezentrale Zwischenlager Deutschlands.
Ob der neuerliche Vorstoß der Bürgerinitiative zum Erfolg führen wird, ist allerdings unsicher. Denn während in Brunsbüttel nie eine rechtskräftige Betriebsgenehmigung vorlag, gibt es eine solche in Gundremmingen längst: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat eine Klage der Atomkraftgegner bereits zurückgewiesen und eine Revision nicht zugelassen. Hiergegen gingen die Bürger zwar mit einer Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht vor, aber sie scheiterten auch dort. "Leider haben wir die Beweispflicht, dass die Sicherheitsnachweise nicht ausreichen", sagt Raimund Kamm. Im Fall Brunsbüttel habe die Beweispflicht bei den Kraftwerksbetreibern gelegen.
Forderung nach einem sichereren Zwischenlager
Dennoch beschlossen die Mitglieder der schwäbischen Initiative am Dienstag in Dillingen einstimmig, mit allen juristischen Mitteln gegen das Zwischenlager vorzugehen. In einer Pressemitteilung fordern sie den Bau eines neuen, sichereren Zwischenlagers, in dem Atommüll auch bei einem Terroranschlag sicher eingeschlossen bleibe. Zudem solle "endlich ernsthaft" ein unterirdisches Endlager gesucht werden.
Suche nach Endlager für Nuklearmüll:Atomarer Spaltpilz
Lange kämpften sie Seite an Seite: die Grünen und die Ökogruppen. Jetzt soll eine Kommission nach einer Alternative zum Endlager Gorleben suchen, doch Umweltverbände wie Greenpeace verweigern die Teilnahme. Für die Grünen ist das misslich.
Kraftwerksbetreiber RWE nimmt die Ankündigung der Initiative gelassen zur Kenntnis. "Das Zwischenlager ist selbstverständlich sicher, es entspricht den gesetzlichen Anforderungen", sagt RWE-Sprecher Jan-Peter Cirkel. Deshalb habe das Brunsbüttel-Urteil "keine unmittelbare Konsequenzen" für Gundremmingen. Dort werden seit 2014 zwei zusätzliche Schutzmauern an den Längsseiten gebaut, um die Halle gegen Terroranschläge zu schützen. "Die Arbeiten sind im Gange", teilt das Bayerische Umweltministerium mit. Ob und wann dieser Zusatzschutz an den bayerischen Zwischenlagern in Grafenrheinfeld (88 Castorplätze) und Ohu (152) errichtet wird, ist noch offen: Die Genehmigungsverfahren laufen noch.