Schulpolitik:"Das Image des Kümmerers ist mir wichtig"

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Der neue Minister Bernd Sibler (CSU) bei seiner Vereidigung im bayerischen Landtag. (Foto: Johannes Simon)

Bernd Sibler möchte als neuer Bildungsminister zugänglicher auftreten als sein Vorgänger. Er will mehr flexible Lösungen, eine Aufwertung des Religionsunterricht und Werteerziehung.

Von Anna Günther, München

Dem Mobiliar ist die Veränderung nicht anzumerken, die viele in Bayern überrascht hat. Die Antiquitäten, die Sitzgruppe, Strauß, Stoiber und Zehetmair im Bilderrahmen. Im Ministerbüro ist noch immer Spaenle-Zeit. Nur, Ludwig Spaenle, 56, ist nicht länger Kultusminister. Neuer Chef ist Bernd Sibler, zuständig für Unterricht und Schulen. Was er anders machen will? Alles, sagt Sibler, 47, prompt. Er meint die Einrichtung. Auch sonst soll sich manches ändern, aber so hart würde er das nie sagen.

Sibler kam 2007 als Staatssekretär ins Bildungsministerium, leitete nach der Landtagswahl 2008 drei Jahre lang den Hochschulausschuss im Landtag und kehrte im Jahr 2011 ins Ministerium zurück. Nun holte ihn Ministerpräsident Markus Söder auf den Chefsessel und entschied sich damit gegen Spaenle, den Taufpaten seines Sohnes.

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Die Männer könnten kaum unterschiedlicher sein: Spaenle, der Münchner CSU-Chef mit Hang zu großen Worten und bunten Einstecktüchern. Ein Polterer, andere sagen Lautsprecher. Auch Georg Eisenreich, Spaenles anderer Staatssekretär und jetzt Staatsminister für Europa und Digitalisierung, schätzt markige Worte und Machtspielchen. Dagegen schien Sibler, der selbst mit ergrauendem Haar bubenhaft wirkt, im Bildungs-Triumvirat in den Hintergrund gedrängt zu werden. Einer, der viel arbeitet, ohne viel Aufsehen zu erregen. Er sei eben viel unterwegs gewesen, sagt Sibler dazu. Und: "Das Image des Kümmerers ist mir wichtig."

Er nehme sich viel Zeit, heißt es auch an der Basis, "Kümmerer" fällt oft, aber auch "Leichtgewicht". Spaenle habe aus dem Stand über Bildung philosophieren können. Kann Sibler mithalten? Da sind sich manche nicht sicher. Dafür packe Sibler Probleme an, die habe Spaenle eher ausgesessen. Das zeigte auch der Schlingerkurs bei der Diskussion um G 8 und G 9, bei der Horst Seehofer schließlich eingriff. Aber kann Sibler das Ministerium führen? Die Verantwortung für 115 000 Lehrer und 1,7 Millionen Schüler tragen? Als ministrabel galt Sibler für viele erst, nachdem ihn die Niederbayern-CSU als Listenführer aufgestellt hatte.

Sibler bleibt gelassen. "2007 haben sich noch einige gewundert, wieso ich ins Kabinett komme, jetzt habe ich das ganz anders wahrgenommen", sagt er. Im Landtag hätten sich Kollegen und Opposition gefreut, daheim in Plattling war die Begeisterung groß. Die Aufwartung der Lehrerverbände kam prompt, samt Jubel darüber, dass einer der ihren an der Spitze des Ministeriums steht. Sibler studierte Deutsch und Geschichte, aber er unterrichtete nicht einmal ein Jahr am Deggendorfer Robert-Koch-Gymnasium, bevor er 1998 in den Landtag einzog.

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Spaenle warf nicht nur die Opposition Arroganz vor. Beim letzten Auftritt als Schulminister in der BR-Sendung "Jetzt red' i" konnte er sich ein Augenrollen nicht verkneifen. Lehrerverbandspräsidentin Simone Fleischmann sprach gerade. Das kam nicht gut an. Der alte Spruch, mit Bildung ließen sich keine Wahlen gewinnen, sehr wohl aber verlieren, ist in der Staatskanzlei bekannt.

Offene Kritik an seinem Vorgänger, der fast zehn Jahre lang sein Minister war, übt Sibler nicht. Er sagt, der Ton müsse sich künftig ändern, die Kommunikation sei in der Vergangenheit nicht immer gut gelaufen. "Es sind viele Themen, schwierige Themen, und es gibt immer wieder kleine Feuerchen, die wir natürlich ernst nehmen. Die Gefahr, dass die Feuerchen den Gesamteindruck prägen, ist gegeben", sagt Sibler. Dabei habe Bayern ein gutes Schulsystem, nur dürften die Brandherde die guten Dinge nicht überdecken.

Viel Zeit hat Sibler nicht, er muss bis zur Landtagswahl im Herbst liefern, danach könnten die Kabinettsposten wieder neu verteilt werden. Auch deshalb will er mit seiner Staatssekretärin Carolina Trautner, 57, "das Land durchpflügen und die Dinge in die Breite bringen". Auf Augenhöhe wollen sie mit den Leuten reden, nicht belehrend auftreten, sondern zuhören. "Wir dürfen nicht vergessen, dass viele nur einmal im Leben Kontakt mit dem Ministerium haben. Wir sind Dienstleister und müssen einen guten Eindruck hinterlassen." Seiner Frau und den beiden Söhnen sei bei aller Freude klar, dass er noch seltener zu Hause sein werde, sagt Sibler.

Bildungspolitisch steht Sibler aus Überzeugung auf CSU-Linie. Er spult den Text ab, der zur Grundausstattung der Pressestelle gehört: Super steht Bayern also da, die Vorbereitungen zur Einführung des G 9 und zum Schuljahresbeginn im Herbst laufen. Alle Schularten sind ihm wichtig, das Engagement der Lehrer herausragend, die Digitalisierung werde voran getrieben.

Ideen hat Sibler trotzdem: mehr flexible Lösungen für die Schulen, im Rahmen des Systems. Angehende Lehramtsstudenten sollten auch mal an eine Laufbahn in Förder- und Berufsschulen denken. Im Informatikunterricht müsse auch die Wirkung von Medien vermittelt werden. Diese Wirkungsforschung samt Urheberrechts- und philosophischer Fragen wolle er von den Unis in die Schulen holen.

Sein Schwerpunkt soll die Werteerziehung sein. "Der Artikel 131 der Bayerischen Verfassung sagt auch, dass Schule Herz und Charakter bilden soll", sagt Sibler, das sei ihm sehr wichtig. Neu ist das nicht, auch Spaenle lag an Werten und politischer Bildung, die im G 9 gestärkt werden. "Ich sag's auch noch mal dazu. Wir werden eine ganze Reihe an Initiativen bei Werte- und Demokratieerziehung auf den Weg bringen", sagt Sibler.

Und welche? Er bittet um Geduld. Eine Idee könnte stärkere Zusammenarbeit mit der Stiftung "Art. 131" sein, die Kunst und Kultur in Schulen tragen möchte. Ähnlich wichtig ist dem Katholiken der Religionsunterricht. Die Diskussion um Abtreibung und Lebensschutz brachte ihn vor 30 Jahren zur CSU. Dass Religion als Schulfach laut einer Umfrage der evangelischen Landeskirche fast so unbeliebt ist wie Physik, habe ihn "erschüttert", sagt Sibler. Eine Analyse müsse Klarheit bringen.

Kritische Themen wie die anstehende Verlängerung des Modellversuchs Islamischer Unterricht? Sibler bittet um Zeit, sich einzulesen. Am Zeitplan hält er fest. Ähnlich hält er es mit der Oberstufenreform am Gymnasium. Wünsche gibt es viele, die Rückkehr der Leistungskurse zum Beispiel. Sibler möchte mit allen reden, Ideen sammeln. Und dann werde man sehen. Die geplante Neuordnung der Oberstufe durch die Kultusministerkonferenz spiele auch eine Rolle. Bis die ersten G-9-Schüler in die Oberstufe kommen, werden sechs Jahre vergehen. Dann könnte längst ein anderer Kultusminister sein.

© SZ vom 31.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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