Buchdruck:Gekommen, um die Welt zu revolutionieren

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Für 13- oder 14-jährige Schriftsetzerlehrlinge war es am Anfang nicht einfach, den Setzkasten auf der schrägen Ablage zu überblicken. Das Foto zeigt den Hilpoltsteiner Lehrling Willi Stengl Mitte der Fünfzigerjahre. (Foto: Archiv Druckerei Millizer)

Schriftsetzer war ein angesehener Beruf, bis ihn die moderne Zeit überflüssig machte. Ein Autor erinnert sich nicht nur an das Handwerk, sondern an die Anekdoten, die damit verbunden waren.

Von Hans Kratzer, Roth

Die Welt, in der wir mit einer leidenschaftlichen Neigung zur Unzufriedenheit leben, bietet dennoch viele Annehmlichkeiten. Schon allein deshalb, weil sie durch und durch von der digitalen Revolution geprägt ist, welche die Menschen zu leidenschaftlichem Konsum und sofortiger Bedürfnisbefriedigung verführt.

Eine ähnlich einschneidende Veränderung der Lebensgestaltung hat einst der moderne Buchdruck mit sich gebracht. Nachdem ihn Johannes Gutenberg erfunden hatte, revolutionierte der Einsatz von beweglichen Lettern von 1450 an die Buchproduktion. Es entstand eine neue Medienwelt, das gedruckte Wort startete einen beispiellosen Siegeszug. Vor dieser Zeit mussten Mönche sämtliche Bücher noch mühsam per Hand abschreiben. Mit Hilfe der beweglichen Lettern war es möglich, Texte schneller, günstiger und in großer Auflage zu vervielfältigen.

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Gutenbergs Prinzip, das in Fachkreisen als manuelle Satzherstellung benannt wird, blieb fast 500 Jahre lang unverändert. Kein Wunder, dass der Beruf des Schriftsetzers schon wegen seiner Konstanz großes Ansehen genoss, bis ihn eine neue Zeit hinwegraffte. In den 1970er-Jahren läutete die Digitalisierung das Ende des stolzen Berufsstandes ein. Dem Verdrängungswettbewerb im Druckgewerbe fielen in Bayern viele kleine Druckereien zum Opfer. So geriet die Tätigkeit des Schriftsetzers nach und nach in Vergessenheit, ebenso wie die vielen Räubergeschichten und Anekdoten, die untrennbar damit verbunden waren und in niedergeschriebener Form Bücherregale füllen würden.

Dem Autor Hans Pühn ist es zu verdanken, dass diesem untergegangenen Beruf vor dem Hinscheiden der letzten originären Schriftsetzer nun doch noch ein literarisches Denkmal gesetzt wurde. Pühn trat Ende der 1950er-Jahre in eine Verlagsdruckerei im fränkischen Roth ein, um dort den Beruf des Schriftsetzers zu erlernen. 16 Jahre später wechselte er in die Redaktion der vom Verlag Karl Müller herausgegebenen Lokalzeitung Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung, bei der er in den 90er-Jahren am Übergang vom Bleisatz zur digitalen Technik maßgeblich beteiligt war. Pühn gehört zu den wenigen Schriftsetzern, die sogar den Aufstieg bis zum Redaktionsleiter einer Zeitung geschafft haben.

"Das Brot des Schriftsetzers" lautete der Titel von Pühns Buch, und das hat seinen guten Grund. Er erinnert an jene Zeiten, in denen die Branche noch anhand von gesetzten Zeilen bezahlt wurde. Der Schriftsetzer musste einst Buchstabe für Buchstabe mit geübtem Griff im Winkelhaken aneinanderreihen. Für umfangreiche Texte gab es besonders große Setzkästen, deren Lettern als das Brot des Schriftsetzers bezeichnet wurden.

"Ich musste als Lehrbub einfach alles machen"

Tatsächlich benötigten die Setzer neben einer großen Fingerfertigkeit auch gute Kenntnisse in Rechtschreibung und Grammatik. Hätte Pühn sich aber nur der Geschichte und den Besonderheiten des Bleisatzes gewidmet, wäre das Buch nur für Spezialisten interessant. Sein Buch aber lebt vor allem von den Geschichten, die er erlebt hat. Er schildert sehr unterhaltsam, was es in den 1950er- und 1960er-Jahren hieß, Lehrling in einem fränkischen Verlag zu sein, der die Arbeitskraft seiner Stiftn auf vielen Gebieten strapazierte. "Fenster putzen, Papierrollen abladen und sogar das verstopfte Klo reparieren, ich musste als Lehrbub einfach alles machen", erinnert sich Pühn.

Seine erste Watschn hat er bekommen, nachdem er seiner Chefin beim Korrekturlesen falsch vorgelesen hatte. Einmal legte er sogar die Druckerei still. Als er nämlich, auf Holzdielen balancierend, die Scheiben des Pultdachs der Druckerei putzen musste und eine Diele durch das splitternde Dach samt Putzeimer auf die darunter stehende Druckmaschine rauschte.

Die alten Aufnahmen, die das Geschriebene ergänzen, geben einen Einblick in eine Berufswelt, die eben erst verloschen ist und doch schon gefühlte Ewigkeiten her ist. Die Technik hat alles verändert, und sie ist dabei, schon wieder alles zu verändern. Immer schneller in immer kürzeren Zeitabständen. Nur die saloppen Fachausdrücke hat das Druckgewerbe beibehalten - vom Blocksatz über den Zwiebelfisch bis hin zum Schusterjungen und zum Hurenkind.

Hans Pühn, Das Brot des Schriftsetzers, herausgegeben vom Landkreis Roth, 13,80 Euro.

© SZ vom 19.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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