Bedrohte Art:SZ-Vogel Schnepfinger zieht bald wieder gen Norden

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Durch ein Forschungsprojekt ist der Große Brachvogel mit einem GPS-Sender ausgestattet. Dadurch wird klar, welche Route er nimmt - und ob er zurück in seine niederbayerische Heimat kommt.

Von Christian Sebald, München

Es wird wieder spannend: Zwar fliegt Schnepfinger noch in seinem Winterquartier im südandalusischen Nationalpark Coto de Doñana umher. Aber offenbar bereitet sich der Große Brachvogel nun auf den Rückflug in seine niederbayerische Heimat vor. Der Hinweis darauf: Dieser Tage hat er zum ersten Mal überhaupt sein nur etwa hundert Hektar kleines Revier am Ostufer des Guadalquivir verlassen und einen Ausflug mitten in den Nationalpark Coto de Doñana hinein unternommen. Es war zwar nur ein kurzer Ausflug. Aber er dürfte das erste Anzeichen gewesen sein, dass Schnepfinger die Zugunruhe erfasst hat, wie sie typisch ist für alle Zugvögel, kurz bevor sie ihren oft Tausende Kilometer langen Flug zwischen vom Winter- ins Sommerrevier antreten. Schon demnächst wird sich Schnepfinger also auf den gut 2000 Kilometer Luftlinie weiten Rückflug von Südandalusien ins Königsauer Moos nahe Dingolfing machen.

Zur Auffrischung, weil die letzte Folge der SZ-Serie "Dem Schnabel nach" ein wenig zurückliegt: Schnepfinger ist Teil eines groß angelegten Forschungsprojekts des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) über die Großen Brachvögel in Bayern. Die großen, beigebraun gefiederten Watvögeln mit den markanten langen und stark nach unten gekrümmten Schnäbeln zählen zu den seltensten und am strengsten geschützten Tieren in Bayern. Der Freistaat hat deshalb schon vor längerem ein Brachvogel-Artenhilfsprogramm aufgelegt und lässt es sich jedes Jahr viele Tausend Euro kosten.

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Allen Bemühungen zum Trotz stellen sich aber keine Erfolge ein. Im Gegenteil: Die Zahl der Brachvogel-Brutpaare sinkt beständig. Inzwischen gibt es nur noch gut 450 - in ganz Bayern. Auf der Roten Liste wird die Art längst als "vom Aussterben bedroht" geführt. Dabei sind die Zeiten noch nicht so lange her, in denen man überall in den Flussauen, Mooren und anderen Feuchtlandschaften Bayerns Große Brachvögel beobachten konnte, wie sie auf der Jagd nach Insekten, Würmern und kleinen Schnecken mit ihren Schnäbeln im nassen Gras herumstocherten.

Mit seinem Forschungsprojekt will der LBV nun herausbekommen, wie man es schaffen kann, dass die Brachvögel in Bayern eine Zukunft haben. Dazu wollen die Biologin Friederike Herzog und ihre Mitarbeiter insgesamt 30 Große Brachvögel mit hochmodernen GPS-Sendern ausstatten, mit denen sie jede Regung der Tiere am Computer nachverfolgen können.

Vier Brachvögel sind derzeit am Sender. Der Niederbayer Schnepfinger ist einer von ihnen. Dank des Senders kann die SZ schildern, was er so alles treibt. "Schnepfinger hat einen ruhigen und erholsamen Winterurlaub in Südspanien verbracht", sagt Herzog. "Viel Sonne, angenehme Temperaturen, ein riesiges Feuchtgebiet mit überreichlich Nahrung." Der Vogel sollte fit sein für die neue Brutsaison im Königsauer Moos. Ein Kuriosum am Rande ist, dass Herzog nach wie vor nicht hat klären können, ob der Vogel nun ein Männchen oder ein Weibchen ist. Das Ergebnis des Gentests steht immer noch aus.

Dieser Tage geht es freilich nur darum, dass Schnepfinger den Flug nach Hause wohlbehalten übersteht. "Die Brachvögel zählen zu den ersten heimischen Zugvögeln, die nach Bayern zurückkommen", sagt Herzog. "Einige sind schon seit vergangener Woche wieder da." Der Rückflug aus den Überwinterungsgebieten in Nordafrika, Südspanien oder Portugal geht aber auch meist sehr schnell. "Zwei bis maximal vier Tage, mehr brauchen sie nicht", sagt Herzog.

Spaziergänger sollten auf den Wegen bleiben

Unklar ist freilich, welchen Weg sie genau nehmen, und ob es stets der selbe ist. Es gibt Vögel, die möglichst die gesamte Strecke über Land fliegen, andere orientieren sich weite Teile an den Küsten des Mittelmeeres entlang und fliegen sogar mal ein Stück übers offene Meer hinweg. Und dann ist da noch die Frage, ob Schnepfinger wieder in sein angestammtes Revier im Königsauer Moos zurückkehrt, wo ihn Herzog im vergangenen Jahr eingefangen und den Sender auf den Rückengeschnallt hat. "Das ist zwar recht wahrscheinlich", sagt die Biologin, "aber wirklich wissen tun wir es halt nicht."

Wie auch immer, nach ihrer Rückkehr muss sich Schnepfinger erst einmal von den Anstrengungen des Heimflugs erholen. Wirklich viel Zeit hat er dafür aber nicht. Schon bald nach der Ankunft beginnt die Balz- und die Brutzeit. "Wenn uns am Überleben der Großen Brachvögel gelegen ist, müssen wir in ihren Brutgebieten möglichst alle Störungen von ihnen fernhalten", sagt deshalb Andreas von Lindeiner, der oberste Artenschützer im LBV. "Das gilt für die Landwirte genauso wie für Spaziergänger, Radfahrer und Freizeitsportler. Sie alle sollten ab jetzt sehr viel Rücksicht nehmen." Die Landwirte in den Brachvogel-Gebieten zum Beispiel, indem sie auf das Walzen von Wiesen verzichten. Die Spaziergänger, indem sie ihre Hunde an der Leine lassen und die Feldwege nicht verlassen. Das Gleiche gilt für Radfahrer und andere Freizeitsportler. "Andernfalls ist das Risiko viel zu groß, dass Brachvögel ihre Reviere aufgeben", sagt Lindeiner. "Und dann kommt die Art hier bei uns nie mehr auf die Beine."

Beim LBV laufen denn auch bereits die Vorbereitungen für den Schutz besonders sensibler Gebiete an. Spätestens bis Ende März werden Herzog und ihre Helfer die Brutgebiete entlang der Donau und der Altmühl aber auch im Königsauer Moos weitläufig einzäunen. Später, wenn die großen Brachvögel brüten, werden sie die Nester in den Wiesen noch einmal besonders schützen. Dieser Tage richtet sich Herzogs Aufmerksamkeit freilich auf den Computer, an den die GPS-Sender auf den Rücken von Schnepfinger und den anderen Großen Brachvögeln ihre Standortdaten übermitteln. Die Biologin wollen auf keinen Fall den Moment verpassen, an dem die Tiere ihre Winterquartiere verlassen.

© SZ vom 05.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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