Spanien:SZ-Vogel Schnepfinger hat ein perfektes Winterquartier gefunden

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Die Salzwiesen im spanischen Nationalpark Coto de Doñana, die von der Atlantik-Flut überschwemmt werden, sind Lebensraum für unzählige Pflanzen und Tiere.

Von Christian Sebald, München

Es ist eineinhalb Jahre her, da hat Andreas von Lindeiner einen Urlaub an der andalusischen Costa de la Luz im Nationalpark Coto de Doñana verbracht. Daran ist zunächst nichts Ungewöhnliches. Lindeiner, Jahrgang 1961, Biologe, graue Haare, grauer Bart, ist oberster Artenschützer des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) und verbringt seine Urlaube oft in Schutzgebieten. Der Nationalpark Coto de Doñana, mit 542 Quadratkilometern Fläche gut doppelt so groß wie der Nationalpark Bayerischer Wald, ist eines der größten und artenreichsten Vogelschutzgebiete Europas. Und doch ist es ein merkwürdiger Zufall, dass Lindeiner ausgerechnet Bonanza als Urlaubsort gewählt hat.

Denn Bonanza ist der Ort in Coto de Doñana, den sich Schnepfinger als Winterquartier ausgesucht hat. "Es ist schon verrückt, wie das Leben spielt ", sagt Lindeiner, der verantwortlich ist für das Große-Brachvogel-Forschungsprojekt des LBV, in dem Schnepfinger eine tragende Rolle spielt. "Wenn mir das damals im Urlaub in Bonanza einer vorhergesagt hätte, hätte ich es ihm nicht abgenommen." Schnepfinger fühlt sich so wohl in den Marismas nahe Bonanza, dass er womöglich den ganzen Winter über dort bleiben wird.

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(Foto: dpa-tmn)

Lagunen, Dünen und Salzwiesen: Der Nationalpark Coto de Doñana ist ein Schutzgebiet, in dem nicht nur eine üppige Vegetation gedeiht,...

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(Foto: imago stock&people)

...sondern in dem auch viele Vögel wie Wasserläufer...

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(Foto: dpa-tmn)

...und Flamingos überwintern oder Rast machen auf ihrem Weg nach Afrika.

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(Foto: dpa-tmn)

In der Abendstimmung waten die Vögel durch das seichte Wasser der Lagune.

Die Marismas sind Salzwiesen, die immer wieder von den Fluten des Atlantik überschwemmt werden. Seit Wochen hält sich Schnepfinger dort auf. Mal sendet das GPS-Gerät auf seinem Rücken von einer Marisma diesseits des Guadalquivir, mal von einer jenseits - aber immer in der Nähe von Bonanza. Der Guadalquivir ist mit 657 Kilometern Länge der fünftlängste Fluss Spaniens. Er entspringt in der Sierra de Cazorla, fließt an Cordóba und Sevilla vorbei und mündet bei Sanlúcar de Barrameda in den Golf von Cádiz. In seinem Unterlauf markiert er die Ostgrenze des Nationalparks.

Die Coto de Doñana ist eine einmalige Landschaft und ein "Hochkaräter des Naturschutzes, wie es nur ganz wenige gibt in Europa", wie Lindeiner sagt - bereits seit 1994 ist sie denn auch Weltnaturerbe. Die Marismas haben Lindeiner besonders fasziniert, sie haben ihn an "ein gigantisches Watt" erinnert. In ihnen mischen sich das Süßwasser des Guadalquivir und anderer Flüsse mit dem Salzwasser, das bei Flut vom Atlantik hereingeschwemmt wird. Nur im Sommer trocknen sie aus, aber selbst dann erstrecken sich in ihnen noch Lagunen und Bachläufe.

In den anderen Jahreszeiten gedeiht in den Marismas eine üppige Vegetation, mit dem gelb blühenden Strand-Alant zum Beispiel, aber auch mit allen möglichen Laichkräutern, Binsen, Weiden und wildem Wein. Eine andere Besonderheit des Nationalparks sind die gigantischen, bis zu 40 Meter hohen Sanddünen, auf denen Wacholder und Strandhafer wachsen. Hinter ihnen erstrecken sich Täler mit Schirmkiefer-Wäldern, aber auch Stechginster und Heidekräutern, Zistrosen und Korkeichen.

Die einmalige Landschaft ist das eine, das andere ist die erstklassige Tierwelt in den Marismas. Ornithologen haben ermittelt, dass mehr als 250 Vogelarten aus Mitteleuropa auf den Marismas überwintern oder Rast machen, bevor sie weiterfliegen nach Afrika. Angeblich kann man dort Schwärme mit mehr als 100 000 Krickenten und Pfeifenten beobachten. "Aber ich habe auch schier zahllose Rotschenkel, Säbelschnäbler, Waldwasserläufer und alle möglichen Lerchenarten gesehen", sagt Lindeiner. "Und dann die riesigen Flamingo-Schwärme, im Abendlicht sind sie ein erhabener Anblick."

Unter den Brutvögeln des Nationalparks sind ebenfalls zahlreiche besondere Arten, der Löffler etwa, der Stelzenläufer oder das Purpurhuhn. Letzteres ist mit seinem dunkelblauen, violett schimmernden Gefieder und dem leuchtend roten Schnabel, Stirnschild und Beinen ein besonders markanter Vogel. Wohl deshalb ist das Purpurhuhn das Wappentier der Coto de Doñana. Eine andere Rarität ist der Pardelluchs. Er kommt nur in Spanien und Portugal vor, angeblich gibt es nur noch 250 Exemplare. Der Nationalpark unterhält deshalb eine Aufzuchtstation für junge Pardelluchse.

Rund um den Nationalpark erstrecken sich weitläufige Plantagen, auf denen Erdbeeren angebaut werden. Die Kulturen verbrauchen extrem viel Wasser. Angeblich wurden in der Region deshalb bis zu tausend illegale Brunnen gebohrt. Die Auswirkung: In dem Schutzgebiet ist in den letzten Jahren der Grundwasserspiegel stark gesunken. Naturschützer befürchten, dass es dadurch auf lange Sicht geschädigt wird. Auf der anderen Seite profitieren Flora und Fauna davon, dass das Schutzgebiet nur für geführte Gruppen und nach Voranmeldung zugänglich ist. Die Fahrten starten zum Beispiel von Bonanza aus, wo gerade Schnepfinger überwintert.

Die gesamte Berichterstattung können Sie unter sz.de/szvogel verfolgen.

© SZ vom 03.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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