Salmonellen-Skandal um Bayern-Ei:Was Ministerin Scharf noch lernen muss

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Auf der Suche nach ihrem Profil: Auch CSU-Kollegen werden mit Ulrike Scharf allmählich ungeduldig. (Foto: picture alliance / dpa)

Kaum im Amt, musste Umweltministerin Ulrike Scharf den Salmonellen-Skandal managen. Dabei machte sie Fehler. Ob sie der Aufgabe gewachsen ist, ist auch in ihrer Partei umstritten.

Von Christian Sebald und Wolfgang Wittl, München

Es ist ihr bislang wichtigster politischer Auftritt, Ulrike Scharf (CSU) ist darauf vorbereitet: Den Rücken hält sie kerzengerade durchgedrückt, die Hände verschränkt sie vor sich auf dem Tisch, als wolle sie jede plötzliche Bewegung vermeiden. Nur wenn sie etwas notiert, lösen sich die Finger. Danach gehen sie sofort wieder in die Ausgangsstellung zurück.

Wie einstudiert wirken diese Szenen, ihre Botschaft ist klar: Scharf hat alles unter Kontrolle, soll das heißen, als sie vor dem Umweltausschuss des Landtags zu Widersprüchen und offenen Fragen um den Salmonellen-Skandal der Firma Bayern-Ei Stellung beziehen muss.

Der rasante Aufstieg von Ulrike Scharf

Fast dreieinhalb Stunden dauert der Termin am Mittwoch. Mitunter umspielt ein Lächeln ihre Lippen, doch im Inneren der Umweltministerin sieht es wohl anders aus. Natürlich nehme der Skandal Scharf mit, sehr sogar, berichten Vertraute. "Richtig angefasst" sei die Ministerin, sagt ein hoher Beamter, "das beschäftigt sie sehr". Nicht nur wegen des gigantischen Aufwands, den die Aufarbeitung der Vorwürfe mit sich bringe.

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Vor zehn Monaten war Ulrike Scharf eine Hinterbänklerin, die noch keine ganze Legislaturperiode dem Landtag angehörte. Ihren rasanten Aufstieg verdankt die 47-Jährige aus dem Landkreis Erding der Chefin der Oberbayern-CSU, Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Die katapultierte Scharf Anfang September 2014 nach vorne, als die vormalige Staatskanzlei-Chefin Christine Haderthauer wegen ihrer Modellbau-Affäre abtreten musste. Ministerpräsident Horst Seehofer holte den damaligen Umweltminister Marcel Huber erneut an die Spitze seiner Machtzentrale.

Der Ministerposten im Umweltressort war frei, ohne dass sich in der CSU-Fraktion ein Anwärter für das Amt aufdrängte. Aber nicht lange. "Die kann das, ich trau' ihr das zu", sagte Aigner damals über Scharf, die ihr in einem Frauennetzwerk verbunden ist. Auch für Seehofer war die Erdingerin - Frau, Oberbayerin - eine bequeme Lösung. Über Nacht saß Scharf am Kabinettstisch.

Am Anfang kokettierte Scharf beim Thema Umwelt

Anfangs kokettierte die neue Ministerin gerne damit, dass sie mit Umweltthemen bislang wenig Berührung hatte - höchstens über Abgasvorschriften für Omnibusse. Scharfs Familie gehört ein großes Reisebus-Unternehmen. Die studierte Betriebswirtin, die geschieden ist und einen erwachsenen Sohn hat, führte lange ein Reisebüro. Seit 1995 ist sie in der CSU, bekleidete diverse Ämter in der Partei und in der Kommunalpolitik, blieb aber unauffällig.

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Bereits von 2006 bis 2008 gehörte sie dem Landtag als Nachrückerin an. Den Sprung in die Landespolitik schaffte sie aber erst so richtig bei der Landtagswahl 2013. Mit knapp 50 Prozent holte sie den Stimmkreis Erding. Ihre Zukunft sah die schon damals selbstbewusst auftretende Scharf immer in der Wirtschaftspolitik.

Stattdessen also Umwelt- und Verbraucherschutz. In ihrem Ministerium schätzen sie Scharf für ihren offenen und freundlichen Umgang. Auch dass sie nie verhehlt hat, dass sie fachlich ganz am Anfang steht, kam gut an. Zumal Scharf sich lernwillig zeigte und sich auch schwierige Sachverhalte schnell aneignete.

Gesprächspartner schätzen ihre Verlässlichkeit und dass sie ihre Positionen beherzt vertritt, obwohl sie sich in der CSU damit nicht nur Freunde macht. So etwa im Streit um eine Skischaukel am Riedberger Horn, die sie aus Naturschutzgründen ablehnt. Außerdem bekennt Scharf neuerdings so offen wie keine andere CSU-Größe, dass sie von Eierfabriken mit Hunderttausenden Legehennen nichts hält und sie spätestens von 2023 an endgültig verboten wissen will. Von Agrarminister Helmut Brunner hat man solche Worte noch nicht vernommen, zumindest nicht öffentlich.

Inzwischen aber haben die Anfangssympathien in ihrem Haus gelitten. Der Grund ist, dass Scharf fachlich noch nicht wirklich Tritt gefasst hat - wohl auch wegen der enormen Bandbreite des Umwelt- und Verbraucherressorts. Sie ist zuständig für die beiden bayerischen Nationalparks wie auch für die Aufsicht über die Atomkraftwerke, für Hochwasserschutz und für die Artenvielfalt.

Einer mit Regierungserfahrung nennt sie eine "Fehlbesetzung"

In Lebensmittelsicherheit habe sie soeben einen "Crashkurs" erlebt. Bis all das durchdrungen ist, braucht es seine Zeit. Doch selbst in der CSU zweifelt bereits manch einer an ihrer grundsätzlichen Eignung. Scharf mangele es an politischer Führung, sie sei eine "Fehlbesetzung", sagt einer mit Regierungserfahrung.

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Immer wieder ist der Vorwurf zu hören, Scharf verlasse sich zu sehr auf ihren Beamtenapparat und hinterfrage zu wenig. Wie sonst hätte es geschehen können, dass die Ministerin kategorisch ausschloss, in Bayerns Supermärkten gebe es Eier aus Käfighaltung zu kaufen? "So ein Versagen darf nicht passieren", sagt ein Kabinettskollege, noch dazu in der Lebensmittelbranche, in der gar nichts auszuschließen sei. Einen derartigen Fehler werde die Ministerin kein zweites Mal machen. Scharf musste sich öffentlich entschuldigen, personelle Konsequenzen blieben aus.

Nicht jeder in der CSU versteht das: Falls sie von einem Abteilungsleiter falsch informiert worden sei, müsse das Folgen für den Mann haben. Schon um sich selbst zu schützen. Das allerdings widerspricht Scharfs Amtsverständnis. "Für mich war immer klar, dass ich mich vor meine Mitarbeiter stelle", sagt sie. "Wenn einer einen Fehler macht, muss man den offen eingestehen und dafür sorgen, dass er nicht mehr passiert." Die Worte decken sich mit Seehofers Forderung, alles müsse auf den Tisch. Scharfs Ansatz, gegen Massentierhaltung vorzugehen, halte er für gut und richtig, sagt der Ministerpräsident.

Auch Wohlmeinende fordern Fortschritte von Scharf

Scharf betont, sie wolle aus dem Salmonellen-Skandal Lehren für den Verbraucherschutz ziehen. Dass der eigentliche Vorfall in die Amtszeit ihres Vorgängers Huber fiel, hat sie nie thematisiert. Selbst Oppositionspolitiker sagen anerkennend, die Ministerin habe schnell reagiert. Sie würden sich damit nur niemals zitieren lassen. Tatsächlich veranlasste Scharf rasch intensivere Kontrollen und eine personelle Aufstockung, in Kürze startet sie eine Aufklärungskampagne über Salmonellen.

Doch auch Wohlmeinende fordern nach dem "Kommunikationsdesaster", die Ministerin müsse "endlich Profil gewinnen" und sich von ihren Spitzenbeamten "emanzipieren". Im Ausschuss sprach die Ministerin nur das Nötigste, zumeist verwies sie auf ihre Fachleute. Zwei Monate noch, dann ist das erste Lehrjahr zu Ende.

© SZ vom 06.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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