Rockerbanden in München:"Wir machen Randale, sorgen für Skandale"

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Mitglieder des Motorradclubs "Bandidos" im Juni 2012 in Bottrop. München war nie eine Hochburg für Rockerbanden, aber in der Region Neu-Ulm sprechen Ermittler von einem Bandenkrieg. (Foto: Marius Becker/dpa)

Die Black Jackets wollen sich mit Gewalt einen Namen in der Münchner Rockerszene machen. Die Polizei reagiert mit einer Razzia und Festnahmen - nun ist Ruhe. Die Frage ist, wie lange.

Von Florian Fuchs

Man könnte es für eine Parodie auf Rapvideos halten, aber dafür ist die Sache den Beteiligten natürlich zu ernst: Bullige Männer heben die Zeigefinger und schauen böse in die Kamera, schwere Goldketten wippen im Takt, Kampfhunde laufen geifernd durchs Bild. Das sieht wild aus, und so soll es auch sein, schließlich haben die Black Jackets einen Ruf zu verteidigen, den sie mit ihren Gangstervideos auf Youtube stützen wollen. "Wir machen Randale, sorgen für Skandale" ist einer der Verse der Straßengang - doch in München ist damit erst einmal Schluss.

Einige Monate lang hat es ziemlich viel Aufregung gegeben in der Szene der Straßengangs und Rocker. Vier Münchner Mitglieder der Hells Angels haben vergangene Woche Gefängnis- und Bewährungsstrafen erhalten, weil sie ein Mitglied der Bandidos bewusstlos geschlagen haben. Die Black Jackets haben versucht, Discobetreiber und Rivalen einzuschüchtern, um die Macht an Türen von Clubs und Bordellen zu erlangen. Als Reaktion darauf haben sich Türsteher zu einer Vereinigung namens United Tribuns zusammengeschlossen, quasi als Selbstverteidigungsgruppe.

Die Abteilung für Organisierte Kriminalität im Polizeipräsidium hatte also einiges zu tun. Die Ermittler haben führende Mitglieder der Black Jackets und Hells Angels festgenommen, damit seien die Strukturen der Gruppierungen zerschlagen worden. "Wir sind froh, dass die Polizei so entschieden vorgegangen ist", sagt ein Discobetreiber, der einen Club an der Sonnenstraße führt. Die Frage, die sich auch die Fahnder stellen, ist aber: Wie lange bleibt es ruhig?

Es gab Schwerverletzte, es gab Tote

München war nie eine Hochburg von Rockern und Straßengangs. Im Norden, in Hamburg, Berlin und Hannover, haben sich Hells Angels und Bandidos jahrelang bekriegt. Es gab Schwerverletzte, es gab Tote. Auch Bayern ist kein Hort der Friedfertigkeit, in der Region Neu-Ulm sprechen selbst Ermittler von einem Bandenkrieg. Die Gruppierungen Bandidos, Red Legion, Black Jackets und Rock Machine bekämpfen sich gegenseitig, es gab eine Schießerei auf offener Straße, mitten in der Stadt. In München war alles nicht so wild.

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Von Florian Fuchs

Vor drei Jahren stürmten Polizisten bei einem Schlag gegen die Kriminalität im Rotlicht die Wohnung eines führenden Mitglieds der Hells Angels. Bereits 2010 war einer der Münchner Präsidenten der Rockertruppe wegen Handels mit Kokain verurteilt worden. Aber Schlägereien oder sogar Schusswechsel, die öffentlich Aufsehen erregten? "Wir sind immer darauf bedacht, frühzeitig einzugreifen, bevor der Damm bricht", sagt Andreas Gollwitzer vom Münchner Kommissariat gegen Organisierte Kriminalität.

Als im Sommer 2013 dann die Straßengang Black Jackets einen Ableger in München gründete, mussten die Ermittler aufpassen, dass der Damm weiter hält. "Die haben versucht, sich einen Namen zu machen", sagt Gollwitzers Kollege Uwe Dörnhöfer. "Wir steigen immer höher auf der Leiter, machen einen Schritt nach dem anderen", heißt es in einem der Youtube-Videos der Gang. Die Black Jackets arbeiten genauso wie Rocker mit Mythen. "Sie wollen sich ein Image der Stärke und Macht erarbeiten, um andere einzuschüchtern und so ihren Einflussbereich auszubauen. Das versuchen sie über Gewalt", sagt Dörnhöfer.

Bei einem großen Club in der Innenstadt, so ist von Discobetreibern zu hören, sollen die Mitglieder der Straßengang Druck gemacht haben, um künftig die Türsteher stellen zu dürfen. Bei anderen Clubs standen sie in ihren Kutten vor der Tür und zettelten Schlägereien an. "In einer Disco haben sie gefeiert und wollten dann einfach die riesige Zeche nicht bezahlen", sagt Gollwitzer. Manche Zeugen, die Ermittler zu den Fällen befragten, wollten aus Angst nichts sagen. "Da bekommt man als Polizei ein ungutes Gefühl", sagt Dörnhöfer.

Also haben die Fahnder gehandelt, bevor die Black Jackets glauben durften, dass sie mit ihrer Masche Erfolg haben. Dass sie hier Diskotheken und Nachtclubs kontrollieren könnten wie etwa in Hannover. Erst haben die Polizisten versucht, mit den Mitgliedern ins Gespräch zu kommen. "Gefährderansprache" nennt sich so eine Kontaktaufnahme. Im November etwa erfuhr die Polizei, dass die Black Jackets Unterstützer der Hells Angels angreifen wollten. Bevor die Mitglieder der Straßengang loszogen, stürmten 50 Beamte ihr Clublokal an der Lindwurmstraße und erklärten den Anführern, dass sie sich in Zukunft gefälligst unauffällig verhalten sollten. "Das haben sie aber offenbar nicht kapiert, weil sie weiter Ärger gemacht haben. Also haben wir ihnen nun richtig weh getan", sagt Gollwitzer. Der Ermittler meint eine Razzia im Februar, bei der neun Mitglieder der Black Jackets festgenommen wurden, die sich nun wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz und Drogendelikten verantworten müssen. "Seitdem ist Ruhe."

Die Black Jackets, heißt es bei der Polizei, sind ideologisch nicht zu vergleichen mit den Rockern. Bei Hells Angels und Bandidos dauert es Jahre, bis man vollwertiges Mitglied ist, die Anwärter müssen sich erst von "Hangarounds" über "Supporter" und "Prospects" mit Arbeiten für die Bosse zu sogenannten "Full Members" hocharbeiten. Rocker zu sein, ist eine Lebensentscheidung, Aussteiger gibt es nur sehr selten.

Die Straßengangs haben auch eine Hierarchie, aber keine solch ausgefeilten Aufnahmerituale. Wer Mitglied werden will, besorgt sich eine Kutte. Manche entscheiden sich schon wenig später, die Lederweste wieder auszuziehen. "Deshalb ist es für uns viel schwieriger als bei Rockern, den Überblick zu behalten", sagt Gollwitzer. Und deshalb war es der Polizei wichtig, schnell und hart zuzuschlagen, bevor sich die Black Jackets ausbreiten.

"Ehre" und "Respekt"

Rocker und Mitglieder von Straßengangs halten viel auf Werte wie "Ehre" und "Respekt", für die Ermittler ist es deshalb mitunter wichtig, in denselben Kategorien zu denken. "Wir haben uns über die Jahre einen gewissen Respekt in der Szene erarbeitet", sagt Dörnhöfer. Während in anderen Städten Rocker gar nicht mit der Polizei reden, gibt es in München wenigstens einen Minimaldialog. Manchmal bestellen die Fahnder die Bosse ein, wenn Ärger droht. "Alle Beteiligten wissen aber, dass wir nicht nur präventiv arbeiten, sondern auch repressiv." Das haben die Ermittler nicht nur mit der Razzia bei den Black Jackets gezeigt, das mussten sie im vergangenen Jahr auch den Hells Angels deutlich machen, als die den Bandido verprügelten. Nach der Festnahme der Schläger löste sich eines der beiden Münchner Charter des Rockerclubs auf. Die Mitglieder hatten Angst, dass ihre Gruppe wegen der Ermittlungen gegen ihre Kollegen verboten wird, diesem Schritt wollten sie zuvorkommen.

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Anfang April hatten sie einen Bandido bewusstlos geprügelt, nun wollen die Rocker offenbar einem Verbot entgehen: Die "Hells Angels Munich" haben sich aufgelöst. Die Polizei glaubt aber nicht, dass die Rocker deshalb aus der Stadt verschwinden - zumal ein Ableger der Gruppierung aktiv bleibt.

Von Florian Fuchs

"Das Problem ist, dass Rocker nicht einfach aufhören, Rocker zu sein, bloß weil ihr Club nicht mehr existiert", sagt Dörnhöfer. Die Ermittler wissen, dass die Freunde der festgenommenen Hells Angels weiter in der Stadt sind. Es kann gut sein, dass sie unter anderem Namen eine neue Vereinigung gründen. Genauso gut kann es sein, dass sich unter den Mitgliedern der Black Jackets eine neue Führungsriege herausbildet und die Straßengang dann noch einmal versucht, sich mit Gewalt einen Namen zu machen. Zudem ist noch überhaupt nicht klar, was eigentlich die United Tribuns vorhaben. Haben sich die Mitglieder wirklich nur zusammengetan, um sich schlagkräftig gegen die Black Jackets verteidigen zu können? Oder hat die neueste Straßengang Münchens vor, selbst Ärger zu machen?

"Wir sind auch gespannt, wie es jetzt weitergeht", sagt Gollwitzer. "Aber wir werden Rocker und Straßengangs natürlich weiterhin intensiv überwachen." Selbst wenn es nicht so ruhig bleiben sollte wie jetzt, kurz nach den Festnahmen bei Black Jackets und Hells Angels, die Ermittler machen sich zumindest keine Sorgen: Man werde auch weiterhin Mittel finden, um Rockern und Streetgangs Respekt abzunötigen.

© SZ vom 02.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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