Es gab eine Zeit, Boris Becker war gerade Wimbledon-Sieger geworden, da konnte man in Nürnberg an einem bestimmten Ort besonders gut beobachten, wie ein Sport plötzlich populär wurde. Ein merkwürdiger Ort war es, wo die Burschen mit ihren neuen Tennisschlägern trainierten: die Rückwand der Zeppelintribüne - jenes Gebäudes also, wo Adolf Hitler während der Reichsparteitage seine Reden an die Braunhemden gehalten hatte.
Adolf Hitler bei einer Rede auf der Haupttribüne des Reichsparteitagsgeländes im Jahre 1937
(Foto: SZ Photo/Scherl)In Nürnberg war und ist das Programm: An den Weihestätten der Nationalsozialisten soll nichts an jene pseudo-sakrale Aura erinnern, die den Bauten einst zugedacht war. Deswegen gleicht die Große Straße heute einer Meile für Autowäsche. Deswegen trainieren Skater mit Vorliebe vor der Zeppelintribüne. Und deshalb schien die Rückwand dieses monströsen Baus plötzlich wie geschaffen als Prallwand für Tennisbälle.
Inzwischen ist das nicht mehr möglich, was nicht daran liegt, dass die Stadt jungen Tennisspielern den Spaß nehmen wollte - oder gar abgekommen ist von ihrer Idee der Profanierung des NS-Erbes. Der Grund ist viel banaler: Wegen der Gefahr herunterstürzender Gesteinsbrocken musste die Rückwand der Tribüne weiträumig abgesperrt werden. Von seinen Ideologen war das NS-Reich zwar auf tausend Jahre angelegt - der Architektur der NS-Baumeister aber droht bereits nach 70 Jahren der totale Zerfall.
Das Innere des Bauwerks am Zeppelinfeld dürfen Besucher nur noch mit Sondergenehmigung besichtigen. Und Schilder warnen Besucher, das Betreten der Tribüne erfolge "auf eigene Gefahr". Das soll sich nun ändern: Am 7. Oktober wird Nürnbergs Stadtrat über ein Konzept abstimmen, das die Umwandlung der Tribüne in einen "Lernort" vorsieht. Voraussichtliche Kosten: 70 Millionen Euro.
Für Hans-Christian Täubrich, den Leiter des Nürnberger Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände, gäbe es Anlass zur Zufriedenheit. Vor zehn Jahren wurde des Dokuzentrum eingeweiht, damals rechneten Täubrich und sein Team mit 100.000 Besuchern pro Jahr - und es gab nicht wenige, die das für ausgesprochen optimistisch hielten.