München:Söder verschärft Maßnahmen gegen Corona: Huml versetzt

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Klaus Holetschek (CSU) spricht bei der Ankunft erster Impfstoff-Fläschchen. (Foto: Tobias Hase/dpa/Archivbild)

In der Erwartung steigender Infektionszahlen zieht Bayern die Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie noch einmal scharf an. Nachdem schon am Vortag nach...

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München (dpa/lby) - In der Erwartung steigender Infektionszahlen zieht Bayern die Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie noch einmal scharf an. Nachdem schon am Vortag nach der Konferenz der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekannt geworden war, dass alle Schulen bis Ende Januar geschlossen bleiben werden, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Mittwoch die Faschingsferien in Bayern ab.

Die Zahlen seien weiter alarmierend. „Alle zweieinhalb Minuten stirbt in Deutschland ein Mensch, in Bayern alle zwölf Minuten“, sagte Söder. Neben der Verlängerung des Lockdowns mit der Schließung von Gastronomie und vielen Geschäften gilt künftig auch ein 15-Kilometer Radius in Hotspots und weitere Kontaktbeschränkungen. Die Maßnahmen richteten sich gegen die beiden Haupttreiber der Pandemie: Kontakte und Mobilität, sagte Söder.

Auch in seiner Regierungsmannschaft zieht der Ministerpräsident Konsequenzen. Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) wird in die Staatskanzlei versetzt und soll dort als Europaministerin arbeiten. An ihre Stelle im Gesundheitsressort wird ihr bisheriger Staatssekretär Klaus Holetschek (CSU) treten. „Ich schätze die Melanie sehr“, sagte Söder. In der Gesamtbetrachtung sei aber eine Neuaufstellung sinnvoll gewesen. Huml hatte bereits im Sommer nach einer Panne bei Corona-Tests an Autobahnen ihren Rücktritt angeboten.

In den Schulen soll es künftig nur Notbetreuung geben - und zwar „für alle, die es brauchen“, sagte Söder. Kinder und Jugendliche sollen bis Ende Januar im Distanzunterricht lernen, wo dies möglich sei. Die für die Zeit vom 15. bis 19. Februar angesetzten Faschingsferien würden gestrichen. Es werde auch keinen Fasching geben, sagte Söder. Viel zu groß sei die Ansteckungsgefahr, nicht zuletzt auch durch eine neue, zunächst in Großbritannien entdeckte Mutation des Coronavirus.

Diese Form ist nach Angaben Söders inzwischen auch in Bayern nachgewiesen worden. Das Gesundheitsministerium habe ihn am Morgen über den Fall einer infizierten Reiserückkehrerin aus Großbritannien informiert. „Dieses mutierte Virus macht große Sorge, weil es aggressiver in der Verbreitung ist“, sagte Söder. Das mutierte Virus bedeute in der ohnehin angespannten Situation ein Zusatzrisiko. Erst nächste Woche könne abgesehen werden, wie sich die Reisetätigkeit über Weihnachten und Silvester auf die Corona-Infektionen ausgewirkt habe. Es gebe Sorge um die Reiserückkehrer.

Bayern übernahm deshalb auch den Vorschlag der Ministerpräsidentenkonferenz, in Gebieten mit mehr als 200 Neuinfektionen binnen sieben Tagen pro 100 000 Einwohner den Aktionsradius der Menschen auf 15 Kilometer zu beschränken. Dies gelte nicht, wenn triftige Gründe vorlägen, stellte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) klar. Ein triftiger Grund sei etwa eine Fahrt zum Einkaufen, nicht aber ein touristischer Tagesausflug in den Schnee.

Ferner dürften sich die Menschen untereinander nicht mehr in der bisherigen Form treffen. Man gehe stattdessen im Wesentlichen auf die Regelungen des ersten Lockdowns aus dem Frühjahr vergangenen Jahres zurück: Treffen seien nur noch mit einer Person möglich, die nicht im eigenen Haushalt lebt. Kinder unter 14 Jahren zählen jetzt mit. Bisher hatte die Regelung gegolten: Maximal fünf Personen, Kinder wurden nicht mitgezählt. Die neue Regelung zielt vor allem darauf ab, Angehörigen-Besuche bei Senioren weiterhin zu ermöglichen.

Als Ausnahme gilt die Kinderbetreuung: Familien können sich künftig eine feste weitere Familie aussuchen, mit der sie sich bei der Kinderbetreuung abwechseln, falls dies nötig ist. Alle Neuregelungen sollen von Montag an gelten.

Dazu zählt auch eine gewisse Lockerung für den Handel: Das Prinzip „Click&Collect“, also das Online-Bestellen von Waren, die dann persönlich im Geschäft des Einzelhändlers abgeholt werden, wird ausdrücklich erlaubt. „Das ist für viele Händler, gerade auch für den kleineren Einzelhandel, vielleicht der letzte Strohhalm“, sagte Aiwanger. In anderen Bundesländern war der Service bislang schon erlaubt. Bayern hatte davon bislang aber aus Angst vor Kundenansammlungen vor den Geschäften Abstand genommen.

Die Corona-Hilfen für den November sollen Betrieben vom 12. Januar an ausgezahlt werden. „Die Zusage scheint belastbar zu sein, ab 12. Januar könnte es laufen“, so der Wirtschaftsminister. Bislang fehle noch die nötige Abwicklungssoftware für die Novemberhilfe. Bei vielen Betrieben sei „die Substanz zunehmend angegriffen“, betonte Aiwanger. Darum sei es wichtig, die Überbrückungshilfen so schnell wie möglich auszahlen zu können.

Als „einzige echte Langzeitstrategie“ im Kampf gegen das Virus bezeichnete Söder das Impfen. Deshalb müsse bei der Versorgung mit Impfstoff mehr Planungssicherheit geben. In den 99 Impfzentren und von den von dort losgeschickten mobilen Teams werde „geimpft, was geht“, sagte Söder. Es müsse aber auch die Impfbereitschaft noch erhöht werden - er schlägt dazu eine Kampagne auch mit Prominenten vor. Bisherige Erfahrungen aus Pflegeheimen hätten gezeigt, dass die Impfbereitschaft bei den Heimbewohnern groß ist, bei den Pflegekräften aber Zurückhaltung herrsche.

Von der Opposition kam erwartungsgemäß Kritik an den Entscheidungen des Kabinetts. „Wir wissen noch nicht, wie sich die Feiertage auf das Infektionsgeschehen ausgewirkt haben, deshalb käme eine Lockerung des Lockdowns jetzt zu früh“, sagte der FDP-Fraktionschef im Landtag, Martin Hagen. „Genauso falsch ist es aber, auf Grundlage dieser dünnen Datenlage Verschärfungen zu beschließen.“ Grundrechtseinschränkungen nach Bauchgefühl seien nicht akzeptabel.

Ihm fehle eine Ansage an die Unternehmen, die Präsenzpflicht von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu reduzieren, sagte Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. „Im Privaten können viele ihre Kontakte kaum weiter reduzieren.“ Daher sei zu begrüßen, dass die Corona-Maßnahmen, was Kinder und auch alleinlebende Erwachsene betreffe, dieses Mal menschlicher ausgefallen seien.

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