Oberlandesgericht:Brüder nach geplantem islamistischen Anschlag verurteilt

Lesezeit: 3 min

Die angeklagten syrischen Brüder (3.v.l und r) sitzen zu Beginn des Prozesses neben ihren Anwälten im Sitzungssaal im Strafjustizgebäude. (Foto: Marcus Brandt/dpa-POOL/dpa)

Bilder von Koranverbrennungen in Schweden empören ihn. Aus Rache plant ein Mann einen Anschlag - mit Hilfe seines jüngeren Bruders, der in Bayern lebt. Nun wurden beide in Hamburg verurteilt.

Von Rabea Gruber, dpa

Hamburg (dpa) - Dem Plan fehlte es noch an Details - doch die Idee erschüttert: Mit einem Sprengstoffgürtel wollte ein 29-Jähriger möglichst viele Besucher einer schwedischen Kirche töten. Kurz nach der Explosion sollte ein zweiter Sprengsatz hochgehen, gezündet vom jüngeren Bruder des Mannes. So wären auch Ersthelfer und Sicherheitskräfte in dem Gotteshaus zu Tode gekommen.

Von einem „in besonderer Weise verwerflichen“ Anschlagsplan sprach der Vorsitzende Richter Norbert Sakutham Dienstag vor dem Oberlandesgericht in Hamburg. Wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sowie wegen Terrorismusfinanzierung wurde der 29-jährige Syrer zu vier Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Sein jüngerer Bruder, der in Bayern lebt, bekam wegen Beihilfe zur Terrorismusfinanzierung ein Jahr Haft auf Bewährung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Hintergrund des geplanten Anschlags waren Koranverbrennungen

Der ältere, in Hamburg lebende Mann hatte sich nach Überzeugung des Gerichts spätestens im Frühjahr dieses Jahres zu einem Anschlag mit einem Sprengstoffgürtel entschieden. Er hatte bereits verschiedene Materialien für die Herstellung bestellt, etwa Harnstoffdünger und Zitronensäure.

Als mögliche Anschlagsziele habe der Angeklagte zunächst Sicherheitsbehörden oder einen Ort mit Bars oder Diskotheken in der Nähe im Auge gehabt. Über einen Messengerdienst habe er Kontakt zu einer Person unterhalten, die sich unter dem Pseudonym „Emir“ als Kontaktperson des Islamischen Staats (IS) dargestellt habe. In Chats mit dieser Person sei dann eine Kirche in Schweden als Ziel in den Fokus gerückt.

Hintergrund seien die Koran-Verbrennungen in dem skandinavischen Land gewesen. Der Anschlag habe eine Racheaktion sein sollen. Ein genaues Gotteshaus und ein Zeitpunkt hätten noch nicht festgestanden.

Bei der Bestellung der Materialien half laut Ausführung des Richters der jüngere Bruder. Dabei ging es insbesondere um den Harnstoffdünger, der nach einer gescheiterten Zustellung erneut bestellt werden musste. Der in Kempten im Allgäu lebende Mann habe selbst aber keine dschihadistisch-islamistische Weltanschauung, sagte der Richter.

Integration gelang den Brüdern nicht gleichermaßen

Im Gerichtssaal sahen sich die Brüder kaum an. Der Ältere, im karierten Hemd und mit ordentlich gestutztem Vollbart, blickte meist aufmerksam zu seinem Dolmetscher. Nur ab und zu huschte sein Blick zu seinem Bruder, einem 24-Jährigen mit jugendlichem Gesicht und langen Haaren. Bei der Urteilsbegründung wurden auch die unterschiedlichen Lebensläufe der beiden Männer zum Thema.

Wegen des Bürgerkriegs in Syrien seien die Brüder 2015 nach Deutschland gekommen, aber nicht gemeinsam, führte der Richter aus. Im Allgäu habe sich der damals noch minderjährige Bruder schnell integriert, Deutsch gelernt und erfolgreich die Schule abgeschlossen. „Eine vergleichbare Integration gelang dem älteren Bruder nicht.“ Als er wegen Alkohol- und Drogenkonsums seinen Führerschein und damit auch eine Jobperspektive verlor, habe er sich von seiner Umwelt isoliert und immer intensiver dem Islam zugewandt.

Zwischen den Brüdern habe während ihrer ersten Jahre in Deutschland kaum Kontakt bestanden. Da sich die Mutter aber um den Älteren sorgte, habe sie den Jüngeren gebeten, mit ihm zu sprechen.

Über Chats und Telefonate habe der 29-Jährige seine radikalislamistischen Ideen mit dem Bruder geteilt. Dass der Ältere einen Anschlag plante, habe der 24-Jährige nach Überzeugung des Gerichts gewusst, betonte Sakuth. Das konkrete Ziel für einen Anschlag habe er aber nicht gekannt, und er habe den Anschlagsplänen selbst auch ablehnend gegenüber gestanden, sagte der Richter weiter. Eine Fahrt nach Hamburg habe er immer wieder hinausgezögert, in der Hoffnung, der Bruder werde den Plan selbst verwerfen.

Plan war noch nicht weit fortgeschritten

In Bezug auf den Strafbestand der Terrorismusfinanzierung beziehungsweise Beihilfe dazu sei vom Gericht ein gemilderter Strafrahmen angelegt worden, sagte Sakuth. Dies sei durch die „geringwertigen Vermögenswerte“ der gekauften Materialien von unter 50 Euro gegeben.

Strafmildernd habe die Kammer ferner berücksichtigt, dass der 29-Jährige die Pläne gestanden habe und die Vorbereitungen noch nicht weit fortgeschritten gewesen seien. Strafschärfend wirke dagegen neben der Verwerflichkeit des geplanten Anschlags auch die Tatsache, dass er seinen Bruder in das Vorhaben verstrickt habe.

Dem 24-Jährigen sei sein Teilgeständnis ebenfalls zugerechnet worden. Auch handele es sich bei seiner Tat um einen Hilfebeitrag von nicht erheblichem Gewicht.

© dpa-infocom, dpa:231218-99-342321/6

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: