Prozess:Tödlicher Drogenrausch

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24-Jähriger muss sich wegen Mordes vor Gericht verantworten. Er hat auf eine Party eine Flasche mit K.-o.-Tropfen mitgebracht - ein Gast starb

Von Olaf Przybilla, Bamberg

Niklas B. bittet erst mal darum, sich an die Eltern des Opfers wenden zu dürfen. Er habe ihnen schon schreiben wollen, sagt der 24-Jährige. Aber es gebe eigentlich keine Worte dafür, die beschreiben könnten, was er getan hat und wie sehr ihm das leidtue. Er wagt einen Blick zur Seite, wo die Eltern des 27-Jährigen sitzen, der an Heiligabend 2014 gestorben ist, nachdem er hoch konzentrierte K.-o.-Tropfen des Angeklagten zu sich genommen hat. Die Eltern ringen um Fassung.

Wenn es eine Möglichkeit geben würde, den Abend noch mal von vorn zu beginnen, "und das Zeug einfach wegzuschütten", er würde viel dafür geben, sagt er. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Kaufmann in Ausbildung vor, am Abend des 19. Dezember 2014 nach einer Kneipentour durch Bamberg in den frühen Morgenstunden noch mit in die Wohnung seines späteren Opfers gegangen zu sein. Dort soll er eine Halbliterflasche auf den Tisch der Wohngemeinschaft gestellt haben, gefüllt mit hoch konzentriertem Liquid Ecstasy. Das wirkt euphorisierend in geringen Dosen. In hohen Dosen kann es tödlich sein. Ein 24-Jähriger und ein 27-Jähriger tranken davon. Der jüngere von beiden konnte nach Atemnot und Bewusstlosigkeit gerettet werden. Der andere starb fünf Tage später.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte nur vereinzelt Gäste der Spontanfeier aufmerksam gemacht hat, was in der Flasche ist. Und er soll beobachtet haben, wie die beiden von der Flasche mit den unverdünnten Drogen tranken. Und wahrgenommen haben, wie die beiden das Bewusstsein verloren. Trotzdem soll er keinen Arzt verständigt haben. Das tat später erst ein anderer Bewohner der Wohngemeinschaft, der nach fünf Uhr früh nach Hause kam. Er nahm wahr, wie die beiden bewusstlos am Boden lagen und blau anliefen. Bei einem von beiden konnte ein Atemstillstand verhindert werden. Für den anderen kam die Hilfe zu spät.

Wegen Mordes und versuchten Mordes "durch Unterlassen aus niedrigen Beweggründen" muss sich der 24-Jährige am Landgericht Bamberg verantworten. Er war selbst lange drogenabhängig und hatte mit einer Therapie versucht, seine Sucht zu überwinden. Die Leute, mit denen er fünf Tage vor Heiligabend unterwegs war, will er nur oberflächlich gekannt haben. Namen? "Klingt blöd, aber ich hab' es nicht so mit Namen" sagt er. Er habe sich mit "Ey" oder Ähnlichem verständigt an dem Abend und habe einfach nur was erleben wollen nach einem Arbeitstag als Auszubildender in einem Geschäft für Musikinstrumente. Er habe sich einer Gruppe von zehn bis 15 Leuten angeschlossen.

Dass er den Zustand der beiden Gäste, die aus der Flasche getrunken hatten, ignoriert hätte, bestreitet er. Im Gegenteil: Er habe das wahrgenommen, dass da jemand trank. Und er habe sich schon kümmern wollen. Weil aber die beiden irgendwann am Boden lagen, in stabiler Seitenlage, und andere Gäste sich über ihn aufgeregt hätten, habe er nichts unternehmen können. Jemand soll auch das Zimmer zu den beiden Bewusstlosen geschlossen und ihm signalisiert haben, man habe alles im Griff. Die beiden seien auf dem Weg der Besserung. Nur deshalb habe er die Wohnung verlassen, wo zu dem Zeitpunkt eine "erregte Stimmung" herrschte. Im Übrigen habe er "Filmrisse", was den Abend betrifft, er habe da viel Speed zu sich genommen.

Der Richter macht den Angeklagten darauf aufmerksam, dass er bei der Polizei angegeben habe, wenig Drogen zu sich genommen zu haben in der Nacht. "Ja, ich wollte da nicht wie ein richtiger Junkie wirken", sagt er. Ob die Flasche mit dem Schriftzug "Do not drink" von ihm sei, fragt der Richter. Er müsse zugeben, antwortet der 24-Jährige, dass er das nicht auf die Flasche geschrieben habe. Wer es war, ob es nachträglich draufgeschrieben wurde, wisse er nicht. Bei der polizeilichen Vernehmung habe er einen Grund angegeben, keinen Notarzt zu alarmieren. "Wenn die Bullen mitkommen, hab' ich ein Problem", habe er da gesagt, hält der Richter ihm vor. Das will er so nicht gesagt haben. Er habe bei der Polizei vieles gesagt, was nicht ganz den Tatsachen entspreche, sagt der Angeklagte. Zumeist aus dem Grund, sich in einem besseren Licht darzustellen.

Niklas B. stammt aus akademischem Elternhaus, er ist eloquent, wirkt reflektiert. Mit der eigenen Karriere sei es schwierig gewesen, berichtet er. Nach mäßigem Realschulabschluss musste er mehrere Versuche abbrechen, irgendwo Fuß zu fassen. "Bis 2012 war Ihr Leben keine Erfolgsstory", sagt der Richter. Der 24-Jährige widerspricht nicht. Die Malaise sei wohl einer der Gründe gewesen, das Glück in Drogen zu suchen. Sie hätten ihn redefreudig und empathisch gemacht. Für den Prozess sind drei Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil wird für den 9. Dezember erwartet.

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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