Proteste gegen "Die Rechte":Rosenheim bleibt nazifrei

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Demonstranten protestieren gegen die Kundgebung der Nazi-Partei "Die Rechte" in Rosenheim. (Foto: dpa)

Zum Beginn des Herbstfests wollte die Partei "Die Rechte" in Rosenheim demonstrieren. Hunderte Bürger verhindern, dass die Neonazis den Bahnhof verlassen können - und feiern eine bunte Party.

Von Anna Günther, Rosenheim

Etwa 1000 Rosenheimer haben am Samstag in der Innenstadt gegen eine Kundgebung der Partei "Die Rechte" demonstriert. Etwa 40 Demonstranten, darunter auch der Neonazi Philipp Hasselbach, waren zur Kundgebung der rechtsextremen Partei "Die Rechte" nach Rosenheim gekommen. Sie versammelten sich in der Mittagshitze am Bahnhof, standen um ein Auto mit Boxen herum, wetterten gegen die Asylpolitik der Bundesregierung und hielten Plakate mit fremdenfeindlichen Sprüchen hoch.

Fast eineinhalb Stunden später als geplant eröffneten die Organisatoren die rechte Kundgebung - und wurden prompt ausgepfiffen und niedergebrüllt. Rufe wie "Nazis raus!" und "Nehmt's den Nazis die Bayernfahne weg", schallte über den Bahnhofsplatz. Dutzende Bundespolizisten in dunklen, gepanzerten Uniformen trennten die Neonazis von den Gegendemonstranten.

In zwei Ringen blockierten etwa 300 Rosenheimer und ein paar linke Aktivisten die Neonazis am Bahnhof, das Grüppchen von "Die Rechte" konnte nicht wie geplant durch die Innenstadt zum Salinplatz ziehen. Sie schafften es nur wenige Meter auf die andere Seite des Bahnhofs und wurden wieder von Rosenheimern und Aktivisten mit Rufen und Gesängen blockiert. Gegen 15.30 Uhr leitete die Polizei die Gruppe zurück zum Bahnhof, die Organisatoren der Kundgebung brachen die Veranstaltung ab.

50 Parteien, Gruppen und Verbände gründen "Rosenheim nazifrei"

Im Salingarten herrschte derweil entspanntes Woodstock-Flair. Einige hundert Rosenheimer saßen auf der Wiese im Schatten, Kinder und Hunde tollten umher. Bunte Fahnen wehten im Wind und vor der Bühne der Gegendemonstranten vom Bündnis "Rosenheim nazifrei" klatschten Bürger in Tracht neben Alt-Linken und jugendlichen Dreadlock-Trägern.

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Sie wollten direkt vor dem Ankunftszentrum für Flüchtlinge gegen "Asylmissbrauch" demonstrieren - doch zur angemeldeten Kundgebung erschien kein einziger Pegida-Sympathisant.

Der Charakter des Familienfestes schien vom nahen Herbstfest übergeschwappt zu sein. Fast jeden Satz der Redner quittieren die Leute mit Jubeln, Klatschen und Trillerpfeifen. "Wir wollen bunt, und keinesfalls braun und blöd sein", sagte die Rosenheimer verdi-Gewerkschafterin Ingrid Meindl-Winkler.

Auch die Eltern und Großeltern vieler Rosenheimer seien einst als Flüchtlinge gekommen, hätten in zugewiesenen Quartieren gelebt und sich langsam eine neue Existenz aufgebaut. "Wir müssen und wollen offen sein, irgendwann werden die Flüchtlinge unsere Freunde und Nachbarn sein", sagte Meindl-Winkler. Auch die Wirtschaft brauche neue Fachkräfte und viele der Asylsuchenden seien bestens ausgebildet. Im Salingarten widersprach ihr da niemand.

Um ein Zeichen gegen rechts zu setzen, hatten sich erstmals in der Geschichte der Stadt mehr als 50 Parteien, Verbände und Gruppen zu dem Bündnis zusammengetan. "Rosenheim nazifrei" will bunt sein und "den Nazis die Wies'n vermiesen". Die Kundgebung der Partei "Die Rechte" fiel auf den gleichen Tag wie auch die Eröffnung des örtlichen Herbstfestes.

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Für die Kundgebung der Partei "Die Rechte" in Rosenheim haben sich 160 Teilnehmer angekündigt. Es wird wohl ihre erste Großveranstaltung sein. Im nahen Bad Aibling erhalten Flüchtlingshelfer Drohbriefe.

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"Die Rechte" hatte ihren ersten bayerischen Kreisverband am 20. April 2014, Hitlers Geburtstag, in München gegründet. Seit diesem Mai hat die Partei, deren Mitglieder laut Verfassungsschutz zum Großteil aus der Neonazi-Szene kommen, auch einen Kreisverband in Rosenheim.

Nur kleine Schubsereien und Rangeleien

Bei "Rosenheim nazifrei" macht sogar die CSU mit: "Und Sie wissen ja, wir gehen sonst nie zu Kundgebungen anderer Parteien", wie der Landtagsabgeordnete Klaus Stöttner sagt. An diesem Tag galten offenbar andere Regeln. Rosenheim stehe geschlossen gegen Rechtsradikale, die hätten in der Stadt keine Chance. Stöttner appellierte an die Bevölkerung, auch wenn sie Sorgen hätten, sich nicht von dunklen Parolen täuschen zu lassen.

Demo und Gegendemo seien vergleichsweise ruhig verlaufen, sagte Stefan Sonntag, der Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd. Steine oder Flaschen wurden keine geworfen, nur kleinere Schubsereien und Rangeleien habe es gegeben; zudem eine Gewahrsamnahme und eine Festnahme aus dem linken Lager. Man habe alle Polizisten zusammengezogen, die zu bekommen waren. Das reichte zwar, um den Zug zu begleiten, aber gegen die Blockaden durch die linke Szene und aufgebrachte Rosenheimer schien die Polizei machtlos zu sein.

Auch die kleine Gruppe Neonazis überlegte es sich eine halbe Stunde nach dem Abbruch der Kundgebung noch einmal anders und lief zurück auf den Bahnhofsplatz. Doch auch dieses Mal war an dieser Stelle Schluss - es ertönten Gesänge, Pfiffe und Schlachtrufe der Gegendemonstranten, die klar machen wollten: Rosenheim bleibt nazifrei.

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