Peter Gauweiler und Wilfried Scharnagl:CSU-Oldies im Wahlkampfmodus

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Gauweiler auf einem CSU-Parteitag 2011. Nun macht er gemeinsam mit Scharnagl Wahlkampf für seine Partei. (Foto: Reuters)

Sie wirken wie Statler und Waldorf, die lästernden Senioren aus der Muppet-Show: Ausgerechnet die CSU-Oldies Peter Gauweiler und Wilfried Scharnagl sollen die Zukunft des Freistaats entwerfen. Sie greifen Berlin und Brüssel an - und stauchen Parteikollegen zusammen.

Von Stefan Mayr

Stell dir vor, es ist Wahlkampf, und drei Monate vor dem großen Tag beginnt der erste Redner erst einmal damit, seine Parteikollegen zusammenzustauchen. Gibt es nicht? Bei der Augsburger CSU und bei Wilfried Scharnagl schon. "Lasst diesen Schmarrn endlich sein!", ruft der Journalist und Parteiveteran den etwa 200 Zuhörern zu. "Wenn ihr schon unbedingt streiten müsst, dann bitte mit dem politischen Gegner und nicht in den eigenen Reihen."

Die Zuhörer im prächtigen Saal des Gögginger Kurhauses applaudieren und rufen Bravo. "Bayern zuerst. Reden über das eigene Land" heißt die Veranstaltungsreihe, bei der Scharnagl, 75, und der Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler, 63, in zehn bayerischen Städten über ihre Partei und ihren Freistaat sprechen. Die Premiere am Donnerstag war allerdings überschattet von der Krise im CSU-Bezirksverband Augsburg, die zuletzt mit der Leserbrief-Affäre einen neuen Tiefpunkt erreichte. Dies allerdings machte den Abend noch kurzweiliger.

Scharnagl spricht zuerst eben nicht über Bayern, sondern über die Zustände seiner Partei in der schwäbischen Bezirkshauptstadt. Er wäre ja viel lieber mit dem Rückenwind von Medienberichten über eine kraftvolle CSU hier aufgetreten, sagt er. Aber stattdessen habe er "mit Tränen in den Augen" lesen müssen, dass der Landtagsabgeordnete Bernd Kränzle und der Kreisvorsitzende Rolf von Hohenhau eine Rentnerin wegen eines kritischen Leserbriefes abmahnten und zu einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zwingen wollten.

Die Zuhörer staunen über die deutlichen Worte. Und Scharnagl macht munter weiter. Er spricht von den "zwei Rentnerinnen-Verfolgern" und appelliert: "Kümmert euch um ein ordentliches Miteinander, wir stehen vor einem dramatischen Doppel-Wahljahr." Wieder bekommt er dröhnenden Applaus.

Die bösen Feinde Bayerns sitzen in Berlin und Brüssel

Scharnagl und Gauweiler. Auf den Plakaten für die Veranstaltung sehen sie aus wie Statler und Waldorf, die zwei lästernden Senioren vom Balkon der Muppetshow. Doch wenn sie nebeneinander in ihren Talk-Sesseln sitzen und abwechselnd Fragen aus dem Publikum beantworten, dann erinnern sie eher an Winnetou und Old Shatterhand: zwei nicht mehr ganz so junge, aber überaus vitale Blutsbrüder im Kampf gegen die bösen Feinde Bayerns aus Berlin und Brüssel.

Als Gauweiler 2011 für das Amt des stellvertretenden CSU-Vorsitzenden kandidierte und knapp verlor, versprach Parteichef Horst Seehofer, ihn künftig mehr einzubinden. Er richtete die "Arbeitsgruppe Bayern zuerst" ein, der neben Scharnagl und Gauweiler auch Generalsekretär Alexander Dobrindt angehören darf. Ihre Mission: Abteilung Attacke. Als Gegengewicht zu Piraten, AfD-lern und anderen Euro-Skeptikern die Wählerstimmen am rechtskonservativen Rand einsammeln. Während Seehofer Facebook-Partys schmeißt, wollen die alten Hasen dem betagteren Publikum, das sich Sorgen macht wegen Globalisierung und Euro-Krise, "Mut zusprechen". So formulieren sie es in Augsburg selbst.

"Es geht um die Sicherung der Bastion Bayern", tönt Scharnagl. Er war einst Vertrauter des Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß und Chefredakteur des Bayernkurier. Kürzlich veröffentlichte er das Buch "Bayern kann es auch alleine", in dem er mehr oder weniger die Unabhängigkeit des Freistaats fordert. In Augsburg spricht er diesen Wunsch nicht direkt aus. Aber er fordert "mehr Eigenständigkeit und Eigenstaatlichkeit".

Er bezeichnet den Länderfinanzausgleich als "Skandal" und kritisiert, dass der Föderalismus der Bundesrepublik "aus dem Lot" geraten sei: "Der Einfluss des Bundes wird immer größer, die Länder werden immer schwächer." Hier müssten die Bayern "wachsam sein, auch gegen die Schwesterpartei CDU", die sich "manchmal leider auch auf einen Irrweg" begebe. "Berlin ist schon schlimm", ruft er, "aber Berlin und Brüssel sind unerträglich." Applaus. "Brüssel geht die Wasserversorgung in Bayern einen Dreck an." Bravo-Rufe.

In Augsburg sei "ja Gott sei Danke nie was los", lästert Gauweiler

Gauweiler kommt direkt aus Karlsruhe, zuvor war er beim Bundesverfassungsgericht, wo er gegen die Euro-Rettungspläne der Europäischen Zentralbank klagt. Sein Hemd hängt vorne aus der Hose heraus. Macht aber nichts, wer so leidenschaftlich für die Rettung des Abendlandes und das Mitspracherecht seiner Bürger kämpft, dem wird das verziehen. Ansonsten sitzt alles, jeder Satz trifft ins Schwarze.

Natürlich wettert er über die EZB, doch seine Kernbotschaft lautet: "Die CSU ist das regionale Gegengewicht zur globalisierten Welt." Wer die Eigenständigkeit nicht aufgeben will, muss CSU wählen. An die Adresse der Newcomer-Partei AfD sagt er: "Die Euro-Kritiker haben in vielem recht, aber das ist ja nicht das einzige Thema."

Das Thema Verwandtenaffäre umkurven die beiden Partei-Veteranen weiträumig. Gauweiler streift auch die Affären der Augsburger CSU nur am Rande. "Da ist ja Gott sei Dank nie was los", stellt er ironisch fest - sehr zum Gaudium des Publikums.

Die "Rentnerinnen-Verfolger" Kränzle und Hohenhau sind nicht anwesend, auch Oberbürgermeister Kurt Gribl fehlt. Augsburgs CSU-Bezirkschef Johannes Hintersberger hat einen schweren Stand, als er in seiner Begrüßung "diese Leserbrief-Geschichte" anspricht. Große Unruhe im Publikum, Buh-Rufe. "Das ist nicht akzeptabel", ruft einer. Hintersberger erzählt, seine zwei Kollegen hätten sich entschuldigt, und Parteichef Horst Seehofer habe das Thema damit für "erledigt" erklärt.

Höhnisches Gelächter im Saal. Hintersberger versucht zu retten, was zu retten ist. Und macht es noch schlimmer: Er behauptet, Kränzle und Hohenhau hätten aus ihrem Fehler gelernt. Jetzt verstärken sich Spott und Unmut im Publikum zu einer vergifteten Eruption. Applaus spendet niemand.

© SZ vom 15.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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