Passau:Abschreckung im Akkord

Lesezeit: 2 min

Die Bundespolizei kontrolliert bei Passau wieder die Papiere der Autofahrer. (Foto: REUTERS)

Bundespolizisten kontrollieren vor der Grenzstadt Passau Papiere und Ladeflächen: Bereits nach wenigen Stunden haben sie zahlreiche Flüchtlinge und Schleuser gestoppt.

Report von Andreas Glas, Passau

Eine Polizistin winkt, ein weißer Kastenwagen schert aus, hält auf dem Rastplatz. Marion Schramm zeigt ihren Ausweis, dann öffnet sie die Tür zum Frachtraum. Drei Augenpaare schauen raus, es sind eisblaue Augen, drei Huskys in drei großen Zwingern. "Alle legal", sagt Marion Schramm, "alle EU-Bürger". Die Polizistin gibt ihr den Ausweis zurück, Marion Schramm darf weiterfahren. Sie war auf einem Windhundrennen in Österreich, drei Stunden hat sie im Stau gestanden. Sie sagt, sie nehme das locker. Dann steigt sie ein, lässt den Motor an und fährt zurück auf die Autobahn.

Die Abschreckung scheint zu funktionieren

Es ist Montagmittag und es ist ruhiger geworden an der Autobahnraststätte Rottal-Ost, kurz hinter der deutsch-österreichischen Grenze, kurz vor der Grenzstadt Passau. Seit 16 Stunden wird wieder kontrolliert, wer nach Deutschland einreist. Seit 16 Stunden stockt der Verkehr bis weit nach Österreich hinein, zwischenzeitlich waren es fast 20 Kilometer Stau. Etwa 50 Bundespolizisten in gelben Warnwesten waren über Nacht im Einsatz, haben Autos und Kleintransporter von der Autobahn gewunken, haben sich im Akkord Papiere und Ladeflächen angeschaut. Mit Erfolg, sagt die Polizei. Bis 6 Uhr früh seien 60 Flüchtlinge und 30 Schleuser gestoppt worden - danach nur noch ein einziger. Die Abschreckung scheint zu funktionieren, die Schleuser scheuen die Kontrollen. Mittags steht nur noch ein Dutzend Polizisten am Rastplatz, nur noch ein, zwei Autos werden pro Minute aus dem Verkehr gezogen.

Flüchtlinge
:Grenzerfahrung in Freilassing

Züge haben Stunden Verspätung. Innerhalb kürzester Zeit sammeln sich Hunderte Flüchtlinge in dem bayerischen Grenzort. Wo und wie lange sie hier bleiben können, ist unklar.

Reportage von Nadia Pantel, Freilassing

Vom nächtlichen Hochbetrieb zeugen bloß noch die Schleuserautos, die hinter einem rot-weißen Absperrband in den Parkbuchten stehen, genau 17 Pkw mit ungarischen, bulgarischen, schwedischen Kennzeichen.

Autofahrer reagieren gelassen auf die Kontrollen

"Wir schauen, dass der Verkehrsfluss so wenig wie möglich beeinflusst wird", sagt Thomas Schweikl, der Sprecher der Freyunger Bundespolizei. Man kontrolliere "auf Sicht", inzwischen werden nur noch die besonders verdächtigen Fahrzeuge von der Straße gelotst. Nicht nur hier an der Autobahn, auch an den kleineren Grenzübergängen in Neuburg am Inn oder in Obernberg bei Bad Füssing gibt es stichprobenartige Kontrollen. Etwa 60 Bundespolizisten sind im Einsatz, viele von ihnen sind erst am Vorabend aus anderen Bundesländern nach Passau gekommen. "Wir arbeiten in zwei Schichten im 24-Stunden-Rhythmus", sagt Polizeisprecher Schweikl.

Trotz des kilometerlangen Staus herrscht Gelassenheit bei den meisten Autofahrern. "Schön, dass ihr da seid", sagt der Fahrer eines Kleintransporters, als die Polizisten ihn bitten, die Tür zum Laderaum zu öffnen. Er findet, die Grenzkontrollen seien das einzige Mittel, um den Schleusern das Handwerk zu legen. Auch Josef Strerath sagt: "Deutschland tut viel und das ist auch gut so. Aber irgendwo muss es ja aufhören." Strerath handelt mit Backzubehör, er und sein Beifahrer kommen gerade von einer Tortenmesse in Wien. "Wir waren schlau, von der Autobahn sind wir in Obernberg runter", also schon in Österreich, etwa 40 Kilometer vor Passau. Kontrolliert worden seien sie trotzdem, gleich dreimal. "Das war uns klar mit dem Transporter", sagt Strerath, "wir haben schon freiwillig den Blinker gesetzt, bevor die uns rausgewunken haben".

Und selbst die Mehrzahl der Pendler regt sich nicht auf über die Grenzkontrollen. "Ein bisschen nervig ist es schon", sagt ein Zeitungskurier mit gelbem Baseball-Cap, "aber wenn ich jammere, ändert sich auch nichts". Er pendelt dreimal die Woche über die deutsch-österreichische Grenze, an diesem Montag ist auch er 40 Kilometer vor dem Grenzübergang von der Autobahn abgefahren, hat sich von seinem Navigationsgerät über die Dorfer lotsen lassen. Er wird sich an diesen Umweg gewöhnen müssen, die Kontrollen sollen auf unbestimmte Zeit weitergehen.

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Sondertreffen der EU-Innenminister
:Warum so erbittert über die Flüchtlingsquote gestritten wird

160 000 Flüchtlinge will die EU-Kommission nach einem festen Schlüssel verteilen, heute beraten Europas Innenminister. Die deutschen Grenzkontrollen könnten Bewegung bringen.

Von Paul Munzinger und Markus C. Schulte von Drach

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: