Parteitag:CSU soll über Anti-Merkel-Antrag abstimmen

Lesezeit: 2 min

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist wegen ihrer Flüchtlingspolitik anhaltender Kritik vor allem von Seiten der CSU ausgesetzt. (Foto: dpa)
  • Der stellvertretende Vorsitzende der CSU Main-Spessart, Thomas Schmitt, will den CSU-Bundestagsabgeordneten per Parteitagsbeschluss empfehlen, gegen eine Wiederwahl Angela Merkels zu stimmen.
  • In seinem Antrag wirft er der Bundeskanzlerin "nachhaltige und wiederholte Fehlentscheidungen" in der Asylpolitik vor.
  • Die CSU-Parteispitze lehnt den Antrag ab - allerdings erstaunlich hasenfüßig.

Von Robert Roßmann

520 Seiten ist das Antragsbuch für den morgen beginnenden CSU-Parteitag dick. In dem Wälzer geht es neben den großen Fragen auch um die Ferkelkastration, die Zahl der Schüler-Besuche in Freilandmuseen und um die "Erhöhung der Anzahl der stellvertretenden Vorsitzenden" in den Gemeindeversammlungen. Als Volkspartei kümmert sich die CSU gerne um alle Dinge des Lebens. Der für diesen Parteitag bezeichnendste Antrag versteckt sich aber auf Seite 472.

Unter der Nummer L6 wird dort gefordert: "Keine CSU-Unterstützung für eine Wiederwahl von Dr. Angela Merkel zur Bundeskanzlerin". Antragsteller ist der stellvertretende Vorsitzende der CSU Main-Spessart, Thomas Schmitt. Der Mann will den CSU-Abgeordneten per Parteitagsbeschluss empfehlen, nach der Bundestagswahl 2017 bei der Kanzlerwahl "bei einem Wahlvorschlag Dr. Angela Merkel mit Nein zu stimmen".

Schmitts Antrag ist damit der deutlichste Ausdruck der immer noch enormen Vorbehalte in Teilen der CSU gegen die Kanzlerin. Wie groß die Verspannungen zwischen CSU und CDU noch immer sind, wird schon dadurch offensichtlich, dass die Kanzlerin zum ersten Mal in ihrer Amtszeit nicht zu einem CSU-Parteitag kommt.

Unionsparteien
:Erster CSU-Parteitag ohne Merkel seit 16 Jahren

Horst Seehofer bestätigt die Absage und beschwört Rot-Rot-Grün als gemeinsamen Gegner der Union. Die Grünen spotten.

Von Wolfgang Wittl

Thomas Schmitt übt sich in seinem Antrag nicht gerade in Zurückhaltung. Der Staat werde von den Bürgern mit Steuern unterhalten, "damit dieser Staat die Außengrenzen schützt, im Inneren für Recht, Sicherheit und Ordnung sorgt und die klassische Familie als Grundbaustein eines funktionierenden Staatswesens unterstützt", schreibt Schmitt. Durch "nachhaltige und wiederholte Fehlentscheidungen der Berliner Regierungsspitze beim Themenkomplex Asyl/illegale Migration/Grenzsicherung" seien diese Aufgaben "grob fahrlässig vernachlässigt" worden. Dadurch sei "der Mehrheit der deutschen Bevölkerung ganz erheblicher materieller und immaterieller Schaden" entstanden.

Die Berliner Regierungsspitze habe "durch Negieren unbequemer, aber verantwortungsethisch notwendiger Grundsätze" einen "beispiellosen, oft unkontrollierten Migrantenstrom aus den rückständigsten, gewalttätigsten sowie christen- und frauenfeindlichsten Regionen dieser Erde nach Deutschland gelenkt". Merkels Verhalten sei eine "Bankrotterklärung für die Autorität eines souveränen Staates" gewesen, schreibt Schmitt. Damit könne die Kanzlerin "ihrem dem deutschen Volk gegebenem Amtseid ("seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen") nicht mehr gerecht werden". Deshalb brauche "Deutschland spätestens 2017 einen neuen Bundeskanzler".

Das alles ist sogar für CSU-Verhältnisse starker Tobak. Eigentlich müsste die CSU-Spitze dem klar entgegentreten, schließlich ist man gerade dabei, die Ausrufung Merkels zur gemeinsamen Kanzlerkandidatin vorzubereiten. Doch die Reaktion der Partei auf den Antrag ihres fränkischen Funktionärs ist erstaunlich hasenfüßig. Die Antragskommission - in ihr sitzen alle wichtigen CSU-Granden - empfiehlt den Delegierten zwar die Ablehnung des Antrags. Aber die Begründung der Kommission ist bezeichnend. Sie weist die scharfen inhaltlichen Vorwürfe des Antragstellers mit keinem einzigen Wort zurück. Stattdessen verweist die Kommission lediglich auf Formalitäten.

"Der Antrag blendet die grundlegenden strategischen Entscheidungen und verfassungsrechtlich vorgegebenen Schritte sowie die damit einhergehenden Variablen vor der eigentlichen Wahl des Bundeskanzlers gemäß Art. 63 des Grundgesetzes aus", schreibt die Antragskommission ziemlich umständlich. Es müsse jetzt erst einmal über "einen gemeinsamen Spitzen- bzw. Kanzlerkandidaten" mit der CDU und ein gemeinsames Wahlprogramm entschieden werden. Dann müsse der Bundestag gewählt und über einen Koalitionsvertrag verhandelt werden. Dann müsse der Bundespräsident einen Vorschlag für das Kanzleramt unterbreiten - erst dann stehe die Kanzlerwahl an.

Über die grundlegenden strategischen Entscheidungen "Kanzlerkandidat, Wahlprogramm, Koalitionsverhandlungen" werde der Parteivorstand entscheiden, schreibt die Kommission. Das sei also nicht Sache dieses Parteitags. Außerdem verweist sie darauf, dass das Grundgesetz kein imperatives Mandat vorsehe. Auch aus diesem Grund könne "dem Antrag nicht gefolgt werden".

Eine Verteidigung Merkels gegen die Vorwürfe des Antragstellers findet sich in der Stellungnahme der Antragskommission jedoch nicht. Das war ihr angesichts des Widerstands in großen Teilen der CSU gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin offensichtlich zu heikel. Deutlicher kann man kaum zeigen, wie fragil das Verhältnis zwischen CSU und Merkel trotz aller Annäherungsbekundungen der vergangenen Wochen noch ist.

© sz.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

CSU-Parteitag
:Merkels Nicht-Einladung ist allein für Seehofer peinlich

Die Kanzlerin wird nicht auf dem CSU-Parteitag reden. Und das nur, weil CSU-Chef Seehofer in der Frage der Obergrenze für Flüchtlinge keine Einsicht zeigen will.

Kommentar von Thorsten Denkler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: