Oberbayern:Diese Firma könnte dreckige Diesel nachrüsten

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Oberland Mangold produziert in Eschenlohe Katalysatoren. (Foto: Oberland Mangold/oh)

Mit dem System von Oberland Mangold ließe sich der Stickoxidausstoß eines Kleinbusses um mehr als 70 Prozent reduzieren. Doch auf den Markt kommt es noch nicht.

Von Maximilian Gerl

Wie kriegt man Dieselfahrzeuge sauberer? Für Besucher haben sie hierzu im Werdenfelser Land eine Powerpoint-Präsentation vorbereitet. Zu sehen ist eine kompliziert anmutende Vorrichtung aus Metall und Kabeln. Abgasleitung, Steuerelement, Dosiermodul. Ein Nachrüstset für Dieselautos, um Stickoxide zu filtern. Theoretisch könnte es verbaut werden. Praktisch gibt es ein Problem, das zu groß ist für die Darstellung. Also wählt Ralf Klein eine Umschreibung: "Wir könnten mehr und schneller machen." Wenn sie wüssten, was genau.

Klarheit ist nicht das einzige Problem. Der Diesel steckt in der Krise. Der Skandal um manipulierte Abgaswerte hat 2015 eine Kettenreaktion ausgelöst. Seitdem schwächelt die Leitindustrie. Seitdem wird diskutiert, wie man die betroffenen Fahrzeuge nachrüsten könnte - und wer dafür zu zahlen und haften hätte. Dabei gäbe es technische Lösungen, die zumindest ein Stück weit helfen könnten. Etwa bei den vielerorts drohenden oder in Kraft getretenen Fahrverboten wegen schlechter Luft.

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Wie kompliziert die Sache ist, wissen sie an wenigen Orten besser als in Eschenlohe. Kirche, Schule, Spritzenhaus. Am Ortseingang sitzt Oberland Mangold. Als Hersteller von Katalysatortechnik verfolgt man dort das Hin und Her der Dieseldebatte interessiert; dem ständigen Lavieren können die Chefs wenig abgewinnen. "Sagen wir's mal so", sagt Geschäftsführer Klein: "Die Planungssicherheit wird für uns dadurch nicht erhöht." Kollege Hubert Mangold reicht eine Handbewegung Richtung Fenster. "Schauen Sie da hinten, unsere kleinen Handwerksbetriebe. Wenn da einer Bockmist macht, muss er geradestehen."

Die beiden leiten mit Mangolds Brüdern Christian und Matthias die Firma. Ihr Vater hatte sie 1968 gegründet, um Schneeketten herzustellen. Weil die Winter grüner und die Reifen besser wurden, stellte er in den 1980er-Jahren um. Heute gibt es zwei Standbeine: zum einen die Fertigung und Reinigung von Katalysatoren, zum anderen die Produktion von Nachrüstsystemen. Die werden über den Großhandel an Kfz-Werkstätten vertrieben. Rund 40 Menschen arbeiten im Betrieb, auch mal mehr, wenn eine neue Abgasnorm in Kraft tritt. "Peakgeschäfte", nennt Klein das, für je zwei, drei Jahre. Die letzte "Nachrüstwelle" kam mit der Umweltplakette. Die nächste könnte mit Hardware-Nachrüstungen für Dieselfahrzeuge folgen. Oder auch nicht.

Vor etwa einem Jahr sorgte Oberland Mangold für Aufsehen. Der ADAC hatte Systeme verschiedener Katalysatorbauer getestet. Oberland Mangold hatte ein Test-Set für einen VW Kleinbus entwickelt. Um mehr als 70 Prozent, so das Ergebnis der Messung, ließe sich der Stickoxidausstoß reduzieren. Vereinfacht wird dazu der Harnstoff Adblue in einer speziellen Vorrichtung auf mehr als 200 Grad Celsius erhitzt und als Gas in die Abgasleitung eingespritzt. Bei höheren Temperaturen wandelt Adblue mehr Stickoxide in Wasser und Stickstoff um. Fachleute nennen solch ein Verfahren selektive katalytische Reduktion, kurz SCR. Durch das Erhitzen steigt allerdings der Spritverbrauch.

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Aus Sicht des ADAC sind Hardware-Nachrüstungen technisch möglich. Er hat die Prototypen inzwischen im Langzeitbetrieb auf 50 000 Kilometer getestet und ein, zwei Kinderkrankheiten diagnostiziert, die noch zu beheben wären. Marktreif sind die SCR-Sets ohnehin nicht. Die dazu nötige Richtlinie hat das Bundesverkehrsministerium erst Ende Dezember 2018 veröffentlicht. Nur auf deren Basis können Hersteller beim Kraftfahrtbundesamt eine Betriebserlaubnis beantragen. "Darauf haben wir mindestens eineinhalb Jahre gewartet", sagen Klein und Mangold unisono. Dabei sei ihr Set für viele betroffene Dieselmodelle mit Euro -5-Norm geeignet. Also, wie gesagt: theoretisch. "Es wird immer gefragt, warum seid ihr nicht fertig", sagt Mangold. Dabei warte er seit Jahren auf konkrete Ansagen. "Jetzt über Nacht eine Lösung liefern, das geht nicht."

Für eine Firma, die auch von Autos lebt, hört man von ihren Chefs erstaunlich kritische Worte über die Branche. Vor allem Hubert Mangold kreidet ihr Konservatismus und Sattheit an. Wie neulich im Fernsehen eine Klimaaktivistin dem VW-Chef verbal eingeschenkt habe, das habe ihm gefallen. Einen siebenstelligen Betrag hat seine Firma bislang in die Entwicklung des SCR-Systems gesteckt. Das will wieder verdient sein. Oberland Mangold macht jährlich acht bis zehn Millionen Euro Umsatz. In der Werkshalle rattern die Maschinen. Sie wickeln eine Metallfolie spiralförmig in Hohlröhren hinein, bis sie dort ein feines Netz bildet. Im Hochvakuumofen werden die Metallträger gelötet, später beschichtet und als Katalysatoren verbaut. Manche sind anderthalb Meter im Durchmesser groß, gedacht für Biogasanlagen.

Der Autobau kämpft an mehreren Fronten. Inzwischen sind Elektromotoren eine ernstzunehmende Alternative zum Verbrenner - nur liegen bei der Batteriezellenfertigung andere vorn. Im Autoland Bayern geht die Angst um Arbeitsplätze um. Etwa beim Zulieferer Bosch in Bamberg, wo vor wenigen Tagen die Beschäftigten gegen weitere Entlassungen demonstrierten. In Ingolstadt forderte der Audi-Betriebsrat vom Vorstand eine Strategie statt nebulöser Worte. Und weil die Exporte sinken, warnte der Präsident des zuständigen Arbeitgeberverbands: Wenn die Autoindustrie huste, sei Bayern krank.

Laut Oberland Mangold sind einige Details der neuen Nachrüst-Richtlinie weiter unklar. Das SCR-Set werde trotzdem so weit möglich den Anforderungen angepasst. Das muss einerseits schnell gehen, sonst ziehen Nachrüstwelle und Konkurrenten vorbei. Andererseits benötigen Entwicklung und Zulassung Zeit. Ein Spagat. Der Einbau eines SCR-Systems dürfte in der Werkstatt wohl zwischen 3000 und 5000 Euro kosten. In dieser Höhe sind derzeit auch die Förderbeträge für Nachrüstungen angesiedelt.

Die Sets werden die Dieselkrise nicht lösen, alleine auch nicht das Problem mit der schlechten Luft. Damit wenigstens die Nachrüstung an sich funktioniere, empfiehlt der ADAC eine Art Mittelweg. Die Nachrüster sollten die Zuverlässigkeit ihrer Systeme verbessern und Garantien darauf gewähren. Der Gesetzgeber müsse die Richtlinien ausarbeiten. Und die Autoindustrie solle mit den Zulieferern eine Strategie entwickeln - sowie ihre Blockadehaltung aufgeben. So rät der Verband der Deutschen Automobilindustrie auf seiner Internetseite von Hardware-Nachrüstungen ab. Diese seien "in der Regel sowohl technisch als auch wirtschaftlich nicht sinnvoll".

In Eschenlohe ist das letzte Blatt der Powerpoint-Präsentation erreicht. Und jetzt? Immerhin eine Sache macht keine Sorgen: die Elektromobilität. Die könnte zwar das eigene Geschäftsmodell obsolet machen, Batterien brauchen keine Katalysatoren. Aber Klein sieht "genügend neue Geschäftsfelder". Mangold sagt, man müsse mit der Zeit gehen. Schließlich seien viele Schlüsselindustrien in Bayern auch wieder verschwunden.

© SZ vom 13.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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