Gründungskanzler der TUN:Der Mann für alle Fälle

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Er sei Oberpfälzer, sagt Markus Zanner, 53, aber kenne die Franken nach zehn Jahren als Kanzler der Uni Bayreuth. Zuvor arbeitete der promovierte Religionswissenschaftler lange im Wissenschaftsmanagement der TU München. (Foto: Privat)

Die Technische Universität Nürnberg hat den Betrieb aufgenommen - doch bislang besteht das Personal nur aus Gründungskanzler Markus Zanner. Und der hat alle Hände voll zu tun.

Interview von Anna Günther

Nach gut drei Jahren Planung hat die Technische Universität Nürnberg (TUN) den Betrieb aufgenommen. Einzigartig soll Bayerns zehnte staatliche Uni werden, anders als alle Hochschulen Deutschlands. Dafür will die Staatsregierung 1,2 Milliarden Euro investieren. Maßstab ist das Massachusetts Institute of Technology an der US-Ostküste: Statt Fakultäten sind interdisziplinäre Departments geplant, weitgehend digitale Lehre und hauptsächlich englischsprachige Studiengänge.

Auf einen Professor sollen deutlich weniger Studenten kommen als üblich, 40 Prozent von ihnen sollen aus dem Ausland kommen. Noch ist von alldem allerdings wenig zu sehen: Das "Leuchtturm"-Projekt, das Ministerpräsident Markus Söder (CSU) seiner Heimatstadt bescherte, besteht bisher nur aus einer Person: Gründungskanzler Markus Zanner, 53. Seit Anfang Januar ist er im Amt, vor gut einer Woche zog der frühere Kanzler der Uni Bayreuth als Erster und Einziger ins Interimsgebäude der TUN, in eine frühere Schuhfabrik im Süden Nürnbergs.

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Das Gremium mahnt allerdings auch zur Bescheidenheit: Die Technische Universität in Nürnberg dürfte zu klein sein für die wissenschaftlichen und programmatischen Ziele.

Von Anna Günther

SZ: Herr Zanner, fühlen Sie sich gerade wie Zanner, allein zu Haus?

Markus Zanner: Schon etwas, das ist eine One-Man-Show. Heute sitze ich am Laptop im leeren Büro neben Umzugskisten und führe den ganzen Tag per Zoom Vorstellungsgespräche auf der Suche nach einer Teamassistenz. Ab März werden wir hoffentlich mehr TUN-Mitarbeiter sein.

Wie läuft dieser Ein-Mann-Betrieb einer Universität?

Es ist eine wilde Mischung. Ich bin dafür zuständig, dass der Briefkasten richtig angebracht wird, danach habe ich ein Gespräch mit Nürnbergs Oberbürgermeister und sichte dann Bewerbungsunterlagen. Als ich von München nach Bayreuth kam, musste ich erst lernen, zu delegieren. Auf einmal hatte ich 1000 Mitarbeiter. Und jetzt muss ich aufpassen, nicht alles gleichzeitig machen zu wollen, mich nicht zu überfordern. Ich freu mich, bald wieder im Team zu arbeiten, das hält auch frisch.

Die TUN gibt es seit sechs Wochen, wie geht es nun voran?

In dieser Woche führe ich zum Beispiel Bewerbungsgespräche zum Thema Haushalt und Bauimmobilien. Ich suche einen Leiter Immobilien, eine Teamassistenz und Referenten für den TUN-Präsident und Kanzler. In der Anmietung gibt es immerhin eine Hausmeisterfirma, aber ich musste entscheiden, wo der Briefkasten hinmuss und wo die Router montiert werden.

All das für eine Zwischenunterkunft...

Provisorien im Universitätsbereich halten sich lange. Sie können davon ausgehen, dass wir die nächsten Jahre noch dort sind.

Und wann geht es mit dem Bau der eigentlichen TUN los?

Momentan laufen Vorplanungen. Das erste durchgeplante Gebäude soll 2024/2025 fertig sein. Ich prüfe gerade die Option Modulbauten, früher hieß das Container, aber die haben heute eine echt hohe Qualität. Damit könnten wir schneller sein und in zwei Jahren schon erste Module aufs Grundstück stellen. Aber wir brauchen vorher den Gesamtplan, an dem mit Mitarbeitern aus dem Wissenschaftsministerium, Bauministerium und dem Staatlichen Bauamt Nürnberg gearbeitet wird.

Das Gelände an der Brunecker Straße im Süden Nürnbergs, auf dem die TUN entstehen soll, ist gerade in der Kritik: Wurden Sie als Gesicht der TUN auf die Kritik des Obersten Rechnungshofs (ORH) angesprochen? Der ORH kritisiert ja, dass der Freistaat für den Grund viel mehr bezahlt hat als er wert war. 90,8 Millionen Euro statt der veranschlagten 46,3 Millionen Euro.

Natürlich wurde ich auf das Problem angesprochen, aber das muss zwischen Finanzministerium, Bauministerium und Rechnungshof geklärt werden. Da kann mein Ministerium so wenig dazu sagen wie ich.

Wann steht die Uni dann endlich da?

Man sollte dem Aufbau schon mal zehn Jahre Zeit einräumen. Das ist kein unmäßig langer Zeitraum für Unis. In Bayreuth haben wir ein Gebäude für Jura und BWL gebaut, das hatte zehn Jahre Vorlauf und war kein besonders anspruchsvolles Gebäude mit Laboren oder Hightech-Ausstattung.

Dann reichen zehn Jahre nicht, die TUN soll als Prestigeprojekt voll Hightech sein.

Na ja, in zehn Jahren wird schon einiges dastehen... Ich bin auch in Gesprächen mit der Ohm-Hochschule und der Friedrich-Alexander-Universität (FAU), dass wir Gebäude gemeinsam nutzen.

Haben die Präsidenten der FAU und der Technischen Hochschule ihre Irritation darüber abgelegt, dass ihnen noch eine naturwissenschaftliche "Leuchtturm"-Universität vor die Nase gesetzt wird?

Die Irritationen wurden nicht auf mich übertragen. Ich war auch überrascht, dass das so gut läuft und hatte schon sehr gute Gespräche mit der Hochschulleitung der Ohm-Hochschule und mit Präsident und Kanzler der FAU. Die FAU unterstützt uns mit ihrem Rechenzentrum und Ohm bei Verwaltungsaufgaben. Das Rechenzentrum ist eine Wahnsinns-Erleichterung, ich müsste sonst selbst Kabel einstöpseln oder die Homepage aufsetzen. Ich habe schon viel gemacht, aber die TUN-Homepage könnte ich nicht bauen.

Schon in diesem Jahr soll es Digitalangebote der TUN geben, klappt das?

Darum kümmern wir uns in der zweiten Jahreshälfte mit den ersten berufenen Wissenschaftlern. Aber erst einmal brauchen wir einen Präsidenten.

Der wird eigentlich vom Hochschulrat gewählt, den die TUN noch nicht hat. Wie bekommt die TUN ihren Präsidenten?

Eine Kommission hat Vorschläge gemacht und der Wissenschaftsminister ernennt den Präsidenten. Irgendwie müssen wir anfangen. Weil die Präsidentenfrage noch nicht geklärt war, entschied das Ministerium, erst mal den Kanzler reinzuschicken. Das Ergebnis sitzt hier am Telefon. Aber ich bin sicher, dass noch im Februar ein TUN-Präsident feststeht.

Wieso haben Sie Bayreuth verlassen? Im "Nordbayerischen Kurier" beklagt Bayreuths Uni-Chef Stefan Leible diesen "sehr großen Verlust".

Klar, wir sind Freunde. Ich bin aber nicht auf der Flucht von Bayreuth weg. Ich sehe das als Chance. Es ist immer schwierig, im Bestand etwas zu ändern und der Reiz ist groß, eine Uni neu aufzubauen, darauf freue ich mich sehr.

Hatten Sie nie Zweifel?

Noch nicht. Aber das kann noch kommen. Ich hoffe, dass ich bis dahin Kollegen habe, die mich unterstützen und trösten.

© SZ vom 10.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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