Neufahrn:Christo der Schmetterlinge

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Für das weiße Netz sind die Larven der Gespinstmotte verantwortlich. (Foto: Kurt Amereller/LWF)

Wenn Äste und Zweige mit einem dichten Netz aus weißen Fäden überzogen sind, denken viele an einen Schädlingsbefall. Doch meist ist ein Schmetterling dafür verantwortlich.

Von Christian Sebald, München

Es ist ein bizarres Bild: Die mannshohen Sträucher am Straßenrand nahe Neufahrn bei München sind völlig kahl, statt sattgrünem Frühjahrslaubwerk umfängt die Äste und Zweige ein dichtes, weißes Netz aus feinsten Fäden. Die Sträucher sind Pfaffenhütchen und eigentlich sehr robust, in diesen Wochen sollten sie in voller Blüte stehen. Kein Wunder, dass so mancher Naturliebhaber bei dem Anblick regelrecht erschrickt und an den Ausbruch einer neuen Schädlingsplage denkt. "Aber keine Sorge", sagt Johann Seidl von der Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft (LWF). "Die Gespinste stammen von der Pfaffenhütchen-Gespinstmotte, genauer gesagt von deren Larven. In ein paar Wochen ist der Spuk wieder vorbei."

Der Mai und der Juni sind die Hochzeit der Gespinstmotten-Larven. Gespinstmotten sind kleine, unauffällige Schmetterlinge, allein in Mitteleuropa sind 74 Arten bekannt. Viele von ihnen haben sich auf besondere Wirtsbäume oder -sträucher spezialisiert - eben auf Pfaffenhütchen, aber auch auf Traubenkirschen, Pappeln oder Weiden. Es gibt sogar welche, die auf Apfelbäume gehen.

Die Gespinstmotten-Weibchen legen in den Ästen und Zweige der jeweiligen Wirtspflanzen ihre befruchteten Eier ab. Im Mai des Folgejahres schlüpfen die Raupen. Diese sind nicht nur sehr gefräßig und fressen die Wirtspflanze kahl. Sondern sie überziehen sie auch mit ihren Gespinsten. Die sind so dicht, dass der LWF-Experte Seidl die Gespinstmotten die "Christos unter den Schmetterlingen" nennt, frei nach dem Künstler Christo, zu dessen spektakulärsten Werken die Verhüllung des Berliner Reichstags im Jahr 1995 zählt.

Viele Leute halten die Gespinstmotten für Schädlinge. "Aber das stimmt so nicht", sagt Seidl. "Die Gespinste haben keinerlei gesundheitsschädigende Auswirkung für Menschen oder Tiere, zumindest ist bisher nichts bekannt." Für die Wirtsbäume oder -sträucher sind die Gespinste ebenfalls praktisch ohne Auswirkungen. "Sie erholen sich sehr schnell von dem Befall", sagt Seidl. "Nach zwei bis drei Wochen treiben sie neue Blätter aus."

Nur Früchte tragen die Wirtspflanzen im Jahr des Befalls keine. Aber im Jahr darauf ist auch das schon wieder anders. Die meist silbrig glänzenden kleinen Schmetterlinge selbst schlüpfen zu Beginn des Hochsommers. Zu Hunderten sitzen sie dann in den Wirtspflanzen, bevor sie wenig später zu ihrem ersten Flug abheben.

© SZ vom 07.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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