Ob das wirklich stimmt? Dass es hier in Garmisch-Partenkirchen eigentlich gar keinen Nationalsozialismus gegeben hat? Solche Fragen seien ihm von seinen Schülern im Werdenfels-Gymnasium immer wieder mal gestellt worden, erzählt der inzwischen pensionierte Geschichtslehrer Alois Schwarzmüller gerne, wenn es um die Vergangenheit des Ortes geht.
Die Schüler sollten dann erst daheim nachfragen. "Die Eltern wissen nix und die Großeltern sagen nix", sei das Ergebnis allzu oft gewesen. Der Rat der Marktgemeinde hat sich jetzt immerhin an einige Ehrenbürger erinnern lassen und Adolf Hitler, Hermann Göring, Paul von Hindenburg, Franz Ritter von Epp, Adolf Wagner und Hans Pfundtner diese Würde nun in aller Form aberkannt.
Olympia 1936:Für Hakenkreuze ist in der Erinnerung kein Platz
In Garmisch-Partenkirchen denken sie heute noch gern an die Olympischen Spiele 1936 zurück. Die Begleitumstände hat der Ort über Jahrzehnte verdrängt.
"Als Zeichen gegen jede Art nationalsozialistischer Tendenzen und Rassismus" distanziere man sich somit von den Beschlüssen, mit denen den Nazi-Größen damals die Ehrenbürgerschaft verliehen worden war, heißt es aus dem Rathaus. Zugleich fehlt nicht der Hinweis, dass rein rechtlich gesehen eine Ehrenbürgerwürde mit dem Tod des Betreffenden ohnehin erlösche.
Auf der offiziellen Liste ihrer Ehrenbürger führte die Gemeinde die sechs Genannten ohnehin nicht. Dafür verzeichnet sie 37 andere Würdenträger, darunter allerlei Geistliche, Beamte Unternehmer, Professoren sowie "Dr. h.c. Strauss, Richard, Generalmusikdirektor, Komponist, 1864-1949". Nur zu zwei Menschen von dieser Liste gibt es kein Sterbejahr.
Von den sechs Nazi-Größen schien zuletzt nur Hans Pfundtner da und dort als Ehrenbürger auf, was das Garmischer Tagblatt zu Nachfragen veranlasst und in der vergangenen Woche auch schon in Mittenwald zu einer späten Distanzierung von Hitler und anderen geführt hatte. Pfundtner hat an den Nürnberger Rassegesetzen mitgeschrieben, war Mitglied der Reichsregierung und auch des Organisationskomitees für die Olympischen Winterspiele von 1936 in Garmisch-Partenkirchen.
Olympia war eine Glanzleistung der Nazi-Propaganda
Dass dieses im Garmischer Gedächtnis so heitere Sportfest vor allem eine Spitzenleistung der Nazi-Propaganda war, wollen hier bis heute die wenigsten wissen. Dabei musste die Reichregierung die Werdenfelser sogar auffordern, mit ihrer schon lange vor 1933 grassierenden Judenhetze etwas zurückhaltender zu sein, um einen internationalen Boykott der Spiele zu verhindern.
Eine erste Ausstellung über "Die Kehrseite der Medaille" gab es zur Ski-WM 2011. Sie ist inzwischen im Olympia-Skistadion zu sehen, findet dort aber kaum Beachtung, am wenigsten bei den Einheimischen selbst. Eine faktenreiche und bestens aufbereitete Doku, die der Lokalhistoriker Schwarzmüller und drei Mitstreiter vorgelegt haben, konnte 2016 erst durch eine Spende von Pfundtners Enkelin erscheinen. In den Etats der WM und der Gemeinde hatte sich dafür kein Geld gefunden. Die Nachfrage, die das Buch verdient hätte, ist ausgeblieben - auch weil die örtlichen Touristiker lieber für anderes werben als für das Buch und die Ausstellung, glaubt Gemeindearchivar Franz Wörndle.
Altlasten nur in Garmisch?
Der Spiele-Organisator Pfundtner war der einzige Nazi-Ehrenbürger des 1935 für Olympia zwangsvereinigten Garmisch-Partenkirchen. Während die Garmischer - wie in unzähligen anderen Gemeinden - 1933 wenig Eiligeres zu tun hatten, als Hitler, Göring, Hindenburg, Epp und den Gauleiter Wagner zu Ehrenbürgern zu machen, ist von den Partenkirchnern nichts dergleichen aktenkundig. Auch das 1978 eingemeindete Wamberg hat keine solchen Altlasten mitgebracht.
Obwohl sich die Räte von Garmisch-Partenkirchen nun auch vom Ehrenbürger Hindenburg distanziert haben, wird diesem weiter die Ehre eines Straßennamens zuteil. Die Umbenennung scheiterte 2013 in einem Bürgerentscheid. Dass die zuvor nach einem weiteren Olympia-Nazi "Ritter-von-Halt-Stadion" benannte Fußballarena wieder "Stadion am Gröben" heißt, war im Rathaus 2006 praktisch im Geheimen entschieden worden und sickerte erst langsam durch.