Der Österreichische Kelchbecherling ist ein sehr auffälliger leuchtend scharlachroter Pilz, der fast tropisch anmutet. Allerdings ist er sehr selten und überdies schwer zu finden: Er gedeiht vor allem unter toten Ästen von Bergahornbäumen und Erlen, die in urwüchsigen Mischwäldern auf dem Waldboden herumliegen und allmählich verfaulen. Im Bayerischen Wald waren bislang keine zehn Stellen bekannt, an denen er vorkommt. Dieser Tage ist Sarcoscypha austriaca, so sein wissenschaftlicher Name, nun auch im Nationalpark Bayerischer Wald nachgewiesen worden - zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte des Schutzgebietes. Und zwar von einem jungen Praktikanten der Nationalverwaltung, der noch nicht einmal eine Woche in dem Schutzgebiet ist.
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Andreas Denzel, 21, studiert Geoökologie und absolviert gerade ein Praktikum in der Forschungsabteilung des Nationalparks. Im Rahmen von deren Pilzmonitoring sollte er nahe der Ortschaft Buchenau Schwarzborstling-Bestände erfassen. Pseudoplectania nigrella, der im Bayerischen Wald fast nur in der Nähe von Bächen vorkommt, ist vor allem unter Pharmazeuten bekannt, denn aus ihm ist ein Antibioticum isoliert worden. Eher beiläufig stieß Denzel dann in der Nähe eines Bachlaufs auf eine vergleichsweise hohe Zahl scharlachrot leuchtender Pilze und informierte seinen Betreuer. Wenig später stand fest, dass es sich um Österreichische Kelchbecherlinge handelte.
"Sarcoscypha austriaca hat sehr spezielle Lebensraumansprüche", sagt der Pilzspezialist des Nationalparks, Peter Karasch. "Das ist der Grund, warum er so selten ist und nur in den Alpen etwas häufiger vorkommt." Der Pilz braucht sehr naturnahe Au- und Schluchtwälder mit einem hohen Anteil absterbender oder bereits toter Laubbäume. Deren Holz wird von ihm zersetzt und im Lauf seines Lebenszyklus in Humus umgewandelt. Eine Besonderheit von Sarcoscypha austriaca ist, dass man ihn bereits sehr früh im Jahr antrifft. Die Fruchtkörper entwickeln sich nämlich schon unter der Schneedecke, sodass man schon kurz nach der Schneeschmelze auf ihn stoßen kann.
Der Österreichische Kelchbecherling ist trotz seiner Warnfarbe ungiftig, man kann ihn sogar essen. Pilz-Spezialist Karasch rät allerdings davon ab: "Das Fruchtfleisch ist ledrig-zäh." Der Nationalpark Bayerischer Wald ist bekannt für seine gigantische Pilzvielfalt. In dem Schutzgebiet sind mehr als 2000 Arten dokumentiert. Karasch und seine Mitarbeiter gehen allerdings davon aus, dass es einige Hundert mehr sind. Einige Pilzarten kommen deutschlandweit nur in dem Schutzgebiet vor. Ein Beispiel ist der Rosenduft-Feuerschwamm, der an mächtigen abgestorbenen Tannen wächst. Der Pilz, der zu den Porlingen zählt und so heißt, weil er einen intensiven Rosenduft verströmt, ist weltweit nur noch an sechs anderen Orten dokumentiert worden.