Nach Rettungsaktion in Riesending-Höhle:"Für die Forschung wird es wohl weitergehen"

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Stundenlang waren die Rettungskräfte im Einsatz, um den Forscher W. aus der Höhle zu retten. Besonders teuer: die Hubschrauber-Flüge. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Eine Million Euro könnten allein die Hubschrauberflüge gekostet haben - doch die zahlt der Freistaat für Johann W. Der Forscher will sich nun persönlich bei seinen Rettern bedanken. Und fit werden, denn es zieht ihn in die Riesending-Höhle zurück.

Von Sarah Kanning, München

Der Freistaat stellt dem geretteten Höhlenforscher Johann W. keine Kosten für die Hubschraubereinsätze der bayerischen Polizei am Untersberg in Rechnung. Das gab das bayerische Innenministerium am Montag bekannt. "Unser Maßstab ist, dass der Forscher nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat", sagte ein Sprecher des Ministeriums. "Wir verzichten daher auf unsere eigenen Kosten."

Wie viel der Einsatz letztlich insgesamt gekostet hat, dazu will sich das Ministerium nicht äußern. Schätzungen belaufen sich auf eine Summe im niedrigen Millionenbereich. Auch in Bezug auf die Summe der Flugstunden und die damit verbundenen Kosten hält sich das Ministerium zurück und wollte die in der Bild-Zeitung genannte Summe von einer Million Euro für die Flüge nicht bestätigen.

Der Höhlenforscher aus Baden-Württemberg hatte sich am Pfingstsonntag bei einem Steinschlag in Deutschlands tiefster und längster Höhle ein Schädel-Hirn-Trauma zugezogen. Die anschließende Rettungsaktion, die fast zwölf Tage dauerte und an Fronleichnam beendet war, war nach Angaben der Bergwacht und von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die "größte und längste Rettung in der Geschichte der Bayerischen Bergwacht".

Mehr als 700 Helfer aus mehreren Ländern beteiligten sich an der Aktion, außerdem waren Hubschrauber von Landespolizei, Bundespolizei, österreichischer Polizei und Bundeswehr im Einsatz, die Material und Personal auf das Untersbergplateau schafften.

274 Stunden dauerte die Rettung

Die Kosten für die Materialflüge dürften den Löwenanteil an den Gesamtausgaben ausmachen: Die Polizeihubschrauberstaffel Bayern berichtete während des Einsatzes, dass die Besatzungen seit Beginn der Rettungsarbeiten am Pfingstsonntag "rund um die Uhr Dienst im Schichtbetrieb" leisteten. 274 Stunden dauerte die Rettung insgesamt, fliegen konnten sie von morgens um fünf bis in die Nacht, teils hoben sie im 15-Minuten-Takt ab.

Die Angabe, dass die Krankenkasse des Forschers allein für den Einsatz aufkommen könnte, war schon während der Rettung bezweifelt worden. Wie das Innenministerium nun mitteilte, komme die Kasse für den tatsächlichen Rettungsflug in die Klinik auf, nicht aber für die vielen Transportflüge mit Edelweiß 5 der Landespolizei. Diese übernimmt nun der Freistaat. Ob Bundespolizei und Bundeswehr ähnlich kulant sind, ist bislang unklar.

Riesending-Schachthöhle
:Gerettet aus der Tiefe

Elf Tage, zehn Stunden und 14 Minuten war er in der tiefsten Höhle Deutschlands gefangen. Am Donnerstag ist der schwer verletzte Forscher Johann W. gerettet worden. Eine Chronologie in Bildern.

Für die Bergwachten und Höhlenretter ist jetzt wichtig, ihre Materialvorräte wieder aufzufüllen. Welche Summen hier noch einmal zusammenkommen, ist noch völlig offen, weil die Listen über fehlendes Material noch nicht fertig sind. Die für den Untersberg auf bayerischer Seite zuständige Höhlenrettung Freilassing berichtet, dass sie mit einem Hänger voll Material im Wert von 30 000 Euro zum Einsatz fuhr - und quasi leer zurückkehrte. Laut Innenminister Herrmann wurden 90 Prozent des in den vergangenen Jahren vom Freistaat angeschafften Materials in der Höhle verbaut.

W. will Retter persönlich anrufen

Dem Forscher W. geht es derweil stetig besser. Er hat den Unfall durch einen herabfallenden Stein oder Lehmklumpen auf den Kopf und den schwierigen Transport durch die labyrinthartige Höhle besser verkraftet als erwartet. Anfangs sei sein Zustand kritisch gewesen, berichtete die Unfallklinik Murnau. Der Verletzte sei in den ersten 36 Stunden nach dem Unfall "immer wieder weggedämmert". So tief, "dass er nicht aufzuwecken war".

In einem ersten Video vom Tag nach seiner Ankunft im Krankenhaus hatte er große Probleme zu sprechen. Vor einer Woche wurde er dann aus der Unfallklinik in eine Reha-Einrichtung entlassen, nicht ohne eine weitere Videobotschaft zu hinterlassen. Er sieht jetzt wieder runder aus, gesünder, die Sprache ist klar.

Nun, so sagt der Forscher, der inzwischen einen Eintrag im Online-Lexikon Wikipedia hat, ziehe es ihn wieder in die Riesendinghöhle zurück. "Ich muss noch etwas munter und fit werden - aber für die Forschung wird es wohl weitergehen." Der Höhleneingang ist zwar inzwischen vergittert, Forscher können aber beim Landratsamt eine Genehmigung erhalten.

W. weiß, was er seinen Rettern zu verdanken hat, und hat angekündigt, jeden von ihnen persönlich anzurufen. Um die Rettung zu beschreiben, findet der gebürtige Schwabe jedoch maßvolle Worte: "Das war eine recht große Aktion", sagt er. "Ist aber recht gut gegangen."

© SZ vom 08.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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