Nach Rettung aus Riesending-Höhle:Aus dem letzten Loch

Rettungseinsatz für Höhlenforscher

Erst seit 2009 sind Höhlenrettungen nach dem Rettungsdienstgesetz Aufgabe der Bergwacht.

(Foto: dpa)

Käme jetzt ein Alarm, könnten sie keinen Einsatz stemmen. Die Bergwacht Freilassing schaffte Material im Wert von 30.000 Euro in die Riesending-Höhle. Eine Woche nach der Rettung des Höhlenforschers liegt vieles davon noch in der Tiefe. Die Retter fragen sich: Wer ersetzt uns das?

Von Sarah Kanning

Ein paar schmutzige Schleifsäcke liegen auf dem Hallenboden, in einer Kiste sind drei Seile aufgerollt, daneben einige Gurte mit Steigklemmen. Ein armseliges Häufchen an Ausrüstung. "Der ganze Rest unseres Materials ist noch in der Höhle, mal sehen, was davon noch zurückkommt", sagt Markus Weilacher. Er ist einer von 13 Höhlenrettern bei der Bergwacht Freilassing.

Die Bergwacht ist eine von acht Höhlenrettungswachen im Freistaat und zuständig für natürliche Höhlen im gesamten Chiemgau bis an die Grenze zu Österreich. In ihrem Gebiet liegt die deutsche Seite des Untersbergs - die Freilassinger waren daher die ersten, die nach dem Unfall in der Riesending-Schachthöhle am Pfingstsonntag zu Hilfe eilten und einen Voraustrupp hineinschickten.

Eine Woche nach der Rettung kehrt langsam Ruhe ein bei der Bergwacht. Jetzt beginnt das Reinigen, das Zählen und Sortieren. Höhlenrettungseinsätze sind selten, bundesweit liegt ihre Zahl im einstelligen Bereich. Doch wenn etwas passiert, dann zählen sie zu den schwierigsten und material- wie personalintensivsten der Bergwachtdienste. Mehr als 700 Helfer waren an der gigantischen Aktion am Untersberg beteiligt, mehr als 200 Höhlenretter kletterten in den 1000 Meter tiefen Schacht.

4,1 Millionen Euro sind für 2014 vorgesehen

Kilometerweise wurden Seile angebracht, Karabiner und Flaschenzüge aus ganz Bayern zusammengesammelt. 90 Prozent des in den vergangenen Jahren angeschafften Materials seien verbaut worden, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Tag der Rettung. Für die Höhlenrettungen ist dieser Zustand schwierig: "Wir haben fast nichts mehr: Käme jetzt ein Alarm, könnten wir keinen Einsatz stemmen", sagt Siegfried Fritsch, Bereitschaftsleiter der Freilassinger Höhlenrettung.

Momentan liegen Listen aus, in die alle Höhlenrettungswachen eintragen sollen, was ihnen an Material verloren gegangen ist. Bei den Freilassingern ist eine teure Bohrmaschine dabei. Vielleicht schaffen Höhlenforscher oder Bergwachtler in den kommenden Wochen noch etwas Material aus der Höhle heraus. Zumindest um Müll, Batterien und Metall müssen sie sich der Umwelt wegen kümmern. Viel Material könnte in der feuchten Kälte aber verschlissen sein.

Beim Innenministerium hält man sich mit Kostenschätzungen zurück. Zwar gebe es eine Vereinbarung, verlorene Gegenstände zu ersetzen, heißt es. Diese greift aber auf denselben Fördertopf zu, aus dem seit 2011 die Bergwachten unterstützt werden, um Einsatzfahrzeuge, Seilsätze, Gebirgstragen, Notfallrucksäcke oder Funkgeräte anzuschaffen.

Für das Jahr 2014 sind 4,1 Millionen Euro vorgesehen. Solange die Listen nicht fertig sind, ist nicht absehbar, ob dieser Betrag reicht. Wie ein Ministeriumssprecher sagte, könnten Anschaffungen, die schon vor dem Unfall angedacht waren, eventuell auf das kommende Jahr verschoben werden. Für 2015 sind knapp 5,3 Millionen Euro vorgesehen.

Erst seit 2009 sind Höhlenrettungen nach dem Rettungsdienstgesetz Aufgabe der Bergwacht und werden auch erst seither vom Freistaat unterstützt. Die ersten Versuche liefen schon um die Jahrtausendwende. Peter Hogger, Regionalleiter der Höhlenrettung Freilassing, erinnert sich gut an die Überlegungen: "Uns war klar: Nur wenn die Höhlenrettung in die Bergwacht eintritt, lässt sich das richtig strukturieren mit Hubschraubereinsätzen und Zusammenarbeit."

Hogger geht seit 1982 privat in Höhlen und war einer der beiden ersten Freilassinger Höhlenretter. 2007 hatte die Münchner Bergwacht angefragt, ob die kleine Wache die Aufgabe für den Chiemgau übernehmen könnte, "und da sagten wir halt ja", erzählt Hogger. Mit einem Schleifsack, einem Schlafsack, Wärmepacks und einer Tütensuppe wappneten sie sich für Rettungen verunglückter Höhlenforscher.

Die Rettung des Verunglückten aus der Riesending-Höhle hielten sie, wie auch die meisten Experten, zunächst für unmöglich. Johann W.s Verletzungen waren allerdings zu schwer, um sie in der Höhle auszukurieren. So begann eine beispiellose Rettungsaktion. Als Ortskundiger war Hogger einer von fünf deutschen Einsatzleitern.

Material für 30 000 Euro hatten die Freilassinger im Hänger, bevor sie losfuhren. Fast leer kehrten sie zurück. 30 000 Euro - das ist viel für die Wache, normalerweise hat sie 12 000 Euro Ausgaben im Jahr. Daher hoffen die Höhlenretter auf die Verlustliste und neue Förderer. Denn eigentlich sparen sie für einen Van und sind immer noch dabei, ihre neue Wache in den Räumen der Freiwilligen Feuerwehr in Ainring-Mitterfelden einzurichten. "Wir haben einen Hänger, jetzt wäre es auch wichtig, ein Fahrzeug dazu zu haben", sagt Bereitschaftsleiter Fritsch. Damit die Freilassinger Höhlenretter beim nächsten Einsatz wieder die ersten sind.

Weitere Informationen, Förderer zu werden unter http://www.bergwacht-bayern.org/freilassing

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: