Mitten in Nürnberg:Die Wunden der Franken

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Chef des Frankenstudios des Bayerischen Rundfunks zu sein, ist auf den ersten Blick bestimmt ein schöner Job. Bei genauerer Betrachtung allerdings?

Kolumne von Olaf Przybilla

Studioleiter des Bayerischen Rundfunks in Nürnberg, das wird sich mancher als vergleichsweise beneidenswerte Mission vorstellen. Das Sendegebiet ist so groß wie das des benachbarten ARD-Kollegen in Hessen, aber im Gegensatz zu jenem antichambrieren beim Frankenstudioleiter einmal im Jahr alle, die immer schon mal groß rauskommen wollten: Lieber Tassilo Forchheimer, hätten Sie für den Frankenfasching nicht doch eine Karte für mich? Gelte als notorisch willenloser Claqueur, verfüge über robuste Schunkelkenntnisse und kann sogar einen Schäferhund mit mainfränkischen Wurzeln vorweisen. So ungefähr wird man sich das vorstellen dürfen.

Dass der Ministerpräsident aus der Stadt mit dem Frankenstudio stammt und exakt dort einst zum Reporter ausgebildet wurde, dürfte der BR-Filiale ebenfalls nicht zum Nachteil gereichen. Aber man soll sich nicht täuschen: Dass die Franken Jahrzehnte auf einen "Tatort" verzichten mussten, dass alle irgendwie ruhmreichen BR-Serien ("Münchner Geschichten", "Polizeiinspektion 1" "Monaco Franze", "Irgendwie und Sowieso", "Die Hausmeisterin", "Kir Royal", "Der Kaiser von Schexing", "Hubert & Staller", "München 7", "Dahoam is Dahoam" und so weiter) zumindest nicht direkt aus Zentralfranken stammen und dort der eine oder andere nicht befreite Gebührenzahler glaubt, alternativ mit dem Ofenrohr in den Frankenwald glotzen zu müssen - soll man als Hypothek nicht unterschätzen. Die Wunden sind tief in Franken.

Was dem BR-Frankenchef so an Protestnoten auf den Tisch flattert, weiß die SZ schon deswegen, weil sie von den Petenten akribisch auf dem Laufen gehalten wird darüber, auf diesem Wege einmal einen recht herzlichen Dank dafür! Aktueller Anwurf: Als Bayerns Umweltminister jüngst im BR zu Wort kam, sei im Hintergrund die Kaiserburg zu sehen gewesen, freilich "nur die linke Hälfte", jene mit der weißblauen Fahne. Die andere Hälfe, die mit der Frankenfahne, sei nicht im Bild gewesen: "Zufall oder Absicht?"

Replik des Studioleiters: Für den Ausschnitt habe man sich entschieden, "weil das anfangs gewählte Bild den Eindruck vermittelte, als sei die Frankenfahne nicht auf der Burg, sondern auf dem Kopf des Staatsministers gehisst worden". Eine beneidenswerte Mission? Och ja.

© SZ vom 14.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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