Mitten in Bayern:Kein Altpapier, kein Schmuddelheft

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In Weilheim geht eine Ära zu Ende: Künftig sammeln nicht mehr die Vereine das Altpapier ein, jetzt kommt die Papiertonne. Das hat weitrechende Konsequenzen, unter anderem für die frühpubertäre Bildung

Glosse von Matthias Köpf

Die Vereine im oberbayerischen Weilheim fragen sich schon länger, ob sich das alles eigentlich noch rentiert, und vermutlich liegt auch das wieder am Internet. Denn der Nachwuchs tendiert natürlich auch in Weilheim immer mehr zum Surfen und Zocken, als dass er sich beim TSV, im Sportverein Lichtenau, bei der Feuerwehr, bei der Bergwacht oder bei den Böllerschützen engagieren würde. Vor allem aber treffen auch in Weilheim immer weniger Briefe in immer weniger Briefumschlägen ein, die Leute lesen Nachrichten digital und bestellen Vieles online, das dann von ganzen Transporter-Geschwadern in Kartons verpackt ins Haus geliefert wird. Der Anteil solcher leichten, aber voluminösen Kartonagen am Altpapier wird immer größer, der Anteil des kompakten, schweren Brief- und Zeitungspapiers immer kleiner. Weil sie aber nur nach Gewicht bezahlt werden, lassen die Vereine in Weilheim das Altpapiersammeln jetzt sein - und auch die Weilheimer müssen sich Papiertonnen vor die Tür stellen.

Der Landkreis Weilheim-Schongau war ohnehin der letzte in Bayern, der das Altpapier flächendeckend in Säcken abholen ließ. 2019 waren dann schon die Vereine in Schongau ausgestiegen. In der Kreisstadt drehen der TSV, der SVL, die Feuerwehr und die Arbeitsgemeinschaft aus Bergwacht und Böllerschützen nun am 23. Oktober die letzte ihrer monatlichen Sammelrunden, wuchten die Säcke mit dem Papier auf die Fahrzeuge und liefern alles zum Wiegen beim Entsorgungsunternehmen ab. Landkreisweit haben 2020 alle Vereine zusammen so 350 000 Euro eingefahren, vor zehn Jahren war es noch fast doppelt so viel.

Wenn bald auch die Weilheimer ihre durchschnittsbayerischen 74,7 Kilo Papier pro Jahr in die Tonne treten, dann neigt sich nicht nur ein Kapitel Entsorgungsgeschichte dem Ende zu. Auch für die frühpubertäre Bildung war das Altpapiersammeln mal nicht ganz unwichtig, zumindest auf dem Land. Wer da mit am Anhänger saß, sei es für die Landjugend, die Pfadfinder oder das BRK, der wusste bald genau, wo bestimmte Schmuddelhefte zu holen waren, meist diskret verschnürt unter ein paar TV-Zeitschriften. Aber die braucht heute auch kaum mehr einer, und Schmuddelhefte schon gar nicht. Gibt's ja längst alles im Internet.

© SZ vom 14.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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