Mitten in Bayern:Eine Brücke eigens für die Haselmaus

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Die Haselmäuse sind bekannt für ihre "Nettigkeit und Sanftheit des Wesens". (Foto: Schober/oh)

Ebenso zuckersüß wie schutzbedürftig ist die Haselmaus, in Niederbayern hat man ihr daher eine Brücke zur Straßenquerung gebaut. Das ist umstritten: Hat der Maus keiner erklärt, dass der Freistaat ihretwegen keine Investition scheut?

Glosse von Johann Osel

Man muss sich sorgen um die Haselmaus. Die Liste ihrer Feinde ist üppig, Eulen und Käuze lassen sich das "Wildtier des Jahres 2017" ebenso schmecken wie Füchse oder Wiesel. Ihnen mundet der Nager wohl so zuckersüß, wie er das menschliche Auge erfreut. Daumengroß ist die orangebraun-fellige Haselmaus, ihre Knopfaugen glänzen schwarz, die Öhrchen rosa-fleischig. "Dem Haselmäuschen schlägt das Herzchen; denn das Käuzchen, das ist der grimme Tod", erzählt der Schriftsteller und Naturkundler Hermann Löns in seinen "Jagdgeschichten" (1912), weiß aber Rettung: "Vorsichtig klettert sie in den Schlehenbusch, ihren guten Freund, der mit tausend starken Dornen für sie eintritt, wenn Eule oder Iltis ihr zu Leibe wollen." Zu Löns' Zeiten kaum eine Gefahr wie heute ist der Autoverkehr. Die Haselmaus ahnt sicher nicht, was ihr zum Beispiel beim Betapsen einer Staatsstraße droht, ist sie doch generell wenig argwöhnisch. "Brehms Tierleben" attestiert ihr "Nettigkeit und Sanftheit des Wesens".

Dank gebührt daher dem Bauamt Passau für Bayerns erste Haselmausbrücke. Das Gerüst, gut sieben Meter hoch, führt über die neue Umgehungsstraße in Vilshofen, eine zweite Brücke folgt noch. Ein "Pionierprojekt" nach japanischem Vorbild, betont das Amt. Noch aber wurde keine flanierende Maus erspäht. Ob Tiere die Brücke wirklich nutzen, will die Behörde auch nicht garantieren. Hat der Maus nur keiner erklärt, dass der Freiststaat ihretwegen keine Investition scheut? Nein, heißt es beim Bund Naturschutz: Wegen der Umgehung sei das Mausbiotop so gut wie zerstört und die Brücke quasi sinnlos. Alles für die Katz! Die Bild-Zeitung wähnt prompt Steuergeldverschleuderung.

Das Bauamt entgegnet, die Brücke sei überhaupt erst wegen Klagen von Naturschützern geplant worden. Zudem gebe es Ausgleichsflächen; und im Frühjahr kämen noch Büsche an die Brücke, da werde sich das Tierchen dann schon wohlfühlen - derzeit sei es eh im Winterschlaf. Nachzulesen bei Herrmann Löns. Die Haselmaus "kugelt sich zusammen, legt ihr Schnäuzchen über den Bauch, drückt ihre Pfoten vor die Augen und verfällt in einen tiefen Schlaf. (...) Sie schläft noch, wenn schon die Märzdrossel vom Fichtenwipfel in das Tal hinabsingt." Danach erst wird man also mehr wissen in Vilshofen.

© SZ vom 02.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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