Man glaubt eine Art Bildschirm zu erkennen. Auf jeden Fall aber technische Vorrichtungen, allerlei sauber geordnetes Geschirr, auch Thermoskanne, Wasserkanister und Plastiktragekiste, außerdem Handtücher, Stiefel, diverse Klamotten. All das befand sich bis vergangenen Samstag unter der Erde, in einer Art Erdbehausung in einem Steinbruch im Kreis Lichtenfels. Ein mit Haftbefehl gesuchter "Reichsbürger" hatte sich dort offenbar seit Monaten vor der Polizei versteckt. Und das nicht alleine. Seine beiden minderjährigen Kinder müssen sich ebenfalls in dem verliesartigen Loch aufgehalten haben. Die klappenartige Öffnung zu dem Schacht war mit Erdreich fast gänzlich bedeckt. Nach halbjähriger Suche ist es der Polizei vor sechs Tagen gelungen, den Mann festzunehmen. Erst an diesem Freitag ist sie damit an die Öffentlichkeit gegangen.
Die Polizei geht davon aus, dass der seit November 2018 gesuchte Mann die Behausung selbst gebaut hat. Sie war "sehr, sehr gut" versteckt, sagt Anne Höfer, Sprecherin des Polizeipräsidiums Oberfranken. Die Ermittler wollen sich bedeckt halten, in welchem Steinbruch im Landkreis Lichtenfels genau sie den Mann gefasst haben. Es waren minderjährige Kinder beteiligt, man bitte deshalb um Verständnis für die Zurückhaltung, sagt Höfer. Beide Kinder, das immerhin könne man sagen, sind wohlauf und wurden inzwischen in die Obhut eines Jugendamtes übergeben. Warum so lange gewartet wurde mit der Veröffentlichung? Die Polizei nennt "organisatorische Gründe". Es hätte drängendere Ereignisse gegeben in Oberfranken.
Die Suche nach dem 50-jährigen "Reichsbürger" war kompliziert. Nach Ausstellung eines Vollstreckungshaftbefehls - über dessen Grund macht die Polizei vorerst keine Angaben - konnten die Ermittler den Mann zuhause nicht mehr antreffen. Es gelang ihnen lediglich, zu ermitteln, dass er mit seinen Kindern sein familiäres Umfeld verlassen hatte. Die Fahnder schlossen nicht aus, dass er mitsamt den Kindern im Ausland sein könnte.
Erst Anfang Mai stießen die Ermittler auf eine heiße Spur. Es ergaben sich Hinweise, dass sich die Gesuchten in einem Steinbruch aufhalten könnten. Dies ließ sich erhärten, auch wenn das Erdloch schwer zu finden war. Lediglich eine schmale Öffnung an der Oberfläche deutete darauf hin, dass sich unter der Erde etwas anderes finden könnte als ein Steinbruchstollen. Tatsächlich fanden die Ermittler dort eine provisorische Wohnung für drei Personen.
Die Polizei griff in der Abenddämmerung mithilfe der Polizeihubschrauberstaffel zu; der 50-Jährige leistete keinen Widerstand. Seine Behausung wurde in den vergangenen Tagen bereits geräumt und ist schon wieder mit Erdreich aufgefüllt. Der Festgenommene machte der Polizei gegenüber bislang keine Angaben. So dürften über die Details dieses Falls wohl länger noch Fragen offen bleiben.