Unterfranken:Gurken verpacken? Bauer vernichtet lieber seine Ernte

Lesezeit: 2 min

So will sie der Handel angeblich haben, so liegen sie im Supermarkt: einzeln verpackte Gurken. (Foto: Novarc/Mauritius)
  • Ein Landwirt im unterfränkischen Segnitz hat einen Teil seiner Gurkenernte medienwirksam vernichtet, den Rest verkauft er zu Schleuderpreisen.
  • Grund für die Aktion ist seinen Angaben nach eine Forderung des Handelskonzerns Rewe, er müsse seine Gurken künftig verpackt abliefern, was er sich nicht leisten könne.
  • Laut dem Konzern gibt es so eine Abmachung nicht.

Von Olaf Przybilla, Segnitz

Franz Hagn hat am Montag nur ein paar Minuten Zeit zum Sprechen, so gewaltig ist der Ansturm auf seinen Hof. Er klingt verzweifelt, was man sich bei in Schlangen anstehenden Kunden auch anders vorstellen könnte. Aber der Landwirt aus dem unterfränkischen Segnitz ist auf eine Ansturm-Situation wie nach der Maueröffnung offenbar nicht vorbereitet. Was verständlich ist: Dass Gurken zu Schleuderpreisen für den einen oder anderen Käufer attraktiv sein könnten, wäre ja zu erwarten gewesen - andererseits gelten günstige Gurken eher nicht als exorbitant gefragte Mangelware. Die Verzweiflung des Bauers hat aber angeblich noch einen anderen Anlass: Einen sechsstelligen Verlust, so gibt er es zumindest an, will er zuletzt gemacht haben. Der Grund: Der Handel wolle seine Minigurken plötzlich nur noch verpackt haben. Das könne er nicht leisten. Deshalb habe er einen Teil vernichtet, der andere werde nun eben verschleudert.

Beiträge, die den Lebensmittelhandel kritisieren, sind in den sozialen Netzwerken gefragter denn je. Eben erst ist ein Discount-Kunde, der sich über ein extrem billiges Stück Fleisch ereiferte, zur Berühmtheit geworden. Der Fall aus Franken ist nun etwas anders gelagert. Da beklagt sich per Video nicht etwa ein Kunde, sondern ein Zulieferer über den Handel - und wird millionenfach geklickt. Was am Montag offenbar der tiefere Grund ist für den reißenden Absatz von Minigurken in Franken.

Sieben Minuten lang ist das Filmchen, in dem Bauer Hagn aus dem Kreis Kitzingen zu sehen ist, wie er und Helfer Minigurken unter die Erde pflügen. Über die Bilder sind Texte gelegt: "Die großen, bekannten Handelsketten wollen nur noch in Plastikfolie verpackte Gurken annehmen. Deshalb werden in Segnitz diese Minigurken in Topqualität vernichtet". Man sieht Menschen, die Gurken auf den Acker kippen. "Schau dir des an", sagt eine Stimme aus dem Off, "so eine Scheiße." Die Stimme übernimmt bald robust die Gesprächsführung: "Also Franz, des is' scho' a Drama", sagt sie, danach soll Hagn erzählen, warum er seine Gurken vernichte.

14 Jahre, sagt er, produziere er nun schon Gurken auf derselben Fläche. Erst kürzlich sei dann von einem Abnehmer - im Video fällt der Name des Handelskonzerns Rewe - mitgeteilt worden, künftig seien nur abgepackte Gurken gewünscht. Zwei Tonnen Gurken ernte er täglich, der Fragesteller sagt: "Alles für'n Arsch, alles für umsonst." In den Gewächshäusern habe er schon das Wasser abgestellt, erklärt Hagn am Montag, Restbestände müsse er jetzt eben verhökern, ein Riesenverlust. Dann sagt er, das Gespräch am Telefon müsse er nun aber beenden, "Kunden stehen Schlange". Zehn Euro kosten zehn Kilo Kleingurken an dem Tag.

Warum er angeblich so kurzfristig von allem erfahren hat, bleibt offen. Und auch sonst bleiben allerlei Fragen: Rewe erklärt am Montag auf Anfrage, man könne die Aktion "weder nachvollziehen noch gutheißen". Der Bauer sei Rewe nicht bekannt, beliefere den Konzern auch nicht direkt. Vielmehr sei er Mitglied in einer Vermarktungsgenossenschaft, die Rewe beliefere. Die Aussage, Rewe habe "eine Abnahme von Minigurken" geplant, sei "schlichtweg falsch". Es habe keinerlei vertragliche Abmachungen gegeben. Grundsätzlich vermarkte man sowohl unverpackte Minigurken von regionalen Erzeugern als auch Minigurken in der Pappschachtel mit Folie darum. Die Erzeugergenossenschaft habe Rewe im Übrigen versichert, dass die gesamte Minigurken-Ernte des Landwirts über sie hätte vermarktet werden können.

© SZ vom 13.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Analyse zum Müll
:Wenn Verpackung ihren Sinn verfehlt

Im Supermarkt ist so gut wie alles in Plastik gehüllt. So entstehen riesige Müllberge, die sich vermeiden ließen. Eine Ausnahme ist die Salatgurke: Da ist die Folie durchaus sinnvoll.

Von Vivien Timmler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: