Landtagswahl Bayern 2023:Wählen mit Gefühl

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Fast eineinhalb Jahre Tüftelei war nötig, um eine geeignete Schablone für die bayerische Landtagswahl zu entwickeln, die blinde und sehbehinderte Menschen gut nutzen können. (Foto: Stephan Rumpf)

Eine geheime Stimmabgabe ist für blinde und sehbehinderte Menschen oft nicht so einfach möglich. Neue Wahlschablonen für die Landtagswahl sollen das jetzt ändern - zumindest in Mittelfranken.

Von Laura Lehner

Allgemein, gleich, unmittelbar und geheim muss die Wahl zum bayerischen Landtag ablaufen - das schreiben die Wahlgrundsätze vor. Doch was, wenn Menschen aufgrund einer Erblindung den Wahlzettel nicht ohne Hilfsperson ausfüllen können?

Seit 1998 gibt es aus diesem Grund besondere Wahlschablonen, mit deren Hilfe Blinde und Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen eigenständig an Abstimmungen teilnehmen können. Was bei Bundestags-, Europa- oder Kommunalwahlen schon längst möglich ist, konnte bei der bayerischen Landtagswahl bisher nicht umgesetzt werden. Der Grund: die oft überdimensional großen Stimmzettel - in Oberbayern stehen bei der diesjährigen Wahl mehr als 60 Kandidaten auf dem Papier - konnten bislang nicht in blindengerechte Schablonen umgewandelt werden. Bisher waren Blinde im Freistaat deshalb auf die Hilfe einer Assistenzperson in der Wahlkabine angewiesen. Diese Hilfspersonen sind laut bayerischem Landesamt für Statistik dazu verpflichtet, dem Wählenden rein "technische" Hilfestellung für einzelne Tätigkeiten zu geben und das Wahlergebnis geheim zu halten.

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"Auch Blinde haben das Recht auf eine geheime und eigenständige Wahl," findet der Teamleiter des Beratungs-, Informations- und Textservice-Zentrums (BIT) des bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes e.V. (BBSB), Robert Müller. Deshalb initiierte er gemeinsam mit seinen Kollegen im BIT ein Pilotprojekt, um ein geeignetes Hilfsmittel zu finden. Fast anderthalb Jahre tüftelten sie an einer Möglichkeit.

Ergebnis des "kreativen Prozesses", wie Müller die Arbeit der vergangenen Monate beschreibt, ist eine Pappschablone, in die der Stimmzettel eingelegt wird. Die Konstruktion ermöglicht eine geheime und eigenständige Wahl von zu Hause oder direkt im Wahllokal. In der Schablone befinden sich über den Ankreuzfeldern runde Ausstanzungen, die Blinde mit den Fingern ertasten können. Die zu wählenden Kandidaten werden nach Parteizugehörigkeit und Listenplatz nummeriert und können so einem Loch in der Schablone zugeordnet werden.

Eine CD, die zuvor zu Hause angehört werden kann, dient der Vorbereitung des Wahlvorganges. Sie gibt Anweisung zum richtigen Einlegen und Falten der Schablone. Außerdem nennt sie die Zahlenkombinationen der Kandidaten. Mithilfe dieser setzen Blinde anschließend zu Hause per Briefwahl an der entsprechenden Stelle ihr Kreuz. Alternativ merken sie sich die Ziffernkombination ihres Favoriten und kreuzen im Wahllokal das entsprechende Kästchen an. Ein Wahlhelfer darf außerdem beim Einlegen der Stimmzettel in die Schablone behilflich sein. Vier blinde Münchnerinnen und Münchner haben das Wahlhilfsmittel mit Placebo-Stimmzetteln vor Kurzem getestet.

Gregor Cordes gehört zu den Versuchspersonen, die mit Placebo-Stimmzetteln die neuen Schablonen - für die Erst- und die Zweitstimme - testen konnten. (Foto: Stephan Rumpf)

"Es ist eine kleine Fuddelei, aber irgendwie hat es Spaß gemacht. Ein bisschen wie Schiffe versenken", beschreibt Bernhard Claus den Wahlvorgang. Auch Gregor Cordes unterstützt das Vorhaben. "Seit es Wahlschablonen gibt, nutze ich sie aktiv. Hoffentlich bald auch bei der Landtagswahl." Die Vorstellung, ohne Assistenzperson im Wahllokal die eigene Stimme abzugeben, erfreut auch Gabi Roßmaier. "Deshalb bin ich hier, die Schablone finde ich einfach gut."

Bei der Wahl am 8. Oktober kommt die Schablone jedoch nur in Mittelfranken zum Einsatz. "Dort haben wir eine überschaubare Kandidatenzahl und eine hohe Nachfrage von Blinden", erklärt Müller. Ungefähr 2500 bis 3000 Blinde, die die Schablone nutzen könnten, gibt es dort. Für eine entsprechende Konstruktion für Oberbayern, wo traditionell besonders viele Kandidaten zu wählen sind, müsse er sich noch etwas einfallen lassen. Das bayerische Landesamt für Statistik begrüßt das Projekt "in besonderer Weise". Das Ziel sei, die Schablonen bei künftigen Landtagswahlen auch in anderen Wahlkreisen einzusetzen.

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