Kriminalität - Gießen:Prozess um Entführung und Mord ohne Leiche gestartet

Bayern
Ein Justizmitarbeiter schließt die Tür zu einem Verhandlungssaal. Foto: Patrick Pleul/zb/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Gießen (dpa/lhe) - Fast fünf Jahre nach dem Verschwinden eines Mannes aus Hanau stehen zwei Männer in einem Mordprozess vor dem Landgericht Gießen. Die 40 und 44 Jahre alten Angeklagten sollen ihren Bekannten im November 2016 entführt, getötet und dessen Leiche fortgeschafft haben. Trotz umfangreicher Ermittlungen, die bis nach Bayern an den Starnberger See führten, ist der Leichnam des 39-Jährigen bis heute nicht gefunden. Die Staatsanwaltschaft geht aber von Mord aus sowie von erpresserischem Menschenraub mit Todesfolge.

Zu Beginn der Verhandlung am Mittwoch kündigte der 44 Jahre alte Angeklagten eine Aussage an. Der jüngere will "gegenwärtig keine Angaben machen", wie dessen Verteidiger erklärte. Der Staatsanwaltschaft zufolge hatten die Männer im Ermittlungsverfahren umfangreich ausgesagt und sich dabei gegenseitig belastet.

Die Angeklagten sollen 2016 den Entschluss gefasst haben, ihren Bekannten zu entführen, um Lösegeld zu erpressen. Es war laut Anklage auch geplant, das Opfer zu töten, um eine Aufdeckung der Tat zu verhindern. Die beiden sollen dann dem "völlig ahnungslosen" Mann vorgespielt haben, sich gemeinsam eine Immobilie in Hungen (Kreis Gießen) anzuschauen. Der Anklageschrift zufolge bestand das Interesse, einen Swingerclub zu eröffnen.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 39-Jährige mit einer Pistole erschossen wurde. Einer der Angeklagten soll mehrere Schüsse auf dessen Kopf und Oberkörper abgefeuert haben. Die Leiche des Opfers soll nach der Tat zerstückelt und die sterblichen Überreste im Wald vergraben sowie in einem "tiefen Gewässer" versenkt worden sein. Lösegeld soll nicht mehr gefordert worden sein.

Die Ermittlungen in dem Fall hatten im vergangenen Mai eine Wende genommen: Damals meldete sich der 44-Jährige laut Staatsanwaltschaft bei der Polizei und gab an, dass der Vermisste von einem Bekannten - dem Mitangeklagten - getötet worden sei. Im Lauf der weiteren Ermittlungen wurde dieser dann festgenommen. Doch auch der Hinweisgeber geriet unter Verdacht. Beide Männer - der eine ist Deutscher, der andere Türkei-Deutscher - sitzen bereits seit mehreren Monaten in Untersuchungshaft.

Der 44-Jährige aus dem Main-Kinzig-Kreis machte am Mittwoch erste Angaben zu seinem Lebenslauf. Demnach ist er Lehrer und "kein anspruchsvoller Luxustyp". Er sei in einen Schützenverein eingetreten, habe aber nur "sehr, sehr selten" vorbeigeschaut. Mit seinem Geld sei er ausgekommen, habe sich in schwierigen Zeiten aber auch etwas gegönnt. Für Besuche bei Prostituierten etwa stockte er einen Kredit auf, wie der Angeklagte erzählte. Auch habe er immer mal Roulette gespielt, süchtig sei er aber nicht.

Der 44-Jährige kam kurz und vage auch auf den November 2016 zu sprechen: Seit dieser Zeit habe er sich sozial zurückgezogen und sich später auch einen Therapeuten gesucht. Denn er habe nicht erzählen können und dürfen, sein "bester Freund" sei vor seinen Augen erschossen worden. Er habe Morddrohungen erhalten. Die Richter wollen den Angeklagten erst am nächsten Verhandlungstag am kommenden Freitag auch zu den Tatvorwürfen befragen.

Das Landgericht wird den Fall - in dem es laut dem Vertreter der Staatsanwaltschaft "viele Fragen" gibt - voraussichtlich bis in den September hinein verhandeln.

© dpa-infocom, dpa:210421-99-294460/4

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: