Bildung in Bayern:Krieg und Schule

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In vielen Klassenzimmern ist das Thema Krieg präsent, weil zum Beispiel aus der Ukraine geflüchtete Kinder dieselbe Schule besuchen. (Foto: Robert Michael/dpa)

Zivilschutzübungen im Klassenzimmer? Der Vorstoß der Bundesbildungsministerin stößt in Bayern auf Ablehnung. Dafür plant die Staatsregierung bereits, den Besuch von Jugendoffizieren an Schulen verbindlicher zu gestalten.

Von Maximilian Gerl und Johann Osel

Krieg im Unterricht, ein schwieriges Thema. Schule sei ein geschützter Raum, sagt Martin Löwe. Solche Themen müsse man kindgerecht behandeln, das könne nicht "von oben herab" stattfinden. Insofern sind sie am Montag beim Bayerischen Elternverband (BEV) vor allem eines: "sehr irritiert", so formuliert es Landesvorsitzender Löwe. In einem Interview hatte zuvor Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) mehr Zivilschutzübungen an den Schulen gefordert - und dabei nicht nur vom Katastrophen-, sondern auch vom Kriegsfall gesprochen. Ein Vorstoß, natürlich, aber "brachial" vorgebracht, so empfand es Löwe. Als ob "das Land auf Krieg gebürstet" werden solle.

Irritiert: Das trifft vielleicht die Gefühlslage in der bayerischen Schulfamilie noch am besten. Oder am freundlichsten, je nachdem, wie man die Sache sieht. "Die Gesellschaft muss sich insgesamt gut auf Krisen vorbereiten - von einer Pandemie über Naturkatastrophen bis zum Krieg", sagte Stark-Watzinger vergangene Woche der Funke-Mediengruppe. Zivilschutz sei "immens wichtig" und gehöre auch in die Schulen. "Ziel muss sein, unsere Widerstandsfähigkeit zu stärken." In Großbritannien gehörten Übungen für den Katastrophenfall zum Schulalltag, "davon können wir lernen". Außerdem empfahl die Ministerin den Schulen, ein "unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr" zu entwickeln. Sie halte es für wichtig, "dass Jugendoffiziere in die Schulen kommen und berichten, was die Bundeswehr für unsere Sicherheit tut".

Was das genau für die Schulen bedeutet? Erst mal wenig, Bildung ist keine Sache des Bundes, sondern der Länder. Und im Freistaat reagiert nicht nur der BEV skeptisch auf den Vorstoß aus Berlin. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) etwa sieht den Einsatz von Offizieren in den Schulen kritisch. "Gesellschaftliche Herausforderungen wie Kriege, Pandemie und Naturkatastrophen sind immer Aufgabe von Schule", sagt BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Dazu gehöre, Kindern Ängste zu nehmen, bestmöglich Situationen zu erklären und sensibel zu besprechen. "Wir müssen diese Themen mit geschulten Pädagoginnen und Pädagogen parieren." Ob Offiziere das übernehmen könnten, sei zu hinterfragen. Überhaupt: "Ein unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr zu entwickeln in der jetzigen Zeit", das erscheine "eher schwierig".

Dennoch trifft der Vorstoß aus Berlin auf eine Debatte in Bayern. Zum einen, weil die Schulen kaum vorbeikommen an dem Großkomplex Krieg. Kinder und Jugendliche bekommen schließlich mit, was in der Welt passiert und wie sich das Sicherheitsgefühl hierzulande durch den russischen Überfall auf die Ukraine verändert hat. In vielen Klassen sitzen Schülerinnen und Schüler, die von dort geflüchtet sind. Sie können aus eigener Erfahrung berichten, was Krieg für sie bedeutet: Gewalt, Verlust, Angst und die Ungewissheit, wie es für sie und ihre Liebsten weitergeht.

Der Bundeswehr-Vorstoß dürfe nicht den Grundsatz der weltanschaulichen Neutralität verletzen

Zum anderen plant die Staatsregierung bereits, den Schulbesuch von Jugendoffizieren im Rahmen einer Gesetzesänderung verbindlicher zu gestalten. Vereinfacht sollen diese speziell geschulten Soldatinnen und Soldaten künftig im Unterricht Aufgaben der politischen Bildung übernehmen und zum Beispiel erklären, welche Aufgaben der Bundeswehr zukommen. Mit Anwerben hat das nichts zu tun, dafür sind Karriereberater der Bundeswehr zuständig. Trotzdem finden das längst nicht alle in der Schulfamilie gut. So begrüßt der BEV zwar "das Grundanliegen des Gesetzes, die Stärkung der Bundeswehr". Doch für dieses Ziel dürfe "nicht der Grundsatz der weltanschaulichen Neutralität der bayerischen Schulen sowie der Souveränität der Lehrkraft als Fachkraft für das Lernen geopfert werden", heißt es in einer Stellungnahme des Verbands zum Gesetzesentwurf. Sie datiert auf den 15. März. Wenig später machte dann Stark-Watzingers Vorstoß Schlagzeilen.

Diesen stuft auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) als "völlig überzogen" ein, weil er "Wehrunterricht" und "Kriegstüchtigkeit" von Schülern insinuiere. Da müsse man "die Wortwahl genau wählen", sagte Söder nach einer CSU-Vorstandssitzung am Montag. Es sei "skurril und absurd, unseren Kindern Kriegsunterricht vermitteln zu wollen". Die für Bayern geplante Gesetzesänderung verteidigte Söder aber. Hier gehe es etwa um die internationalen Krisen und die Darstellung der Leistungsfähigkeit der Bundeswehr - und darum, bei Jugendlichen eine "Entscheidungs- und Beurteilungsfähigkeit" zu fördern, jenseits davon, "was als Fake News durchs Netz geht".

Und was im Netz geteilt wird und verfängt, das beobachten Fachleute in der Tat mit Sorge. In den sozialen Netzwerken sind Verschwörungsmythen und Propaganda häufig nur ein Smartphone-Wischen entfernt. Nicht nur Kinder und Jugendliche verlieren da mitunter den Überblick, was wahr ist und was falsch, was Fakt ist, was Meinung und was Manipulation. BEV-Chef Löwe plädiert daher grundsätzlich für mehr politische Bildung an den Schulen: Es brauche hier "mehr Geld", "mehr Manpower" und ein fächerübergreifendes Konzept. "Man muss in den Köpfen ansetzen."

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