Kirche:Trauer nach Tod von Papst Benedikt - auch kritische Stimmen

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Papst Franziskus (r) begrüßt den emeritierten Papst Benedikt XVI. vor dem Beginn eines Treffens. (Foto: Gregorio Borgia/AP/dpa)

Im Freistaat herrscht nach dem Tod von Benedikt XVI. große Trauer. An öffentlichen Gebäuden hängen Flaggen auf Halbmast. In die breite Würdigung des Lebenswerkes des gebürtigen Oberbayern mischt sich aber auch deutliche Kritik.

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München (dpa/lby) - Mit großer Anteilnahme haben die bayerischen Bischöfe und Politiker auf die Nachricht vom Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. reagiert. Sie würdigten das theologische Wirken des 95-Jährigen Bayerns, der am Silvestermorgen im Vatikan gestorben war. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) würdigte die Heimatliebe des früheren Pontifex' und ordnete eine dreitägige Trauerbeflaggung an. Doch es gab auch deutliche, kritische Stimmen von Reformverbänden und Opferinitiativen.

Kardinal Reinhard Marx, der Erzbischof von München und Freising, sagte: „Benedikt XVI. war ein großer Papst, der sein Hirtenamt stets mit Freimut und starkem Glauben ausübte.“ Als Theologe habe er die Kirche lange und nachhaltig geprägt. Er bescheinigte Joseph Ratzinger Intellektualität und eine tiefe, ehrliche Frömmigkeit und sagte: „Dabei blieb er stets bescheiden und hat immer das Amt, nicht die Person in den Vordergrund gestellt.“

Eine eher gemischte Bilanz in Bezug auf die Ökumene bescheinigte der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm dem emeritierten Papst. Die Erklärung „Dominus Jesus“, die der damalige Kardinal Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation 2000 veröffentlicht habe, habe „Verletzungen hinterlassen, die nachgewirkt haben“.

Denn: „Dort heißt es, die protestantischen Kirchen seien nicht „Kirche im eigentlichen Sinne“. Die damit verbundene Vorstellung, dass die katholische Kirche die eigentliche Kirche ist und anderen Kirchen nur „kirchliche Gemeinschaften“, ist kein wirklich tragfähiges Konzept von Ökumene“, schrieb der Landesbischof, der Benedikt insbesondere für seine „theologische Gelehrsamkeit“ großen Respekt zollte.

Der katholische Würzburger Bischof Franz Jung bezeichnete Benedikt als theologische Ausnahmebegabung. „Er brillierte mit einem scharfen Verstand und wies eine umfassende theologische Bildung auf.“ Eine abschließende Bewertung seines Pontifikates könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgenommen werden, sagte er allerdings.

Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke geht davon aus, dass der theologische Nachlass Ratzingers „einmal unter die bedeutenden theologischen Werke der Kirchengeschichte eingereiht (...) werden“. Benedikt sei hochgebildet, aber nicht eingebildet gewesen, sagte der Diözesanadministrator des Erzbistums Bamberg, Weihbischof Herwig Gössl.

Benedikts Rücktritt habe gezeigt, wie wenig er an der Macht gehangen habe und wie sehr ihm am guten Fortkommen der Kirche gelegen habe, sagte auch der Passauer Bischof Stefan Oster. Der emeritierte Papst habe auch immer wieder überrascht, etwa „mit seinem Umgang mit eigenen Fehlern oder Fehleinschätzungen und den Wunden der Kirche, mit seiner Fähigkeit zum echten Dialog“.

Den Umgang des als streng konservativ geltenden Ex-Papstes, der von 2005 bis 2013 Oberhaupt der Katholiken war, mit eigenen Fehlern sieht die Opferinitiative „Eckiger Tisch“ dagegen völlig anders.

Ratzinger, der diese Vorwürfe zu Lebzeiten bestritten hatte, habe als Erzbischof von München und Freising „Schuld auf sich geladen“ als er „einen notorischen Missbrauchspriester wieder in den Pfarrdienst“ gebracht habe, „wo dieser Serientäter in der Folge jahrzehntelang weitere Kinder missbrauchte“, sagte der Sprecher der Initiative, Matthias Katsch. Er bezog sich auf den Wiederholungstäter Priester H., der im Mittelpunkt des Aufsehen erregenden Münchner Missbrauchsgutachtens stand, das auch Kritik an Ratzingers Rolle in dem Fall übte.

„Er trägt die Verantwortung dafür, dass Meldungen über sexualisierte Gewalt aus aller Welt im Vatikan abgelegt und zugleich vor der weltlichen Justiz versteckt wurden“, sagte Katsch über Ratzingers Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation in Rom. „Uneinsichtig bis zum Schluss erkannte er nicht die ungesunde vormoderne Sexualmoral seiner Kirche als Wurzel des Übels des Kindesmissbrauchs durch Priester, sondern schob die Verantwortung stattdessen der Gesellschaft zu.“

Von einem schweren Erbe, das Benedikt der Kirche hinterlassen habe, sprach die Reform-Initiative „Wir sind Kirche“ - und auch von einer persönlichen Schuld Ratzingers: „Zu einem persönlichen Schuldeingeständnis war er nicht bereit. Damit hat er dem Bischofs- und Papstamt großen Schaden zugefügt.“

Die Rolle, die Ratzinger im Fall Priester H. spielte, sollte im kommenden Jahr eigentlich das Landgericht Traunstein beschäftigen. Dort hat ein Betroffener Klage eingereicht gegen den mutmaßlichen Täter H., das Erzbistum München und Freising und die früheren Bischöfe Kardinal Friedrich Wetter und eben Ratzinger. In der Klage geht es darum, festzustellen, inwiefern Bistumsverantwortliche Schuld auf sich geladen haben.

Die Garchinger Initiative Sauerteig, die den Kläger unterstützt, bedauert es, dass die Rolle Benedikts nun wohl nicht mehr juristisch aufgearbeitet wird. „Mit der Klärung seiner Verantwortung vor einem weltlichen Gericht hätte er für die Zukunft der katholischen Kirche einen bedeutenden Schritt machen können“, teilte die Initiative am Samstag mit. „Dass Papst em. Benedikt seiner Kirche diesen Dienst nun nicht mehr erweisen kann, gehört wohl zur Tragik seines Lebens.“

© dpa-infocom, dpa:221231-99-62411/3

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