Kirche:Durchsuchungsaktion im Erzbistum: „Kurswechsel der Justiz“?

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Es ist ein beispielloser Vorgang: Im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche hat die Staatsanwaltschaft laut „SZ“ einen Durchsuchungsbeschluss gegen das Münchner Erzbistum erwirkt. Eine Aktion mit Symbolkraft - und Zeichen eines Kurswechsels?

Direkt aus dem dpa-Newskanal: Dieser Text wurde automatisch von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) übernommen und von der SZ-Redaktion nicht bearbeitet.

München (dpa/lby) - Nach einer Durchsuchungsaktion der Staatsanwaltschaft beim Erzbistum München und Freising hoffen Betroffene und Kirchen-Reformer auf einen veränderten Umgang der Justiz mit Missbrauchsverdachtsfällen in der katholischen Kirche. „Das ist tatsächlich eine bemerkenswerte Aktion. Hoffentlich ist es ein Zeichen für einen Kurswechsel der Justiz im Umgang mit der Kirche“, sagte der Sprecher der Betroffeneninitiative Eckiger Tisch, Matthias Katsch, der Deutschen Presse-Agentur. „Leider kommt er für viele Betroffene zu spät.“

Der Vorsitzende des Betroffenenbeirats der Erzdiözese München, Richard Kick, nannte es „außerordentlich, dass nach mehr als zehn Jahren des Wegschauens der bayerischen Staatsregierung endlich Bewegung in die Sache kommt“.

Die Staatsanwaltschaft München I ist laut „Süddeutscher Zeitung“ Mitte Februar mit einem Durchsuchungsbeschluss beim Erzbistum München und Freising vorstellig geworden. Die Aktion soll im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche und Vertuschungsvorwürfen gegen Bistumsverantwortliche stehen. Das Erzbistum wollte sich am Sonntag auf Anfrage nicht äußern. Gegen Kardinal Reinhard Marx richten sich die Ermittlungen laut „SZ“ nicht. Es soll um den Fall eines inzwischen verstorbenen Priesters gehen, dessen Taten in die 1960er Jahre zurückreichen sollen.

Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) betonte: „Die Menschen in Bayern können sich darauf verlassen: Die bayerischen Staatsanwaltschaften ermitteln konsequent, sobald sich Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht ergeben. Keiner steht in Bayern über dem Gesetz, kein Politiker, kein Wirtschaftsboss und auch kein Geistlicher.“ Im kirchlichen Bereich seien seit dem Jahr 2010 mehrere Hundert Ermittlungs- und Vorermittlungsverfahren geführt worden.

Zum konkreten Durchsuchungs-Fall äußerte sich Eisenreich explizit nicht. Er betonte aber: „Die Staatsanwaltschaften wenden Recht und Gesetz an. Sie ermitteln - und durchsuchen, wenn erforderlich - immer dann, wenn ein entsprechender Anfangsverdacht vorliegt.“ Wie er im Landtag bereits berichtet habe, habe es seit 2017 bei der Strafverfolgung von Missbrauchsfällen in der Kirche in Bayern in 39 Fällen Durchsuchungen bei Geistlichen oder Kirchenangehörigen gegeben. Eisenreich betonte: „Durchsuchungen dienen nicht dazu, ein politisches Signal zu setzen, sondern Beweismittel zu finden.“

„Die Kirchen haben viel zu lange versucht, alles kirchenintern selber zu regeln. Damit haben sie immer wieder Täter geschützt und vor allem weitere Verbrechen ermöglicht“, sagte Edgar Büttner von der Reformbewegung Wir sind Kirche München und sprach von einer „eher symbolischen Aktion“ der Staatsanwaltschaft. „Es wäre gut gewesen, wenn dies schon 2010 erfolgt wäre, nach dem ersten Münchner Missbrauchsgutachten, das Kardinal Marx zwar hat erstellen lassen, dann aber unter Verschluss gehalten hat.“

Die Staatsanwaltschaft verwies darauf, dass sie schon seit Vorstellung des Aufsehen erregenden Münchner Missbrauchsgutachtens im Januar 2022 untersucht, ob „ein Fehlverhalten kirchlicher Verantwortungsträger gegeben sein könnte“. Wie üblich könne man zu laufenden Ermittlungen allerdings keine Auskünfte geben.

Die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) hatte das Gutachten im Auftrag des Erzbistums veröffentlicht. Die Studie geht von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern aus - und von einem weit größeren Dunkelfeld.

Die Justiz - vor allem in Bayern - war immer wieder dafür kritisiert worden, die Kirche mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals sich selbst zu überlassen, nicht einzugreifen und damit Vertuschung zu ermöglichen. Der Kirchenrechtler Thomas Schüller sprach nach der Aktion der Staatsanwaltschaft nun von einer „Zeitenwende im Verhältnis von staatlicher Justiz und den Kirchen“.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warf der katholischen Kirche eine jahrelang viel zu zögerliche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle vor. „Es ist definitiv alles zu spät gewesen und zu lang“, sagte er. „Da hätten sich alle, glaube ich, ein schnelleres und gründlicheres Verfahren von Beginn an gewünscht.“ Söder sagte aber auch: „Gleichwohl muss ich schon sagen: Ich respektiere schon, wie viel sich dann auch getan hat. Also es gibt zwischen der Wahrnehmung der Öffentlichkeit und der Tatsache, was passiert ist, auch Differenzen.“ In dem Zusammenhang nannte Söder Kardinal Marx.

„Da ist schon viel passiert und da ist auch viel geleistet worden“, sagte Söder. „Es gab auch viel schwere Kritik an Personen, die gar nichts dafür können, die das auch sehr getroffen hat. Auch das muss man einfach mal sehen. Auch da sind Menschen dabei, die im besten Glauben handeln und denen manchmal auch Unrecht getan wurde.“

Die katholische Kirche habe sich zu spät der „vollen Realität“ gestellt. Dadurch seien viele Maßnahmen auch verzögert worden. „Und viele Leute, auch gerade Betroffene, hatten den Eindruck: Wollen die denn wirklich helfen und tun die genügend dafür?“

Gabriele Triebel, religionspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, sieht nach der Justiz jetzt vor allem die Politik am Zug: „Jetzt muss sich aber auch die CSU-Staatsregierung endlich bewegen, denn so wie bislang kann man mit Betroffenen einfach nicht umgehen“, sagte sie. „Wir brauchen eine staatliche Ombudsstelle und eine Dunkelfeldstudie - beides Projekte, gegen die sich die Söder-Regierung nach wie vor wehrt.“

© dpa-infocom, dpa:230226-99-749043/8

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