Kabinett:Seehofers letzter Joker

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Horst Seehofer und Joachim Herrmann (rechts) sind langjährige Vertraute. Herrmann nimmt eine Schlüsselposition in den Planspielen ein, wie Seehofer zumindest noch als Ministerpräsident weitermachen könnte. (Foto: AFP)

Der CSU-Chef braucht Joachim Herrmann so sehr wie nie zu vor. Sollte dieser nach Berlin wechseln, könnte er auch den Parteivorsitz übernehmen - und Markus Söder damit verhindern.

Von Wolfgang Wittl, München

Zu den wesentlichen Eigenschaften eines Parteichefs gehöre die Fähigkeit, viele Dinge schlucken zu können, sagt Horst Seehofer. Weil er gleichzeitig ein Meister darin ist, Parteifreunden kräftig einzuschenken, wird derzeit die gesamte CSU von einem gehörigen Schluckauf geplagt. Seehofers Gegnern stößt auf, dass sie sich ihre Kritik bis zum Parteitag aufsparen sollen. Der Ministerpräsident wiederum würde wohl liebend gerne ein paar Leute aus seinem Kabinett entfernen, die zuletzt den Mund zu weit aufgemacht haben. Dass das allerdings nicht so einfach ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit.

Vor 18 Jahren teilte Edmund Stoiber seinem Justizminister Alfred Sauter am Telefon mit, dass er ihn wegen der LWS-Affäre hiermit aus dem Kabinett entlasse. Sauter zeigte sich nicht nur verbal wenig erfreut ("Schafsscheiß"), sondern auch verfahrenstechnisch ziemlich widerspenstig. Er wies Stoiber darauf hin, dass nur der Landtag einen Minister entlassen könne, nicht der Ministerpräsident. Erst mit größtem Druck in der CSU-Fraktion gelang es Stoiber, dass Sauter doch hinwarf.

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Heute ist die Situation in der Landtagsfraktion eine andere. Würde Seehofer seine Kritiker aus dem Kabinett entfernen wollen, käme es "zur offenen Feldschlacht", raunen CSU-Leute. Bereits ein Dutzend Landtagsabgeordnete würde reichen, um eine von Seehofer gewünschte Abberufung zu verhindern (die Opposition würde ohnehin gegen eine CSU-Regierung stimmen). Das Risiko für Seehofer, eine Niederlage zu erleiden, wäre zu groß.

Als der Ministerpräsident seinem Finanzstaatssekretär Albert Füracker drohte, weil dieser die Meinung seines Oberpfälzer CSU-Bezirks kundtat, es brauche einen geordneten Übergang, gab es sofort ein Grummeln in der Fraktion. Das Signal: Füracker, Vertrauter von Seehofers Rivalen Markus Söder, gilt grundsätzlich als unantastbar.

Vielen polarisiert Söder zu stark

Anders sieht es wohl bei Kultusstaatssekretär Georg Eisenreich aus, Seehofers schärfstem Kritiker. Der Münchner gilt wie sein Minister Ludwig Spaenle als Mann mit mäßiger Beliebtheit in der Fraktion. Sollte Seehofer sich trotz des miserablen Wahlergebnisses festigen und eine anerkannte personelle Alternative zu Eisenreich aufzeigen, könnte der "geordnete Übergang" im Kabinett anders ausfallen, als Eisenreich sich das vorstellt. Der Unterfranke Oliver Jörg gilt durchaus als geeignet für einen Posten im Kultusressort.

Söders Gefolgsleute bevorzugen bekanntlich einen Wechsel an der Spitze des Kabinetts. Ihnen wäre es am liebsten, der Finanzminister würde gleich als amtierender Regierungschef in die Landtagswahl gehen. Dagegen steht nicht nur der feste Wille Seehofers, seinen Dienst (mindestens) bis zum letzten Tag zu verrichten, sondern auch der Widerstand der Parteiführung. Und dann gibt es Mitglieder, die nach einem neuen Gesicht rufen - und solche, die sich einen Ministerpräsidenten Söder partout nicht vorstellen können, weil er zu stark polarisiere.

Lieber unterhält sich Herrmann mit einem Berg Akten

Mit einer Kabinettsumbildung in Bayern ist erst nach den Koalitionsverhandlungen im Bund zu rechnen, voraussichtlich im kommenden Jahr. Wie umfassend sie ausfällt, hängt von Innenminister Joachim Herrmann ab. Seine Ankündigung, er sei auch ohne Bundestagsmandat zum Wechsel nach Berlin bereit, ließ in der Partei aufhorchen. Herrmann ist nicht dafür bekannt, Personalien auszubreiten - erst recht seine eigene. Lieber unterhält er sich mit einem Berg Akten, als über so etwas zu reden. Dass er es trotzdem tat, muss also etwas bedeuten. Seine mit Seehofer abgestimmte Erklärung sollte vor Beginn der Sondierungen deutlich machen, dass die CSU weiter Anspruch auf das Innenministerium erhebt. Und dann wäre da noch die innerparteiliche Komponente.

Sollte Seehofer bereit sein, Macht abzugeben, könnte Herrmann eine Schlüsselrolle zufallen. Immer mehr Leute in der CSU halten es für denkbar, dass ein Bundesinnenminister Herrmann für den Parteivorsitz zur Verfügung stehen könnte. Söders Getreue lassen zwar verlauten, der Finanzminister trete dann selbst an. Doch in der CSU wird Herrmann weiter als große Aufgabe für Söder betrachtet.

Die Rechnung geht so: Die fränkischen Bezirke wären gespalten. Wenn Seehofer und führende Köpfe aus Schwaben, Nieder- und Oberbayern dann für den treuen Parteisoldaten Herrmann werben, der sogar ohne Mandat bereit ist nach Berlin zu gehen - wer weiß? Selbst die Fraktion überschüttete ihn trotz verlorener Wahl mit Beifall. Und mit einem Franken Herrmann an der Parteispitze fiele es im Sinne der CSU-Statik schwer, einen anderen Franken zum Ministerpräsidenten zu machen. Noch ist das Spekulation. Aber eine, glauben Seehofers Freunde, an der mancher zu schlucken hätte.

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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